Hockenheim. Schweine, die ihre Eigentümer nicht mehr länger halten wollten, haben bisher bei Esther und Michael Konieczny einen Gnadenhof gefunden. In ihrem großen Garten im Altwingertweg haben die beiden Tierschützer außerdem jahrelang verletzte Vögel aufgenommen, aufgepäppelt und ausgewildert, sobald sie wieder gesund waren.
Neben Enten, Hühnern, Krähen und einer Gans hat die Familie sich auch einem Pflegehund, Igeln, Ziegen und Siebenschläfern angenommen, die besorgte Finder - darunter auch Polizisten und Feuerwehrleute - bei ihr ablieferten. Die nötige medizinische Unterstützung bekamen die Koniecznys von Jeanette Plehn-Mahler von der privaten Wildtierhilfe in Sandhausen. Mit ihrem ebenfalls privaten Angebot in Hockenheim wurden sie zu deren Außenstelle. Doch damit ist jetzt Schluss.
Hockenheimer Bauamt fordert detaillierte Unterlagen zur Tierhaltung
Was ist passiert? Im Mai habe das städtische Bauamt ihr einen Besuch abgestattet, sich alles angeschaut und nichts beanstandet, sagt Konieczny. Dennoch habe sie Mitte Juni ein Schreiben vom Fachbereich Bauen Wohnen bekommen. Darin fordert die Behörde sie zur Vorlage von Planunterlagen auf, aus denen hervorgeht, wo welche und wie viele Tiere gehalten werden sowie wo sich das Futter- und das Mistlager befinden. Zudem soll sie Gehege, Käfige und Stallungen maßstäblich darstellen - „obwohl wir keine Ställe haben“ - und eventuelle weitere Anlagen wie Aufzuchtstellen sowie Brut- und Nistplätze.
Darüber hinaus verlangt der Fachbereich eine formlose Betriebs- und Nutzungsbeschreibung, „in welchem Umfang, zu welchem Zweck und zu welchen Zeiten die Anlagen betrieben werden“ - und behält sich vor, gegebenenfalls weitere Informationen und Unterlagen nachzufordern. Bis Ende September soll Konieczny all das liefern.
Sollte sie die Frist verstreichen lassen, könnten die Unterlagen auch „kostenpflichtig angefordert werden“. Als Grund für diese Überprüfung nennt die Behörde eine Beschwerde, die beim Ordnungsamt eingegangen sei und deretwegen sie nun prüfen müsse, ob die Tierhaltung zulässig ist.
Kraftraubende Vorwürfe: Ehrenamtliche Wildtierhilfe in Hockenheim wird eingestellt
„Ich habe keine Kraft mehr, immer wieder nachzuweisen, dass wir die Tiere ordnungsgemäß halten. Ich kann und will mich nicht mehr gegen diese ganzen unfairen Vorwürfe wehren“, sagt Esther Koniecny. Im Laufe der Jahre hätten sie schon öfter Leute angezeigt, „und zwar immer zu Unrecht“, betont sie. Und sie habe jedes Mal alle nötigen Nachweise erbracht. Warum sie die stets aufs Neue erbringen muss, erschließe sich ihr nicht.
Zumal sie die Wildtierhilfe ehrenamtlich betreibe, alles selbst finanziere und die wiederholt geforderten Nachweise mit viel Aufwand verbunden seien. „Ich gehe normal arbeiten und soll das zusätzlich in meiner Freizeit leisten“, hebt die Hockenheimerin hervor. Nicht zuletzt investierten ihr Mann und sie auch einiges ist das ehrenamtliche Angebot: „Wir finanzieren alles selbst.“
Auch die behördlichen Auflagen seien erfüllt, zum Beispiel „bewahren wir das Futter in rattensicheren Behältern auf“, sagt Esther Koniecny. Außerdem verheimliche sie nichts. „Als wir vor zwölf Jahren das Haus kauften, haben wir den Gnadenhof und die Wildtierhilfe angekündigt. Damals hieß es, das sei kein Problem, solange wir keine Großtierhaltung betreiben“, erklärt sie.
Seit 2013 kümmere sich die Familie auch um Ziegen, 2017 kamen ihr zufolge die Schweine dazu. Das Veterinäramt komme regelmäßig vorbei und sei begeistert von den Bedingungen für die Tiere. Das Bauamt sei vor einigen Jahren zum ersten Mal und eben zuletzt im Mai 2024 da gewesen und habe nichts beanstandet.
