Inklusion

Integratives Wohnprojekt: Neuer Eppelheimer "Leuchtturm" auf Treibsand gebaut?

Das Wohnprojekt auf dem ehemaligen Gugler-Areal soll vier jungen Menschen mit Unterstützungsbedarf eine Bleibe ermöglichen. Die Stadt lässt sich die Wohnung 1,2 Millionen Euro kosten, doch es gibt auch Gegenstimmen.

Von 
Volker Widdrat
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Die Stadt Eppelheim kauft für 1,2 Millionen Euro eine Inklusionswohnung, die auf dem ehemaligen Gugler-Areal errichtet wird. © Widdrat

Eppelheim. Die Stadt Eppelheim kauft eine Wohnung auf dem ehemaligen Gugler-Areal, auf dem die Firma Epple insgesamt fünf neue Wohngebäude mit einer gemeinsamen Tiefgarage erstellt. Die Wohnung für einen Kaufpreis von rund 1,2 Millionen Euro soll als inklusiv ausgerichtete, ambulant betreute Wohngemeinschaft für junge Menschen mit Behinderung genutzt werden. Vor der Beratung im Gemeinderat wollte die Grünen-Fraktion Renate Schmidt (SPD) als befangen vom Ratstisch ausschließen. Die deutliche Mehrheit sah das nicht so.

Thomas Kreuzer als Vertreter der Projektgruppe Inklusion Eppelheim erläuterte das Konzept der anbietergestützten Wohngemeinschaft nach dem Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege. Das Wohnprojekt sei nach „über zwei Jahren Planungszeit, detaillierter Konzeptausarbeitung und professioneller Planung nach Prüfung durch Fachgremien vom Sozialministerium bewilligt und gefördert worden“.

Inklusive Wohnprojekte in Eppelheim: Ambitionen und Partnerschaften

Insgesamt sechs Bewohnern, davon vier mit Unterstützungsbedarf, soll hier die Möglichkeit gegeben werden, in einer Wohngemeinschaft mitten in Eppelheim zu leben. Projektpartner sind neben der Stadt als Käufer und Vermieter die Firma Conceptaplan Dossenheim und Epple als Immobilienentwickler beziehungsweise Bauträger.

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Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft hat einen eigenen Mietvertrag. Ein Bewohnergremium als Forum zur gemeinsamen Abstimmung regelt Wohnangelegenheiten. Verantwortung haben die Bewohner, deren Angehörige oder rechtliche Vertreter, Leistungsanbieter, Präsenzkräfte und weitere mit Unterstützungsleistung beauftragte Kräfte. Die Projektgruppe übernimmt ehrenamtlich Koordinations- und Netzwerksaufgaben.

Barrierefreies Wohnen: Ausstattung und Förderungen

„Der richtige Ort für ein inklusives Wohnprojekt“, sagte Conceptaplan-Geschäftsführer Dr. Thomas Grimann und präsentierte Plan und Grundriss des Neubaus. Die Gesamtfläche von 209 Quadratmetern hat sechs Zimmer zwischen 14 und 16 Quadratmeter, ein Betreuungszimmer, Wohn-, Koch- und Essbereich, ein behindertengerechtes Bad, erhöhten Schallschutz und eine Wohnungstür mit mechanischer Öffnungsunterstützung. Die Stadt wird alleiniger Eigentümer.

Das Projekt wird vom baden-württembergischen Sozialministerium mit 220 000 Euro gefördert. Die Bescheide des Rhein-Neckar-Kreises über die Befürwortung liegen vor. Die Zuschussbewilligung durch das Sozialministerium erfolgte mit dem Hinweis, dass „das Vorhaben in besonderer Weise dazu geeignet ist, Menschen den Wunsch zu erfüllen, weiterhin so normal wie möglich, möglichst im gleichen Quartier und unter Beibehaltung ihrer persönlichen Bezüge zu leben“. Kreuzer appellierte an den Gemeinderat: „Werden Sie zu einem Möglichmacher.“ „Wir verdienen nichts daran, möchten es aber trotzdem gerne machen“, meinte Grimann.

