Hockenheim. Adrian Gillmann hat sich Großes vorgenommen: Er möchte für Stadthalle und Pumpwerk den Kulturwandel und den Generationentransfer schaffen. Dafür bringt der 41-Jährige mit seinen 1,98 Meter Körpergröße nicht nur physisch gute Voraussetzungen mit. Er hat auch viele Jahre Erfahrung in der Programmgestaltung gesammelt, bevor er im Oktober nach Hockenheim ins Team der Stadthalle gewechselt ist.
Der lange Vorlauf von bis zu zwei Jahren, den die Programmbuchungen in Hockenheim haben, sind eine neue Erfahrung für ihn. Nach zehn Jahren „Wissenschaft und Weltrettung“, wie es Stadthalle-Geschäftsführer Rainer Weiglein scherzhaft formuliert, freut sich der studierte Religionswissenschaftler dazuzulernen und sich mehr der Unterhaltungskultur zu widmen. „Aber ich hoffe, auch ein bisschen was mitzubringen“, kündigt er für die künftige Programmgestaltung an.
Vielfältige Spielstätten als kultureller Dreiklang in Hockenheim und Einbindung in die Metropolregion
Was ihn von Anfang an gereizt habe, sei die Vielfalt der Spielstätten. Das Pumpwerk als Kleinkunstbühne, die komplett ausgestattete Stadthalle und das Restaurant „Rondeau“ erlaube als „kultureller Dreiklang“ verschiedenste Formate und könne sich sehr gut ergänzen.
Wichtig ist ihm die Einbindung in die Metropolregion: „Ich denke nicht so gerne in Gemeindegrenzen“, sagt Gillmann. Viele Menschen wohnen in der einen Stadt, gehen in einer anderen ins Theater und in einer dritten ins Kino. „Das kulturelle Leben ist regional und unsere Spielstätten laden Menschen aus der Metropolregion ein, nach Hockenheim zu kommen.“ Darüber hinaus will er manche Hockenheimer, die sich ihre Kultur derzeit vor allem andernorts holen, in ihre Stadt zurückholen.
Kultur für Hockenheim in Aktion und Interaktion
Die Menschen, ist Gillmann überzeugt, gehen dorthin, wo Kultur in Aktion und Interaktion stattfindet, wo sie merken, dass auf ihre Wünsche und Wahrnehmungen eingegangen wird. Gerade in der Metropolregion Rhein-Neckar gebe es viel Potenzial, dass auch in kleineren Städten Programme entstehen, die ebenso die Menschen aus größeren Städten anlocken.
Wobei die Bekanntheit Hockenheims ein Trumpf sei: Wenn er in seinen früheren Stationen wie Köln oder Frankfurt zehn Menschen nach der Stadt fragte, kannten sie acht von ihnen. Das sei ein Potenzial, auch wenn die Bekanntheit vom Ring her stamme. Adrian Gillmann kann sich auch hier eine Vernetzung vorstellen, etwa ein Vorprogramm zum Glücksgefühle Festival, das das Augenmerk eher auf mit dem Titel verwandte Themen wie Gesundheit oder das Verhältnis Körper-Geist, Rationalität-Emotionalität richtet.
Gute Kulturveranstaltungen bieten seiner Auffassung nach nicht nur Entspannung, sondern auch Inhalte. Erfahrungen jenseits des Alltags zu bieten, die die Besucher wiederkommen lassen, sei Aufgabe von Spielstätten wie Stadthalle und Pumpwerk.
Generationentransfer als zweites Ziel in Hockenheim: Mit allen Akteuren im Gespräch
Mit dem Generationentransfer, den Gillmann als zweites Ziel anstrebt, meint er, sowohl die „Mittelalten“ als Publikum zu gewinnen, die sehr schwierig zu erreichen seien, weil sie voll im Beruf stehen, als auch die Jugendlichen und Kinder. Reizvoll findet er deshalb, dass er sich ums Kinderprogramm kümmern darf. Für die Kinderdisko, die im Februar startet und sich auch an Eltern richtet, ist „DJ Benny der Bär“ engagiert.
Der neue Kulturleiter betrachtet es als seine Aufgabe, mit vielen weiteren lokalen Akteuren ins Gespräch zu kommen, um sie mitzunehmen: das Generationenbüro, Schulen, Jugendgemeinderat und Vereine: „Was ist schon da, was fehlt, was kam man gemeinsam neu gestalten?“
Als Beispiel für die Verbindung der Generationen nennt Adrian Gillmann die „Kara-Hogge-Night“, die Pumpwerkleiter Cihad Baz im September ins Leben gerufen hat.