Umso weniger Verständnis habe sie nun für dieses Schreiben. „Ich frage mich, wieso wildfremde Leute uns einfach anschwärzen und uns niemand beisteht. Wir werden immer als die Bösen hingestellt“, kritisiert die Tierfreundin. Nun habe sie genug davon: „Wir machen zu.“ Weitere hilfsbedürftige Tiere nehme sie sie nicht mehr auf. „Ich gebe jetzt aber nicht alle meine Tiere weg“, stellt sie klar. Die vorhandenen betreue sie weiter - „das ziehe ich jetzt noch durch.“
Veterinäramt bestätigt regelmäßige Kontrollen bei Wildtierhilfe in Hockenheim
Hat das Veterinäramt die Wildtierhilfe regelmäßig überprüft? Festgelegte Kontrollintervalle gebe es für solche Privattier- oder Hobbyhaltungen nicht, erklärt Silke Hartmann, Pressesprecherin des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis. Aber: „Der Tierhaltungsbetrieb ist uns bekannt. Die Kontrollen vor Ort werden durchgeführt.“ Dabei könne es sich um planmäßige Kontrollen handeln oder um Teilkontrollen mit besonderem Schwerpunkt, zum Beispiel ob Schweine gemäß der Schweinehaltungshygieneverordnung gehalten werden. Bei den Kontrollen im Altwingertweg habe die Behörde lediglich kleinere Mängel festgestellt, die umgehend behoben wurden.
Allerdings gebe es dort verschiedene Tierarten, und das Veterinäramt sei nur für die Bereiche Tierschutz sowie Tiergesundheit zuständig, betont Hartmann. Ersterer betreffe gewerbsmäßige Tierhaltungen, ansonsten werde nur anlassbezogen kontrolliert - etwa bei Anzeigen. Dabei werde das Einhalten der rechtlichen Vorschriften überprüft.
Zuständigkeiten für Natur- und Artenschutz
Als Beispiele nennt sie das Tierschutzgesetz, die Tierschutz-Hundeverordnung und die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Bei Tiergesundheit wiederum gehe es vor allem darum, das Einschleppen und Ausbreiten von Seuchen wie aktuell der Afrikanischen Schweinepest zu verhindern. Das bedeutet im Umkehrschluss: Beim Überprüfen der Wildtierhilfe wurden nicht alle Tierarten kontrolliert. „Denn für die Tiere, die dem Natur- und Artenschutz unterliegen, sind wir nicht zuständig“, sagt sie.
Für Wildvögel - beispielsweise Raben - sind nach Hartmanns Angaben in Deutschland sowohl das Bundesamt für Naturschutz als auch die Landesnaturschutzbehörden für Aspekte im Zusammenhang mit Krähen zuständig. „Wir haben keine Kenntnis darüber, ob seitens der Natur- und Artenschutzbehörde Kontrollen für derartige Wildtierhaltungen durchgeführt werden“, teilt sie mit.
Das Einholen des prinzipiellen Okays vor dem Erwerb des Anwesens im Altwingertweg, das Anmelden des ehrenamtlichen Angebots und die Kontrollen des Bauamts ohne Beanstandungen: „Dies können wir so nicht bestätigen, bei uns liegen keine Anmeldungen vor“, erklärt Christoph Henninger, persönlicher Referent des Oberbürgermeisters, auf Anfrage.
Lange keine Anzeige bei Stadt: Hockenheimer Stadtverwaltung erklärt Vorgehen bei Beschwerden
Weshalb der Fachbereich Bauen und Wohnen erst nach zwölf Jahren prüft, ob die Tierhaltung zulässig ist? Bei Hinweisen und Beschwerden müsse er der Sache nachgehen und - sofern er zuständig sei - Maßnahmen treffen, dass ordnungsgemäße Zustände geschaffen werden. Vor der Beschwerde, die Anlass des Schreibens war, sei nichts angezeigt worden. Deshalb könne die Verwaltung auch nicht bestätigen, dass es nur das vorerst letzte in einer langen Liste sei.
Zu Koniecnys Kritik, dass sie stets aufs Neue die Nachweise erbringen müsse, merkt Henninger an, dass die Kontrollen routinemäßig erfolgten. Bei konkreten Beschwerden sei die Baurechtsbehörde zudem zu Überprüfungen verpflichtet, „insbesondere, um der allgemeinen Gefahrenabwehr pflichtgemäß nachzukommen“.
Im vorliegenden Fall sei die Hockenheimerin darauf hingewiesen worden, dass sie für eine ausreichende bauordnungsrechtliche Prüfung die hierfür erforderlichen Unterlagen vorlegen müsse. „Das ist ein ganz normaler Vorgang und erfolgt nach der gesetzlichen Vorgabe“, hebt er hervor. Damit solle festgestellt werden, ob bauliche Anlagen und/oder Nutzungen zulässig sind.
Wohin kann sich nun künftig wenden, wer in Hockenheim und Umgebung ein hilfsbedürftiges Wildtier findet? „Für Wildtiere sind der Jäger und der Förster zuständig, darüber hinaus kann man sich direkt beim Nabu Hockenheim melden“, antwortet Henninger.
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