Ketsch. Starkregen und Unwetter führen schnell zu überschwemmten Kellern und hohen Schäden in Gebäuden: Wenn die Kanalisation die spontanen Wassermassen nicht mehr aufnehmen kann, suchen sich diese den einfachsten Weg über die niedrigsten Zuflüsse – und das sind in dicht bebauten Gebieten meistens die Hausanschlüsse, durch die normalerweise das Abwasser abgeleitet wird. Dann verwandeln sich Toiletten und Abläufe schnell in Fontänen, die nicht nur Wasser, sondern auch Fäkalien in Wohnräume spülen – ein Horrorszenario für die Hausbewohner.
Um solche Unglücke zu verhindern, werden heutzutage bei neuen Wohngebieten entsprechend große Abwasserkanäle eingeplant. Sie sollen quasi als unterirdische Rückhaltebecken dienen und das Wasser kontrolliert ableiten. Doch in alten Wohngebieten sind die Kanäle in aller Regel deutlich geringer dimensioniert – so auch in weiten Teilen der Ketscher Ortsmitte. In der Enderlestraße reagiert die Gemeinde nun mit dem Ausbau des dortigen Kanals, wie der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung in einem Grundsatzbeschluss einstimmig entschieden hat.
„Wir haben unser Ketscher Kanalnetz durch ein externes Ingenieurbüro hydraulisch überprüfen lassen, um den tatsächlichen Zustand zu erfahren. Dabei wurde festgestellt, dass einiges im Argen liegt – also müssen wir handeln, wobei wir damit Jahre oder Jahrzehnte beschäftigt sein werden“, erklärte Bauamtsleiter Marc Schneider bei der öffentlichen Zusammenkunft des Gremiums.
Als einen der dringlichsten Bereiche stufte das Ingenieurbüro Schulz aus Hirschberg die Enderlestraße im Bereich zwischen Schwetzinger Straße und Bahnhofstraße ein. Dort soll auf rund 155 Meter Länge der bestehende Kanal durch einen deutlich größeren ausgetauscht werden. „Diese Maßnahme wird nicht nur den unmittelbaren Anwohnern zugutekommen, sondern auch den angrenzenden Straßen. Denn durch die Erweiterung wird die gesamte Kanalisation in diesem Bereich leistungsfähiger“, betonte Bürgermeister Timo Wangler.
Ketscher Großbaustelle: Grundlegende Veränderung
Weil durch die Arbeiten für den Großraumkanal die gesamte Straße aufgegraben werden muss, kombiniert die Gemeinde damit weitere Erneuerungen und Umgestaltungen. So werden auch die Wasser- und Versorgungsleitungen ausgetauscht sowie der gesamte Straßenkörper einschließlich der Gehwege grundlegend verändert.
Künftig soll dort kein erhöhter Bordstein mehr vorhanden sein, sondern eine ebenerdige Fläche, die den Bereich als Wohnstraße betont. Die Stellplätze für die Autos erhalten ein versickerungsfähiges Pflaster und werden so angeordnet, dass eine geschwungene Verkehrsführung entsteht. Dadurch soll die Geschwindigkeit reduziert werden – allerdings entfallen dadurch auch merklich Parkplätze im Vergleich zur jetzigen Situation.
Grünflächen mit verschiedenen Pflanzen und Bäumen sollen der Enderlestraße im neu gestalteten Abschnitt ein freundlicheres und natürlicheres Aussehen geben. „Das werden richtige Baumquartiere mit viel Substrat und einer speziellen Regenwasserbewirtschaftung. Wir leiten also den Niederschlag der Straße in die Grünbereiche, wo er versickern und dabei sogar ein wenig gefiltert werden kann. Das sind alles Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel“, erklärte Bürgermeister Wangler. Aufgrund der Lage der künftigen Versorgungsleitungen können die Bäume allerdings nur auf der Westseite der Straße gepflanzt werden, so die Planungen des Ingenieurbüros. An der Ostseite sind hingegen Stauden und Hecken angedacht.
Die geschätzten Gesamtkosten belaufen sich laut Verwaltung auf etwa 1,418 Millionen Euro. Davon entfallen rund 304 000 Euro auf den Straßenbau und müssen somit von der Gemeinde getragen werden. Mit rund 622 000 Euro schlagen die Kosten für den Kanal zu Buche, während für den Wasserbereich 162 000 Euro veranschlagt sind. Diese beiden Posten werden über die Wasser- und Abwassergebühren direkt auf die Bevölkerung umgelegt.
Start der Arbeiten könnte noch im ersten Halbjahr 2024 sein, schätzt das Bauamt. Zunächst müssten allerdings die Ausschreibungen durchgeführt und die einzelnen Arbeiten vergeben werden.
Bei den Gemeinderäten, die über das Thema bereits im September in nicht öffentlicher Sitzung ausführlich informiert worden waren, stießen diese Pläne auf breite Zustimmung. Rainer Fuchs erklärte für die CDU, dass die Umgestaltung der Straße „in einem Guss“ sinnvoll sei. „Wir haben uns zwar anfangs gefragt, ob wirklich so viel gemacht werden muss, aber das verantwortliche Ingenieurbüro hat uns überzeugt, dass wir nicht drumherum kommen und bei den Arbeiten für den Kanal kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Da ist die komplette Neugestaltung der Straße die beste Lösung“, so Fuchs.
Auch Tarek Badr (SPD) betonte, dass es besser sei, alle Arbeiten in einem Rutsch zu erledigen, bevor die Straße mehrfach aufgerissen werden müsse. „Außerdem werten wir den Bereich deutlich auf“, sagte Badr.
Robert Brusnik von den Grünen erläuterte, dass ein Großteil der Ketscher Kanäle für heutige Bedürfnisse zu klein dimensioniert sei. Die Arbeiten seien daher notwendig. „Es ist allerdings sehr schade, dass der Gemeinderat nicht bereits 2019 auf uns gehört hat, als wir gefordert hatten, die damalige Neugestaltung des Bereichs Enderle- und Gutenbergstraße ebenfalls für eine Vergrößerung des dortigen Kanals zu nutzen. Dann hätten wir heute im Ortskern bereits eine gewisse Entlastung des Systems“, sagte Brusnik.
Ketscher Großbaustelle: Kritik am harten Übergang
Heino Völker sah in der Aussprache bereits alles gesagt und signalisierte für die Freien Wähler Zustimmung zu dem Grundsatzbeschluss.
Auch Chris Brocke (FDP) stimmte zu, störte sich allerdings am künftigen Übergang im Bereich der Bäckerei Flörchinger. „Bis dorthin ist die Enderlestraße bereits im Zuge der Neugestaltung der Schwetzinger Straße erneuert worden und deshalb nicht von den jetzigen Umbauten betroffen. Weil dort aber noch klassische Gehwege angelegt worden sind, wird es mitten in der Straße einen harten Übergang geben“, sagte Brocke.
Am Ende stimmte der Gemeinderat dennoch einstimmig für den Grundsatzbeschluss.
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