Betreuung

Hockenheimer Eltern kämpfen mit Petition um Erhalt städtischer Trägerschaft

Eltern in Hockenheim protestieren gegen den möglichen Übergang von städtischen Kindergärten an den Verein Postillion. Sie befürchten negative Auswirkungen auf ihre Kinder und die Betreuungsqualität. Der Gemeinderat entscheidet in einer bevorstehenden Sitzung darüber.

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Corinna Perner
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Während das obere Schild inzwischen Zeugnis der Vergangenheit ist, besteht noch Hoffnung, dass das Schild zum Park-Kindergarten erhalten bleiben kann. © Corinna Perner

Hockenheim. Nicht nur Erzieherinnen und Erzieher, sondern auch Eltern sorgen sich um die Zukunft der drei aktuell in Kooperation betriebenen städtischen Kindergärten. Der Gemeinderat hat in der Gemeinderatssitzung am 27. September das Zepter in der Hand, wenn es darum geht, ob die Einrichtungen künftig wieder komplett in städtischer Hand liegen oder samt Personal durch eine „Inhouse-Vergabe“ an den Verein Postillion abgegeben werden.

Nachdem die Eltern Anfang des Monats mit einem Schreiben erstmals offiziell vonseiten der Stadtverwaltung informiert worden waren, besuchten zahlreiche Mütter, Väter und Erzieherinnen die SKS-Ausschusssitzung vergangenen Woche. Auch eine Petition ging an den Start.

Unter dem Titel „Kommunale Trägerschaft der Kindergärten in Hockenheim beibehalten“ stellte Elena Heidenreich, selbst betroffene Mutter und Vorsitzende des Gesamtelternbeirats der Hockenheimer Kindertageseinrichtungen, am Sonntagabend eine Petition ins Netz, die Stand Mittwochnachmittag über 360 Unterstützende unterzeichneten.

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Weit über die Hälfte der bisher Beteiligten machte ihren Namen öffentlich, viele nennen ihre Beweggründe: Während in vielen Kommentaren Sympathie mit den Erzieherinnen bekundet wird, die zu einem großen Teil nicht bei einem freien Träger angestellt sein möchten, sorgen sich viele andere vor allem um das Wohl der Kinder und fordern die Übernahme von Verantwortung durch die Stadt durch eigene Trägerschaft.

Eltern kritisieren die Stadt Hockenheim für Umgang mit Personal

Larissa Hauck stellt ihre Beweggründe dar: „Ich habe unterschrieben, weil ich es nicht in Ordnung finde, wie die Stadt hier mit den Mitarbeitern umgegangen ist in dem bekannten Elternbrief. Ebenso finde ich es nicht gut, dass eine Stadt die Verantwortung komplett abgibt, was unsere Jugend und somit auch unsere Zukunft angeht.“

Um das zu signalisieren, besuchte die Mutter die Sitzung des Ausschusses für Soziales, Jugend, Kultur und Sport (kurz SKS) – mit ernüchterndem Fazit: „Die Atmosphäre empfand ich als sehr angespannt. Man hat gemerkt, dass die anwesenden Erzieherinnen gekränkt waren und sich nicht wertgeschätzt fühlen. Außerdem wurden unsere Fragen durch den OB sehr umschweifend beantwortet, sodass man hinterher eigentlich die Antwort auf die Frage gar nicht mehr herausfiltern konnte.“

Thematisiert worden waren in einer umfangreichen Fragerunde Themen wie teilweise fehlende fachliche Qualifikation im vom Postillion eingesetzten Vertretungspool und die mit diesem Vertretungskonzept einhergehende höhere Gefahr, Krankheiten von Einrichtung zu Einrichtung zu tragen, die Frage nach finanziellen Beweggründen und das Mehrbedarfsteam. Eine Mutter stellte zynisch in den Raum, dass es künftig wohl mehr um Lebensbetreuung als um pädagogisches Arbeiten gehe – die Hauptsache sei dann, dass das morgens lebendig abgegebene Kind mittags auch wieder lebendig abgeholt werden könne.

