Hockenheim. Der Opel Corsa, der am 20. Dezember vergangenen Jahres in die Tank- und Rastanlage Hockenheim-West einfuhr, kam den Fahndern der Autobahnpolizei verdächtig vor. Die Beamten hatten den richtigen Riecher: Die Kennzeichen passten nicht zum Wagen, das heruntergekommene Auto war mit einem Schraubenzieher gestartet worden und hinter dem Handschuhfach versteckt fanden die Polizisten 390 Gramm Kokain mit einem hohen Wirkstoffgehalt. Ein 32-jähriger Tunesier ist vom Schöffengericht des Amtsgerichts Schwetzingen zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt worden.
Die Staatsanwaltschaft warf dem in Belgien lebenden Mann, der aus der Untersuchungshaft vorgeführt wurde, die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben vor. Er räumte die Tat ein. Er sei als Kurierfahrer unterwegs gewesen, um dadurch Schulden abzuarbeiten. Es sei ihm ein Lohn von 1000 Euro versprochen worden. Über Dealer und Abnehmer wolle er aber keine Angaben machen.
Urteil in Schwetzingen: Angeklagter in Tränen
Der Angeklagte weinte fast die ganze Zeit über. Ein Dolmetscher übersetzte die Angaben. Seine belgische Ehefrau, mit der er zwei kleine Kinder hat, war bei dem Prozess anwesend. Der 32-Jährige war 2011 aus Tunesien nach Italien gekommen und von dort weiter nach Belgien gereist. Dort hatte er verschiedene Jobs, 2018 machte er sich mit einem Lieferservice selbstständig.
Seit 2015 sei sein Mandant drogenabhängig, teilte Verteidiger Alexander Klein mit. Dass er in Belgien keine Aufenthaltserlaubnis erlangen konnte, habe ihn „arg mitgenommen“. Ein Freund habe ihm Kokain angeboten, im Laufe der Jahre sei der Konsum immer mehr gestiegen. Er habe auch Amphetamin und zeitweise Haschisch konsumiert. Nun wolle er keine Drogen mehr anrühren, versicherte der Angeklagte, und sich wegen seiner Abhängigkeit behandeln lassen.
Urteil in Schwetzingen: Staatsanwalt sieht die Tat als erwiesen
Zehn der zwölf Zeugen, die meisten davon Polizeibeamte, konnten entlassen werden. Ein 28-jähriger Autobahnpolizist berichtete von der Festnahme. Der Beschuldigte habe sich zunächst kooperativ gegeben. Als die Tüten mit dem weißen Pulver im Handschuhfach entdeckt worden seien, „rannte er plötzlich los in den Wald und von dort auf ein Feld“. Auch der Einsatz von Pfefferspray habe ihn nicht stoppen können. Eine Beamtin hatte einen Warnschuss abgegeben. Erst durch die Unterstützung eines Autofahrers und den Einsatz von einem halben Dutzend Streifenwagen hätten die Beamten des 32-Jährigen habhaft werden können. Bei seiner Festnahme habe dieser heftig geweint, sagte der Zeuge.
Auf belgischen Straßen und Autobahnen erfassen Überwachungskameras die Nummernschilder von Autos. Ein 42-jähriger Kriminalbeamter bestätigte die Kennzeichenkontrolle im Nachbarland. Bei dem 32-Jährigen seien Fahrbewegungen tags zuvor in Brüssel und später an der Grenze zu Deutschland festgestellt und ausgewertet worden.
Staatsanwalt Manuel Knobloch sah die Tat als erwiesen. Die geständige Einlassung spreche zugunsten des Angeklagten, der hohe Wirkstoffgehalt der gefährlichen Droge Kokain belaste ihn dagegen schwer. Es gebe keinen minderschweren Fall. Die geringe Menge sei um das 55-fache überschritten worden, das Kokain hätte mehr als 9300 Konsumeinheiten ergeben, forderte der Staatsanwalt drei Jahre und sechs Monate Haft.
Urteil in Schwetzingen: Menge verschärft Strafmaß
Verteidiger Alexander Klein sah die Anklage „mitnichten bestätigt“. Sein Mandant sei weit weg von seiner Familie und bekomme in der Haft keine Behandlung: „Allgemein präventive Gründe können nicht Grundlage der Strafe sein.“ Die Sucht habe ihn zu dem Kurierdienst getrieben. Die versuchte Flucht sei nicht strafbar: „Das ist sein gutes Recht.“ Therapie statt Strafe sei der einzig sinnvolle Weg. Das Gericht könnte eine Überstellung nach Belgien beantragen, dort könnte sein Mandant ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, forderte der Rechtsanwalt die Mindeststrafe von zwei Jahren zur Bewährung: „Das wäre die pragmatisch sinnvollste Lösung.“
Das Schöffengericht urteilte auf drei Jahre und drei Monate Gefängnis. Der Antrag der Staatsanwaltschaft sei „durchaus nicht vermessen gewesen“, führte die Vorsitzende Richterin Sarah Neuschl aus. Die Beweislast sei erdrückend gewesen. Die vielfache Überschreitung der geringen Menge und das professionelle Versteck für das Kokain gingen zu seinen Lasten. Der drogenabhängige Angeklagte sei nur anfangs kooperativ gewesen, im Nachtatverhalten nicht mehr. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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