Hockenheim/Reilingen. Der Großbrand auf dem Gelände der Firma Delvanis am 15. und 16. Juli vergangenen Jahres, bei dem die Feuerwehren der Region über 20 Stunden lang im Einsatz waren, ist vielen Menschen noch immer in schlechter Erinnerung. Die Kunststoffabfälle auf dem Betriebsgelände standen in hellen Flammen. Die riesige Rauchwolke war weithin zu sehen. Die Böschung an der Bundesstraße 39 und umstehende Bäume fingen ebenfalls Feuer. Mehr als eineinhalb Millionen Liter Löschwasser mussten zur Bekämpfung des Brands eingesetzt werden. Der dritte Brand in weniger als vier Jahren sorgte für reichlich Ärger bei den Gemeinden und den Anwohnern.
Am Freitagabend hatte der Grünen-Landtagsabgeordnete Dr. Andre Baumann zu einer Informationsveranstaltung über den Recyclingbetrieb eingeladen. Im kleinen Saal der Stadthalle diskutierten knapp zwei Dutzend Bürger und Vertreter der zuständigen Behörden und der Feuerwehr über den „Problembetrieb“ auf Reilinger Gemarkung.
Betrieb auf Reilinger Gemarkung
Es sei wichtig, möglichst wenig Müll zu produzieren und Abfall zu vermeiden, sagte Baumann. Aber Recyclingbetriebe gehörten zur Wirtschaft dazu, die gesetzlichen Auflagen müssten allerdings eingehalten werden. Zum Glück habe es in letzter Zeit keinen Großbrand bei Delvanis gegeben. Die Sicherheit aller Bürger und der ehrenamtlichen Feuerwehrleute sei besonders wichtig. Es gebe Grenzwerte, die einzuhalten seien, so Baumann: „Hier darf es keine Rabatte geben.“
Der Betrieb werde regelmäßig behördlich überprüft. Bei der letzten Kontrolle habe das Gelände „besenrein“ ausgesehen. Die großen Probleme müssten also abgestellt sein.
Schon im August 2018 und im Dezember 2020 hatten sich Abfälle auf dem Delvanis-Gelände entzündet. Das Unternehmen, das seit 2014 Kunststoffteile als Ersatzbrennstoffe für die Zementproduktion aufbereitet, kam daraufhin stark in die Kritik. Anwohner bezweifelten, ob die Firma ausreichend für Sicherheit sorgen könne. Dieter Essig von der Abteilung Umwelt des Regierungspräsidiums Karlsruhe informierte die Zuhörer über den aktuellen Stand vor Ort und gab einen kurzen historischen Abriss.
Nachträgliche Anordnung
Nach dem Brand im Dezember 2020 hatte das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde eine nachträgliche Anordnung erlassen. Ersatzbrennstoffe sind Brennstoffe, die hauptsächlich aus Gewerbeabfällen, Sortierresten verschiedener Abfallströme und Produktionsabfällen gewonnen werden. Die Produktion solcher Brennstoffe, auch als Fluff („flugfähige Fraktionen“) bezeichnet, unterliegt besonderen Richtlinien und Qualitätsanforderungen.
Lärm, Staub und Geruchsbelästigung blieben die beherrschenden Themen nach der Inbetriebnahme der Anlage 2019, schilderte Essig. Geplant waren die Schließung der teiloffenen Produktionshalle und die Installation einer Abluftanlage mit Hochleistungsfilter und zentralem Abluftkamin. Die zulässige Lagermenge sollte reduziert werden. Die Entladung von Inputmaterial außerhalb der Produktions- und der Lagerhalle wurde untersagt. Durch regelmäßige Reinigung sollten Ablagerungen und Aufwirbelungen von Staub vermieden werden. Im Außenbereich durften nur geruchlich unauffällige Abfälle zwischengelagert werden.
Es sei sichergestellt worden, dass die Emissionsgrenzwerte eingehalten werden, führte Essig aus. Die Beschwerden der Anwohner hätten nicht aufgehört. Nach Auffassung der Initiative hätten sich auch nach der Umsetzung der Maßnahmen die Geruchsbelästigungen nicht vermindert. Wenn die nicht in den Griff zu bekommen seien, drohe die Stilllegung des Betriebs, hatte das Regierungspräsidium der Firma Delvanis mitgeteilt. Die Geruchsemissionen am Filterturm werden alle sechs Monate unangekündigt überprüft. Die Abluftanlage muss alle drei Monate gereinigt werden.