Die Petition führt als Gründe gegen einen Übergang die befürchtete höhere Personalfluktuation bei einem freien Träger ebenso wie die Gefahr des Abwanderns des städtischen Personals in andere Gemeinden an. Zudem habe die Kooperation mit dem Postillion für Eltern nicht die versprochene spürbare Verbesserung ergeben. Der zeitweise eingesetzte Vertretungspool habe Unruhe mit sich gebracht. Bedenken gebe es auch bei der Gewährleistung der Trägervielfalt gerade im Bereich Ganztagesbetreuung und der Betreuung ab drei Jahren. Neben dem Postillion stünden wenige Alternativen zur Verfügung.

Verständnislosigkeit über Hockenheimer Stadtverwaltung bei Kindergärten

Vera Vogel beschäftigte die Thematik als betroffene Mutter so sehr, dass sie die Fraktionssitzung der CDU nutzte, um ihre Sicht darzustellen. Sie kritisiert, dass „scheinbar der OB und der Gemeinderat keine langfristige und verlässliche Verantwortung für unsere Kinder übernehmen wollen“, einen Mehrwert für die Eltern durch die Abschaffung kommunaler Kindergärten habe ihr bisher niemand verständlich erklären können.

Zurück bleibt Unverständnis: „Ich kann nicht verstehen, wie sich die Stadt mit Verweis auf die Flüchtlingskrise und den dramatischen Personalbedarf an Erzieherinnen außerstande sieht, städtische Kindergärten selbst zu betreiben. Scheinbar geht es weniger um das Wohl unserer Kinder als um Einsparungen des Rathauses in der Verwaltung – auf Kosten der Kinder.“

Thema in Hoggene-Facebookgruppe heiß diskutiert

In der Hoggene-Facebookgruppe wurde das Thema kurz nach Einstellen der Petition heiß diskutiert. Immer wieder taucht hier die Frage nach Befangenheit auf, da Christian Sauter – Bruder des Freie-Wähler-Stadtrats Michael Sauter – geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Postillions und auch im Vorstand der Freien Wähler in Hockenheim ist.

Oberbürgermeister Marcus Zeitler scheint der Postillion am Herzen zu liegen, wenn er innerhalb des Beirats laut Homepage des Postillions als einziger Oberbürgermeister in der Mitgliedssäule „Kommunen“ zu finden ist. Kritisiert wird in der Diskussion via Facebook auch der Umgang mit städtischem Personal und der Zustand manch eines Kindergartens im Vergleich zum Rathaus.

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Nach Ansicht der Eltern wäre es das kleinere Übel, die Einrichtungen in städtischer Hand zu belassen, sind doch aktuell 64 Mitarbeiter städtisch und lediglich elf Erzieherinnen vom Postillion gestellt. Dass einige der Erzieherinnen des Postillions bei einem Angebot auch einen Vertrag bei der Stadt unterzeichnen würden, möchten manche Eltern schon gehört haben.

Zweifel bei Eltern gibt es an der Transparenz der städtischen Informationen. So war aus der Elterninformation Anfang September nicht herauszulesen, dass der Übergang zum Postillion und keinem anderen freien Träger angestrebt werde, auch Oberbürgermeister Marcus Zeitler äußerte unserer Zeitung gegenüber, dass vom Gemeinderat noch zu beschließen sei, wer der freie Träger im Falle eines Übergangs sei.

Der inzwischen im Ratsinformationssystem zu findenden Beschlussvorlage zufolge will die Stadtverwaltung jetzt aber gleich das ganz große Paket schnüren. Abgestimmt werden soll nicht nur über die „Inhouse-Vergabe“ an einen freien Träger generell, sondern, dass diese an den Postillion erfolgen und der Verein auch den Neubau des Kindergartens auf dem Reiterplatz als Nachfolger für den Parkkindergarten übernehmen soll.

Möglich macht die ausschreibungsfreie „Inhouse-Vergabe“ wohl eine beim Postillion vorgenommene Satzungsänderung, die in der zweiten Septemberwoche und damit „just in time“ rechtskräftig wurde.

Freie Autorin Freie Mitarbeiterin für Hockenheim und Umgebung rund um die Themen Kultur, Religion sowie Land und Leute.

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