Bewährtes und Neues sollen sich in der Hockenheimer Kulturlandschaft ergänzen
Wichtig ist Gillmann, dass das im Umkehrschluss nicht bedeute, dass in der Programmgestaltung Tabula rasa gemacht wird: „Wir brauchen auch ein klassisches Programm.“ Als Beispiel nennt er die Heinz-Erhardt-Show Ende des Jahres, mit der Hans-Joachim Heist, bekannt auch als Gernot Hassknecht aus der „Heute Show“, gastiert und die das Peter-Alexander-Programm im Frühjahr ergänzt.
Der lange in Heidelberg tätige Kulturorganisator freut sich über die freundliche Aufnahme in Hockenheim. „Ich merke, dass die meisten Menschen, mit denen ich gesprochen habe, bereit sind für Veränderungen und offen für Neues“ – vom Oberbürgermeister über Gemeinderäte bis zu Vereinsvertretern. Jeder habe Ideen und Vorschläge, und im kulturellen Geschehen betrachtet er sich nicht als Urheber, sondern eher als Katalysator und Moderator, der Ideen zusammenbringt und sieht, was wann möglich ist.
Adrian Gillmann
Adrian Gillmann, Jahrgang 1982, ist in Baden-Baden geboren. Er hat in Freiburg und Heidelberg katholische Theologie, Philosophie und Religionswissenschaften studiert und einen Magisterabschluss.
Schon während des Studiums war er nebenbei an der Erstellung von kulturellen Events und Programmen beteiligt. Von 2012 bis 2022 war er als Programmassistent beim Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) Heidelberg beschäftigt.
Reisen in Großstädte, schwimmen im Meer, kochen, laufen, Theater und Literatur, Filme und Serien füllen seine Freizeit aus.
Die lokale und regionale Musikszene soll weiter im Pumpwerk zu Hause sein. Bands wie Me and the Heat, Amokoma, Zap-Gang, Dougie and the Blind Brothers und Delta Rock, die sich auch gegenseitig unterstützten, müssten mitgenommen und gepflegt werden. Aber die sollen ergänzt werden durch Bands von außerhalb wie Vanja Sky, die zum Nikolausrock kommen. „Wichtig ist, dass sich Bewährtes und Neues ergänzt“, ist Gillmanns Maxime.
Kultur in Hockenheim zwischen Realität und Fantasie
Er will das Angebot nicht nur ausschließlich von Zahlen abhängig machen, doch es müsse geprüft werden, was die Menschen nicht mehr bewegt und dann müsse man sich auch wertschätzend trennen. Bei der Programmgestaltung gelte es, unterschiedliche Interessen, etwa die von Vereinen und Hallenmietern, zu berücksichtigen. Manche Acts seien etwas aktueller, andere können sich mehr Zeit lassen. Jüngere, pfiffigere Künstler sollen ihre Chance erhalten, Mut zum Experiment ist ihm wichtig. Aufgrund der Daten von Michael Vollendorff und der fließenden wie akribischen Übergabe von Lucy Jung seien ihm alle programmatischen Infos zur Hand.
Einig sei sich das Team in der Überzeugung: „Einmal ist kein Mal“, Dinge müssten reifen. Für eine sichere Beurteilung seien drei Durchläufe nötig, um auszuschließen, dass weder der schnelle Erfolg des Augenblicks noch ein Fehler die Resonanz beeinflusst. Wenn man das über zehn Jahre macht, sammelt man Erfahrung – auch negative.
Zur Kultur gehöre immer beides: Realität und Fantasie. Fantasie helfe, die Realität zu ertragen, Realität sei wichtig, um die Fantasie als solche zu erkennen – „wie zwei Flügel, die uns helfen zu schweben und zu landen“, beschreibt er seine Vorstellung. Künstler eröffnen Portale in fremde Welten, die hohe Kunst sei es, Brücken in andere Gesellschaftsbereiche wie Wissenschaft, Philosophie, Literatur zu schlagen. Auch hier sieht er Potenzial, mal das eine oder andere zu wagen – „immer mit der nötigen Bodenhaftung“, betont Adrian Gillmann.
Klar sei: „Wir dürfen nicht zu groß denken, Überheblichkeit werden wir uns nicht leisten.“ Große Musicals werden auch künftig nicht in Hockenheim zu sehen sein. Doch der Kulturleiter will grundsätzlich kein Genre ausschließen.
Einen Vorgeschmack auf seine Ideen gibt es bei „Chill in den Mai“ mit dem Geschwisterpaar Mike und Kim Rauss aus Berlin, die am 30. April Falafel Pop im Pumpwerk spielen bei passender Bewirtung. Interessant klingt auch die Ankündigung des Kabaret Kalashnikov, das Wodka-Varieté mit Artistik mixt.
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