Finanzielles Risiko vs. soziale Verantwortung: Debatte im Gemeinderat

Im aktuellen Haushalt stehen noch Mittel in Höhe von 716 000 Euro zur Verfügung; in der mittelfristigen Finanzplanung sind für 2025 rund 250 000 Euro eingeplant, rechnete Kämmerer Michael Seip vor. Die Stadt müsste für den Kaufpreis abzüglich der Förderung jedes Jahr rund 19 600 Euro erwirtschaften.

Martin Gramm (Grüne) sah die Gefahr des Scheiterns. Es gebe kaum ähnlich konzipierte Wohngruppen in kommunaler Trägerschaft. Die Größe der Zimmer sei bedenklich, „zu klein, um barrierefrei und versorgungsgerecht zu sein“.

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Marc Böhmann (Grüne) hielt das inklusive Wohnprojekt für gut und „wichtig für unsere Stadt“. Die Vorgehensweise der Inklusionsgruppe und der Stadtverwaltung in dieser Sache sei aber „das Gegenteil von Transparenz und Bürgerbeteiligung“. Der Kauf der Wohnung sei „ein Verlustgeschäft und ein riesiges finanzielles Risiko. Der „vermeintliche Leuchtturm dieses Projektes ist auf Treibsand gebaut“. Eppelheim sei mit rund 27 Millionen Euro hoch verschuldet, da sei der Kauf einer solchen Wohnung kontraproduktiv, monierte Böhmann. Würde man das „spärlich vorhandene Geld“ für diesen Wohnungskauf verwenden, wäre das Geld für den Bau oder Erwerb von anderen Wohnungen weg. Viele Pflichtaufgaben und Freiwilligkeitsleistungen könnten nicht mehr erfüllt werden.

Abwägung sozialer Rendite gegenüber finanziellen Bedenken

Für Volker Wiegand (CDU/FDP) muss die Öffentlichkeit nicht bei jedem Immobilienerwerb beteiligt werden. Die Grünen seien als „eine Verbots- und Verhinderungspartei“ im Gemeinderat „regelmäßig dagegen“. Das Neubauprojekt auf dem ehemaligen Gugler-Areal biete sich für die Realisierung einer inklusiv ausgerichteten Wohngemeinschaft in idealer Weise an: „Der Erwerb dieser Immobilie lohnt mehr als viele Objekte, die in der Vergangenheit erworben wurden.“ Neben dem sozialen Aspekt spreche auch der wirtschaftliche Nutzen für den Erwerb der Inklusionswohnung.

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Renate Schmidt (SPD) stimmte dem Kauf uneingeschränkt zu. Die Finanzierung sei gesichert - durch die Mieteinnahmen, denn die Bewohner erhielten aus der Eingliederungshilfe einen festgelegten Zuschuss vom Sozialamt. Der Neubau werde ökologisch nachhaltig erstellt. Schmidt betonte die „soziale Rendite, die oftmals außer Acht gelassen wird“. Die inklusive Wohngemeinschaft biete Menschen mit Handicap die Chance, mit Gleichaltrigen in einer eigenen Wohnung selbstbestimmt zu leben, „mitten in einem zentralen Wohnquartier“. Bernd Binsch (Eppelheimer Liste) monierte, „dass jetzt vor den Kommunalwahlen alles noch schnell über die Bühne gebracht werden soll, denn ohne Gemeinderatsbeschluss kein Wohnungskauf“. Man könne dem Projekt einer Inklusionswohnung nicht zustimmen, appellierte Binsch an die Fraktionen „zur Vernunft zurückzukehren und sich auf das zu besinnen, was als Pflichtaufgabe gemacht werden muss: Feuerwehr, Kindergärten, Sporthallen, Schulen“.

Bürgermeisterin Patricia Rebmann antwortete, eine Sporthalle sei keine Pflichtaufgabe und Sozialwohnungen keine freiwillige Leistung. Die Stadt kaufe eine hochwertige Wohnung, „keine Bruchbude“. Alle anderen gemeindeeigenen Wohnungen brächten keine Rendite: „So eine Gelegenheit kommt nicht wieder.“

Der Beschlussvorschlag bekam schließlich elf Jastimmen bei neun Neinstimmen der Grünen und der Eppelheimer Liste.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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