Am 26. Juni sei nun die Anordnung ergangen, dass die Fertiglagerhalle geschlossen werden muss, so Essig. Die Verladung der Abfallstoffe dürfe nur noch drinnen stattfinden. Die Firma Delvanis habe bisher keine Rechtsmittel eingelegt. In drei Wochen gehe es nun an die Umsetzung der Maßnahme, so der Vertreter des Regierungspräsidiums.
Die Geruchsbelästigung für die Bürger sei über die vergangenen zehn Jahre „sehr anstrengend“ gewesen, hieß es in der Diskussion. Es sei aber besser geworden. Der ganze Prozess sei „sehr belastend“. Seit die Zuständigkeit beim Regierungspräsidium liege, bewege sich aber was. Verwaltungsrechtlich müsse man „immer dicke Bretter bohren“, bestätigte Essig. Eine Zuhörerin monierte die Umweltverschmutzung „über Jahre hinweg“. Die Auswirkungen des Mikroplastikproblems in der Landschaft seien noch nicht abzuschätzen, musste Baumann zugeben und ging kurz auf das neue Kompetenzzentrum bei der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg ein. Klimaschutz durch eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, denn die Verwendung von Kunststoffrezyklaten aus Abfällen anstatt Primärkunststoffen verringerten den Energiebedarf und damit die CO2-Emissionen um rund 75 Prozent. Dieter Essig geht im Dezember kommenden Jahres in den Ruhestand. Er möchte noch miterleben, „dass Delvanis so funktioniert, wie es sein muss“.
Feuerwehr: Auf einem guten Weg
Hockenheims Feuerwehrkommandant Daniel Ernst nahm den Dank Baumanns auch für die Kameraden der Feuerwehr Reilingen mit. Die drei Großbrände seien große Herausforderungen für die ehrenamtlichen Feuerwehrleute gewesen. Der Recyclingbetrieb müsse die brandschutzrechtlichen Erfordernisse erfüllen, meinte Ernst. „Wir sind auf einem guten Weg und in einem guten Austausch mit Reilingen“, schätzte der Kommandant die aktuelle Lage ein. In einem kleinen Exkurs ging es um die richtige Mülltrennung. Organische Materialien und Lithium-Akkus können nämlich bei Hitze in solchen Recyclingbetrieben zu Bränden führen.
„Wir sind im ständigen Austausch mit den Feuerwehren“, führte Martin Obst vom Baurechtsamt des Fachbereichs Bauen und Wohnen aus. Man nehme die Wünsche entgegen und führe die Maßnahmen durch. Vor sechs Wochen habe es den letzten Austausch direkt vor Ort gegeben: „Für bestimmte Flächen des Betriebsgeländes ist Delvanis die Nutzung untersagt.“
Die Warnmeldungen beim Großbrand vor einem Jahr seien schnell erfolgt und ausreichend gewesen, waren sich die Zuhörer einig. Zwar habe nicht jeder die Warn-Apps Nina oder Katwarn, aber die Informationen seien auch sofort als Durchsagen über Radio oder die Polizei zu hören gewesen.
Die Firma Delvanis, die zwar zu der Informationsveranstaltung nicht eingeladen war, „möchte den interessierten Anwohnern die Möglichkeit geben, bei einem Vor-Ort-Treffen am Standort des Unternehmens in Hockenheim sich sowohl über die aktuell bereits umgesetzten als auch die in der Planung befindlichen Maßnahmen konkret einen Eindruck zu verschaffen“, stellt Dorothee Seifert von der Firma Delvanis fest. Dazu werde es kurzfristig Terminvorschläge geben.
Delvanis will Bürger einladen
Ebenso sei bereits ein Treffen mit dem Landtagsabgeordneten Dr. Baumann vor Ort geplant, um ihm bei einem persönlichen Gespräch den Standort vorzustellen und die damit verbundenen Problemfelder gemeinsam zu erörtern, betont die Sprecherin.
Über alle Maßnahmen zum Immissions- sowie Brandschutz befinde sich Delvanis in regem Austausch und Abstimmung mit den zuständigen Behörden, heißt es weiter. Ein Treffen mit den Feuerwehren Hockenheim und Reilingen fand ebenfalls vor kurzem statt, um gemeinsam Lösungsansätze abzustimmen, die zum einen die Einsätze der Kameraden zu Fehlalarmen deutlich reduzieren, zum anderen auch um Maßnahmen des vorbeugenden Brandschutzes zu optimieren und auszubauen.
Zur Löschwasserrückhaltung ist ein Brandschutzsachverständiger mit der Erstellung eines entsprechenden Konzeptes beauftragt, stellt die Firma fest.
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