Hockenheim. Im Schwurgerichtsprozess wegen der Messerattacke in der Hockenheimer DRK-Obdachlosenunterkunft im Auchtergrund am Abend des 26. September vergangenen Jahres, fiel am Montag der Schuldspruch. Am vierten Verhandlungstag verurteilte die Strafkammer des Landgerichts Mannheim den 29-jährigen Tunesier wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung zu sieben Jahren Gefängnis.
Die Kammer unter dem Vorsitzenden Richter Gerd Rackwitz ging damit beim Strafmaß über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus, die sechseinhalb Jahre gefordert hatte. Die Verteidigung hatte auf Freispruch wegen Notwehr plädiert. Der Angeklagte nahm den Schuldspruch des Schwurgerichts regungslos zur Kenntnis.
Der Verurteilte habe an jenem Abend schon vor der Bluttat mit einem 46-jährigen Mitbewohner gestritten, führte der Vorsitzende in der Begründung aus. Bei dem Zoff in der Küche der Unterkunft habe er auch mit einem Messer gedroht. Bei der zunächst verbalen Auseinandersetzung sei es um eine ebenfalls in der Unterkunft wohnende Frau gegangen, zu der sich der Angeklagte hingezogen gefühlt haben soll.
Messerattacke in Hockenheim: Plötzlicher Angriff im Flur
Das eigentliche Tatgeschehen habe sich dann auf den Flur und in das Zimmer des Beschuldigten verlagert. Der 46-jährige Mitbewohner habe Besuch von einem Freund gehabt. Als er sich mit diesem auf der Feuertreppe im ersten Obergeschoss aufgehalten habe, soll sich der Angeklagte plötzlich zu dem Angriff auf die beiden Männer entschlossen haben. Durch mehrere Faustschläge ins Gesicht habe er dem 46-Jährigen eine Nasenbeinfraktur und eine Risswunde am Kopf zugefügt.
Als der 49-jährige Freund die Streithähne habe trennen wollen, habe ihm der 29-Jährige unvermittelt zwei wuchtige Messerstiche in den Oberkörper versetzt und dabei billigend den Tod seines Kontrahenten in Kauf genommen. Daraufhin war er aus dem Gebäude geflüchtet. Der 49-Jährige war unterdessen schwer verletzt in der Toilette zusammengebrochen.
Die Kammer sei zu der Überzeugung gelangt, dass das Tatgeschehen durch die Angaben mehrerer unbeteiligter Zeugen bestätigt worden sei. Ein Mitbewohner hatte berichtet, dass er die Rauferei beobachtet und die lautstarke Auseinandersetzung in der Küche mit angehört habe. Es habe immer wieder Streit gegeben, weil sich beide Männer nie an die Hausordnung gehalten hätten.
Nach Auffassung des Gerichts habe der Beschuldigte bei der polizeilichen Vernehmung und in der Hauptverhandlung wechselnde Angaben zum Tatgeschehen gemacht. Zunächst hatte er ausgesagt, er sei selbst geschlagen worden und habe mit dem Messer nur aus Notwehr reagiert. Die Kammer wertete das aber als Schutzbehauptung.
Spurenbild bestätigt Zeugen
Das Spurenbild am Tatort habe alle Angaben der Zeugen bestätigt. Der 29-Jährige soll noch versucht haben, das zerbrochene Messer zu entsorgen. Dazu war er mit einer Leiter durch ein Fenster in sein Zimmer zurückgekehrt, um die Täterschaft zu verschleiern. Der Griff des Küchenmessers war im angrenzenden Feldbereich gefunden worden, die Klinge erst drei Tage später auf dem Dach über dem Zimmerfenster des 29-Jährigen entdeckt worden.
Der Untersuchungsbericht des Landeskriminalamts hatte DNA- und Blutspuren am Tatwerkzeug eindeutig dem Angeklagten zugeordnet. Das Verletzungsbild sei unzweifelhaft auf ein einschneidiges Messer zurückzuführen. Der 49-Jährige hatte wegen der zwei Stichverletzungen, die zu einer Blutansammlung vor dem Herzen geführt hatten, reanimiert werden müssen. Er hatte Blut in der Brusthöhle gehabt, dadurch hatte sein Herz nicht mehr pumpen können und er einen Herzkreislaufstillstand erlitten.
Erst die Versorgung durch den Notarzt habe den Kreislauf wieder hergestellt. Ohne notfallmedizinische Behandlung wäre das Opfer verstorben, hatte ein Rechtsmediziner im Prozess zu Protokoll gegeben.
Der 49-Jährige leidet immer noch unter Albträumen und Angstzuständen und befindet sich nach wie vor in therapeutischer Behandlung in einer Klinik. Der 29-Jährige sei nach Überzeugung der Kammer uneingeschränkt schuldfähig, führte der Vorsitzende aus. Er müsse gewusst haben, dass sein Opfer sterben könnte.
Kein minderschwerer Fall
Die forensisch-toxikologische Untersuchung habe zwar den Konsum von Cannabis festgestellt, eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit liege aber dennoch nicht vor. Er sei auch nicht vom Versuch des Totschlags zurückgetreten, sondern habe die spontane Tat vollendet. Die Kammer habe deshalb keinen minderschweren Fall annehmen können.
Der Tunesier, dem das Urteil von einem Dolmetscher für die arabische Sprache übersetzt wurde, war Ende 2014 von Italien über die Schweiz nach Deutschland gekommen. Zunächst hatte er in einer Asylunterkunft in Wiesloch gewohnt. Das Bundeszentralregister weist zahlreiche Vorstrafen aus, unter anderem wegen Diebstahls, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Dazu gab es Strafbefehle wegen Beleidigung und Autoaufbrüchen. Drogen und Alkohol hatten seinen Tagesablauf bestimmt.
Die Behörden hatten ihm eine Aufenthaltsgenehmigung versagt. Um einen Reisepass beantragen zu können, hatte er sich auch als Algerier ausgegeben. Wegen Diebstählen und Körperverletzungsdelikten hatte er eine zweieinhalbjährige Gefängnisstrafe verbüßt. Das strafrechtliche Vorleben wertete die Kammer zulasten des 29-Jährigen, der die Bluttat im Auchtergrund nur vier Monate nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis begangen habe. Sieben Jahre Freiheitsstrafe seien tat- und schuldangemessen.
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