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Hockenheimer Streetworker Christoph Kanzow im Einsatz für die Jugend

Christoph Kanzow ist seit Juli als Streetworker in Hockenheim im Einsatz und sucht den Dialog vor allem mit Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren. Seine akzeptanzbasierte Arbeit fördert Vertrauen und schafft nachhaltige Veränderungen in der Gemeinschaft.

Von 
Matthias Mühleisen
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Auch bei Schnee und Minusgraden in der Stadt unterwegs: Streetworker Christoph Kanzow am Eingang der Schule am Kraichbach, der mit Graffiti besprüht wurde. © Dorothea Lenhardt

Hockenheim. Bei Minusgraden und Eisregen zählt ein Streetworker aktuell zu den Berufsgruppen, deren Dienst von einem gewissen Mitgefühl der Allgemeinheit begleitet wird. Doch bei Christoph Kanzow steht Flexibilität an erster Stelle und er arbeitet dort, wo sich junge Menschen bevorzugt aufhalten – und die mögen es auch lieber warm. Folglich hat der 27-Jährige in Ausübung seiner Tätigkeit eher selten Eiszapfen an der Nase.

Christoph Kanzow kennt auch das andere Klimaextrem: Als er im Juli 2023 seine Arbeit bei der Stadtverwaltung Hockenheim begonnen hat, war es sommerlich heiß. Bei der Eröffnung des Skateparks war er erst wenige Tage im Dienst und lud zusammen mit Paul Rühl, Leiter des Jugendzentrums am Aquadrom (Juz) ins „mobile Wohnzimmer“ auf dem Gelände am Rand des Gartenschauparks ein.

Kälte hält den Streetworker jedoch nicht davon ab, seiner Berufsbezeichnung gerecht zu werden: „Ich bin ganz normal auf der Straße unterwegs, auch wenn ich weniger Zeit draußen bin als im Sommer, weil ich weniger Leute antreffe. Aber gerade heute Vormittag habe ich drei junge Hockenheimer gesprochen, die mit einer Menge Themen auf mich zugekommen sind“, berichtet Kanzow im Gespräch mit der Redaktion.

Zur Person

  • Christoph Kanzow (27) ist in Neumünster geboren und in Würzburg und Umgebung aufgewachsen.
  • Nach dem Abitur absolvierte er ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Jugendzentrum. Nach dem Studium der Sozialen Arbeit sammelte er knapp drei Jahre lang erste Erfahrungen in mobiler Jugendarbeit und Streetwork in Tübingen.
  • Schwimmen, klettern, Mountainbiking sowie Brett- und Kartenspiele füllen seine Freizeit.
  • Er ist für alle Interessierten erreichbar über seine Dienstnummer 0173/5 49 59 15 oder einen spontanen Besuch im Juz. mm

Dass er nicht unbedingt für seine Kontakte nach draußen gehen muss, liegt auch daran, dass sich sehr viele Jugendliche im Juz aufhalten, wo er sein Büro hat. Den Großteil von ihnen kennt er von seinen „Außeneinsätzen“, was die Arbeit erleichtert.

Akzeptanz als Arbeitsprinzip

Eines seiner Prinzipien dabei ist die Akzeptanz, erklärt der in Würzburg aufgewachsene Sozialarbeiter. Er versuche, den Rahmen zu verändern, um Verhalten Jugendlicher, das andere stört, zu verändern. Es gelte beispielsweise herauszufinden, warum sie bestimmte Treffpunkte bevorzugen, statt sie nur von dort wegzuschicken. Beispielsweise habe sich eine Gruppe in einer Tiefgarage getroffen, weil sie einen geeigneten Ort für ein Strategie-Rollenspiel gebraucht hatten. Dafür können sie nun auch das Jugendzentrum nutzen. Gegen Vermüllung könne zuweilen schon die Aufstellung zusätzlicher Mülleimer helfen. Dieser Weg der Verhaltensänderung dauere zwar etwas länger, aber er entspreche seinen Überzeugungen, sagt Kanzow.

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In den gut sechs Monaten in Hockenheim hatte er Kontakt zu rund 100 jungen Menschen, schätzt er. Sie stammten nicht nur aus Hockenheim, sondern auch aus der Umgebung und sind mit Einheimischen unterwegs. Eine solide Vertrauensbasis habe er zu rund 30 Jugendlichen aufgebaut, mit denen er mindestens einmal oder auch mehrfach die Woche im Gespräch ist und die ihn sehr gut kennen.

Sein Klientel kommt aus mehreren kleinen Gruppen, die untereinander aber Kontakte haben – grundsätzlich könne man von einer sehr großen Gruppe sprechen. Generell sei auffällig, dass die Hockenheimer Jugendlichen sehr vernetzt sind. Das Juz spiele dabei als Treffpunkt eine große Rolle. „Die Besucherzahlen sind extrem gestiegen, das Haus wird täglich frequentiert von vielen Leuten.“

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Seine wichtigste Frage in seiner Anfangszeit sei die gewesen, was den jungen Leuten fehle. Dabei lautete die häufigste Antwort: ein Ort zum Treffen, überdacht und mit angenehmen Sitzgelegenheiten, im Winter warm, an dem man abends auch mal lauter sein kann. Das alles biete das Jugendzentrum. Die Einrichtung war krankheitsbedingt längere Zeit geschlossen, die Kontakte Kanzows und die Schulvorstellung von Leiter Paul Rühl sorgten dafür, dass es wieder intensiv genutzt wird und für den Streetworker aktuell zum Mittelpunkt seiner Arbeit wurde.

