Gemeinderat

So begründen die Hockenheimer Fraktionen ihr Votum zur Kita-Trägerschaft

Die Entscheidung ist gefallen: Die Stadt Hockenheim muss die Trägerschaft für drei Kindergärten übernehmen. Hier gibt es die Stellungnahmen der Fraktionen zu diesem Votum.

Von 
Matthias Mühleisen
Lesedauer: 
Voller Saal, komplett besetzter Ratstisch: Blick über die Schulter von Oberbürgermeister Marcus Zeitler (Mitte, l.) und Bürgermeister Thomas Jakob-Lichtenberg auf die vollständig anwesenden Stadträte und die Zuschauerreihen, die auch auf der Empore der Stadthalle ausgelastet sind bei der Sitzung des Gremiums. © Gans

Hockenheim. So schnell hatte selten ein Gemeinderatsbeschluss Konsequenzen: Um 20.50 Uhr am Mittwochabend entschied das Gremium, dass die Stadt die Trägerschaft für Südstadt-, Fröbel- und Parkkindergarten zurück erhält, am Donnerstagmorgen gingen die Schreiben an die Eltern, dass „mit kurzfristigen Einschränkungen (Reduzierung oder Schließung der Einrichtung/Gruppen) des Betriebs zu rechnen“ sei. Es waren die Konsequenzen, die Oberbürgermeister Marcus Zeitler in seinem Statement vor der Abstimmung angedeutet hatte. Die Fraktionen erläuterten ausführlich, warum sie zu ihrem Votum gekommen waren, das den Ausschussbeschluss vom Juli umkehrte.

Elena Heidenreich übergibt dem Oberbürgermeister die Petition mit 550 Unterschriften. © Wolfgang Gans

Ein Weiter-so im Betreuungsbereich werde es nicht geben, begründete CDU-Sprecher Markus Fuchs, warum seine Fraktion nach wie vor in einem Betriebsübergang die bessere, weil zukunftsträchtigere Lösung sehe. „Es drohen Verwerfungen im System, es drohen Reduzierungen im Betreuungsangebot bis hin zu Schließungen von Einrichtungen“, befürchtete Fuchs. Durch das verpflichtende Ganztagesangebot an Grundschulen ab 2025 könne sich die Lage noch einmal dramatisch verschlechtern, weil es nicht genügend qualifiziertes Personal gebe.

CDU ist überzeugt, dass der Postillion die bessere Option für Hockenheimer Kitas ist

Der Postillion biete Dienste und Leistungen an, die die Kommune nur sehr schwer werde stemmen können. Er könne sich aufgrund seiner Größe sehr viel breiter und sehr viel spezialisierter aufstellen, Erzieherinnen sehr viel mehr Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten bieten, fortlaufend neues Personal einstellen, ohne verwaltungstechnische Prozesse einzuhalten. Schließlich sei noch keine Kita so geräuschlos und schnell in Hockenheim gebaut worden wie die in der Einstein-Straße mit Postillion.

Gemeinderat

Aufreibende Gemeinderatssitzung in der Hockenheimer Stadthalle

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
9
Mehr erfahren

Die Gespräche, die die CDU mit rund 20 Erzieherinnen führte, waren laut Fuchs „hart, kontrovers und selbstverständlich sehr emotional“, aber auch fair, weil die Erzieherinnen zwar Dinge kritisiert, die aus ihrer Sicht in der Zusammenarbeit mit Postillion nicht gut liefen, aber die fachliche Qualität des Postillions an sich nicht infrage gestellt hätten. Stimmen für einen Betriebsübergang seien mit besseren Weiterbildungsmöglichkeiten und besserer Digitalisierung begründet worden.

Für die Freien Wähler Hockenheim ist ein Ansprechpartner vor Ort unabdingbar

Gabi Horn begründete die mehrheitliche Entscheidung der Freien Wähler gegen eine Übergabe der Trägerschaft an Postillion mit dem Ergebnis sehr vieler Gespräche mit Eltern sowie Erzieherinnen und Erziehern, die dies nicht gewünscht hatten. Das sei zum einen mit häufig wechselndem Personal begründet worden, zum anderen mit dem unbedingten Wunsch, vor Ort einen Ansprechpartner zu haben: „Die Stadt Hockenheim soll in der Verantwortung für ihre Kindertageseinrichtungen bleiben.“

Es sei nicht zu verstehen, warum ein freier Träger die zahlreichen Herausforderungen durch Flüchtlingswelle, Migration und Ukraine-Krieg besser meistern sollte als die Verwaltung. „Schauen wir auf die umliegenden Gemeinden, scheint es nicht unmöglich zu sein, die damit einhergehenden Aufgaben zu bewältigen“, merkte Horn an. Unter Umständen müsse die Verwaltung anders strukturiert und es müssten weitere Verwaltungsmitarbeiter eingestellt werden, räumte Horn ein und verwies auf Schulungsangebote des Kreises.