Viele Treffpunkte im Stadtgebiet von Hockenheim

Dank seiner flexiblen Einsatzzeiten kann er sich dabei nach den jungen Menschen richten. So ist er für Gruppenarbeit in der Lage, auch mal zu späterer Stunde einen Raum anbieten. Dafür ist der Bedarf nach einem Ansprechpartner zu Vormittagszeiten aktuell sehr gering.

In den wärmeren Monaten bleiben die Jugendlichen nach Christoph Kanzows Erfahrungen ihren Stammtreffpunkten treu. Beim Bahnhof und Rewe-Markt, an der Zehntscheune, am Kraichbach oder im Gartenschaupark halten sie sich regelmäßig auf, im Winter beschränke sich die Auswahl auf Tiefgarage, Jugendzentrum und Rewe.

Ausgewählt werden die Plätze wegen Sitzgelegenheiten, Überdachung und einer günstigen Lage, beispielsweise wegen Versorgungsmöglichkeiten oder der Chance, in Nachbarorte zu fahren. Der Skatepark spiele als Treffpunkt für seine Adressaten, die großteils zwischen 14 und 19 Jahren alt sind, keine große Rolle und wird eher von jüngeren Besuchern genutzt. Für die 14- bis 19-Jährigen liege der Park auch schon wieder etwas zu weit am Rand der Stadt, was sich schlechter mit anderen Interessen verbinden lasse. Darum ist der Skatepark kein Ort, an dem der Streetworker häufig anzutreffen ist.

Seit Juli in Hockenheim im Einsatz: Christoph Kanzow vorm Pumpwerk, wo das Generationenbüro seinen Sitz hat, dem auch die mobile Jugendarbeit angegliedert ist. © Svenja Pastoors Stadtverwaltung

Die Vermittlung zwischen Anwohnern und jungen Menschen an ihren Treffpunkten und das Aufzeigen von anderen Optionen ist ein Bestandteil seiner Arbeit. Aber er trete nicht auf, um Jugendliche zu ermahnen oder von etwas abzuhalten, sondern um Beziehungsarbeit zu leisten, gegenseitiges Vertrauen zu schaffen und tiefer ins Gespräch zu kommen über ihre Anliegen und darüber potenziell etwas zu beheben.

Es sei definitiv ruhiger geworden, vor allem, weil die Jugendlichen, die viel Zeit draußen verbringen, inzwischen ihre Treffen ins Jugendzentrum verlegt haben. Unzufriedenheit und Beschwerden, sei es im Landesgartenschaugelände oder um die Zehntscheune, gebe es trotzdem und hier bleibe er am Ball. Überproportional viele Probleme gibt es seiner Einschätzung nach nicht.

Einen echten Überblick habe er erst, wenn er einen kompletten Jahreskreis erlebt hat, sagt der zuvor in Tübingen tätige Streetworker. Er sei mitten im Sommer nach Hockenheim gekommen. „Die meisten Leute kannten mich nicht, dementsprechend war ich erstmal damit beschäftigt, dass sie mich nicht für einen Polizisten in Zivil halten“, blickt Kanzow zurück. Gespannt ist er, wie der Vergleich zum Vorjahr ausfällt.

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Im Sommer plant Kanzow mit Paul Rühl eine Freizeit. In den warmen Monaten möchte er das „mobile Wohnzimmer“ häufiger einsetzen, in das er mit Rühl bei der Eröffnung des Skateparks eingeladen hat. Hier sucht er noch eine Lösung für den Transport, um neue Orte als Treffpunkte im Freien zu erschließen. Was er sonst anbietet, sollen vor allem die jungen Menschen entscheiden, sagt er. Wobei er weiß, dass viele seiner Adressaten „nicht die größten Fans von Planung sind“ – vieles passiere eher spontan. Beim Hockenheimer Mai will er dabei sein mit einem Angebot.

Partner für Hockenheimer Jugendgemeinderat

Mit dem Jugendgemeinderat steht der Streetworker in festem Kontakt. Er stellte seine Tätigkeit vor, gab dem neuen Gremium Input für dessen Arbeit auch als Sprachrohr der jungen Menschen in Hockenheim. An den Sitzungen nimmt er teil und bleibt Ansprechpartner. Der Jugendgemeinderat habe viele Ideen, aber das Thema Treffpunkte bleibe wichtig. Hinterm Gauß-Gymnasium bestehe Interesse, aber auch noch viel Abstimmungsbedarf. Wichtig sei, dass die Nutzer bei Auswahl und Ausstattung eingebunden werden – das erhöhe die spätere Akzeptanz.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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