Mehr zum Thema

Stadthalle

Gemeinderat Hockenheim: Mehrheit stimmt gegen Kita-Übergang an Postillion

Veröffentlicht
Von
Henrik Feth und Matthias Mühleisen
Mehr erfahren
Betreuung

Stadt Hockenheim: Kita-Betriebsübergang ist beste Option

Veröffentlicht
Von
Stadtverwaltung Hockenheim
Mehr erfahren
Betreuung

Hockenheimer Eltern kämpfen mit Petition um Erhalt städtischer Trägerschaft

Veröffentlicht
Von
Corinna Perner
Mehr erfahren

Nicht nachvollziehbar sei die Aussage des OB, dass das Vormerksystem und die zentrale Vergabe ohne Postillion nicht mehr aufrechterhalten werden könnten. Das habe der Gemeinderat schon seit längerer Zeit gefordert „und wir waren davon ausgegangen, dass dies schon eingeführt wurde und auch weiterhin läuft“, sagte Gabi Horn, die hervorhob, dass die Freien Wähler Postillion in seiner Funktion als freien Träger sehr schätzten.

Kita-Streit in Hockenheim: Erwartungen der Grünen an die Kooperation mit dem Postillion nicht erfüllt

Die Erwartungen, die 2021 an die Kooperation mit dem Postillion geknüpft worden seien, hätten sich nicht in dem erwarteten Maß erfüllt, erklärte Grünen-Fraktionsvorsitzender Adolf Härdle. Er nannte das finanzielle Einsparungspotenzial ebenso wie die Personalgestellung, die nicht immer funktioniert habe, es sei öfter zur Änderung der Bezugspersonen gekommen.

Die Petition sei von 663 Menschen unterschrieben worden, davon 536 aus Hockenheim, die Eltern hätten versucht, sich sehr fundiert zu informieren. Das sieht Härdle als Zeichen einer lebendigen Demokratie. Die Grünen fühlten sich dadurch in ihrer Grundhaltung bestärkt, die sie schon beim Abschluss des Kooperationsvertrags hatten. Härdle erwartete von Oberbürgermeister Marcus Zeitler, dass er für den Fall einer Ablehnung des Trägerübergangs einen Plan B habe und nicht nur Drohkulissen aufbaue, sonst habe er es zu verantworten, wenn es Probleme gebe.

Anmeldung Newsletter "Topthemen am Abend"

Der Fachbereich SKS müsse ausgebaut werden, um künftige Aufgaben zu erfüllen. „Durchaus Defizite“ sah Härdle in der wertschätzenden Kommunikation. Er sei jedoch optimistisch, dass ein Wir-Gefühl entwickelt werde und die Identifikation der Eltern mit der Stadt verbessert werde, wenn die Stadt nicht alles Anstrengende outsource, sondern sich der Herausforderung stelle.

Die SPD sie die städtische Trägerschaft von drei Kitas in Hockenheim als Teil der Fürsorgepflicht

Für die SPD-Fraktion erstrecke sich Fürsorgepflicht und Verantwortungsübernahme der Stadtverwaltung auch auf Trägervielfalt und Auswahlmöglichkeit unter kommunalen, kirchlichen und freien Trägern im Kitabereich, sagte Marlene Diehm. Nach wie vor fordere die SPD einen kontinuierlichen Ausbau des Fachbereichs Soziales, Bildung, Kultur und Sport, „was unserer Meinung nach die erforderliche Wertschätzung gegenüber unseren Kindern und deren Eltern darstellen würde“.

Mehr zum Thema

Hockenheim

Sachlichkeit beibehalten

Veröffentlicht
Von
Matthias Mühleisen
Mehr erfahren
Kommunale Trägerschaft

Stadt Hockenheim: Betreuungzeiten ab Mittwoch eingeschränkt

Veröffentlicht
Von
Stadtverwaltung Hockenheim
Mehr erfahren
Tag der Demokratie

Hockenheimer Grüne mit Verständnis für Kita-Eltern

Veröffentlicht
Von
Grünen Hockenheim
Mehr erfahren

Unter Verweis auf Stellenzuwachs in anderen Fachbereichen regte sie an, beim SKS Anreize zu schaffen, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu behalten. Stattdessen begebe sich die Stadt „in eine Abhängigkeit von Postillion, aus der wir nur schwer wieder herauskommen“. Fraglich sei für die Sozialdemokraten, wie die von der Verwaltung angestrebten Verbesserungen und Unterstützungshilfen durch Postillion tatsächlich umgesetzt werden konnten und ob sie überhaupt hilfreich gewesen seien.

FDP sieht einen deutlich zu späten Informationsfluss im Fall der Kitas in Hockenheim

„Wir haben hier eine verfahrene Situation, die die Entscheidung schwierig macht“, stellte Köcher-Hohn für die FDP fest. Es sei nicht verwerflich, wenn die Stadt die Betreuung an einen freien Träger vergebe. Die Kosten änderten sich nicht, die Stadt ziehe sich nicht aus der Verantwortung, die Koordination bleibe weiter bei ihr. Die Trägervielfalt sei in Hockenheim gegeben.

Köcher-Hohn kritisierte, dass die Stadt über die im Juni 2021 erfolgte Gesetzesänderung erst im März 2023 informierte. So habe man Zeit verloren, sich verschiedene freie Träger anzuschauen. Einerseits wolle sie die Betriebsübergabe, andererseits kritisiert sie das Verfahren. Schon 2021 habe die FDP moniert, dass die Stadt nur mit dem Postillion verhandelt habe. Daher könne sie sich für keine der beiden Optionen entscheiden und enthalte sich.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

Copyright © 2025 Hockenheimer Tageszeitung