Neulußheim. Nachdem das Geheimnis gelüftet war, dass die neue Kultur- und Sporthalle auf den Namen von Rolf Heidemann getauft worden war, bekannte Bürgermeister Gunther Hoffmann, stolz zu sein. Stolz auf seinen Gemeinderat, der über mehrere Jahre hinweg „dicht gehalten habe“. Kein Wörtchen war über die längst feststehende Namensgebung nach außen gedrungen. Und Rolf Heidemann? Von ihm, der mit seiner Millionen-Spende maßgeblich zum Bau der Halle beigetragen hat, gleichfalls kein Sterbenswörtchen. Im Gegenteil! Er äußerte in seiner kurzen Ansprache nichts als Dankbarkeit. Dafür, dass er mit zu einer Halle beitragen durfte, die „den Rahmen für das gesellschaftliche und kulturelle Miteinander“ schafft, eine „zentrale Stätte in Neulußheim werden kann“. Und, dass es ihm überhaupt möglich war, eine solche Spende zu leisten und letztlich, so der 85-Jährige, „bin ich dankbar für ein erfülltes Leben“.
Keine Spur von Stolz oder Protz, nur Dankbarkeit. Was eigentlich schon alles über den Menschen Rolf Heidemann aussagt. Natürlich schwingt in seinen Worten auch ein Stück Zufriedenheit mit. „Von ganz unten nach ganz oben“, wie er sein Leben im Gespräch mit unserer Zeitung auf den Punkt bringt. Doch auch hier sofort das Moment der Dankbarkeit, denn in einer anderen Gesellschaft als der unsrigen mit ihrer funktionierenden Demokratie wäre sein Leben wohl nicht gelungen, ist er, der sich selbst als überzeugten Demokraten bezeichnet, sicher. Sein Vater war im Krieg gefallen, seine Mutter zog ihn und seinen Bruder mit einer kleinen Witwenrente und der tatkräftigen Unterstützung seiner Großtante – „dafür bin ich ihr ewig dankbar“ – groß. Es war ein Haushalt, in dem man mit dem Pfennig habe rechnen müssen, erinnert er sich: „Doch damals waren wir alle arm.“ Mit dem Aufbau der Demokratie, mit dem beginnenden Wirtschaftswachstum, für das es über sieben Jahrzehnte nur eine Richtung gab, kam der Wohlstand.
Zwei Dinge hat Heidemann aus dieser Zeit mitgenommen: „Eine andere Gesellschaftsform als die der Demokratie ist für das Individuum nicht vorstellbar und man sollte seine Ansprüche immer unterhalb der eigenen Einkommensgrenze halten, dann ist man auf der sicheren Seite.“ Doch auch dann solle man sich immer vor Augen halten, dass nichts für die Ewigkeit sei: „Was heute gut ist, kann morgen schon ins Gegenteil umschlagen.“
Und noch etwas prägte ihn fürs spätere Leben: sein Interesse für gesellschaftspolitische Themen. Er wollte teilhaben an der politischen Entwicklung, das soziale Umfeld der Menschen mit verbessern. Schon früh verschlang er die Tageszeitung – einen Tag später vom Nachbar erhalten, denn Geld war knapp – nahm er Teil an der Entwicklung und gründete mit seinem Freund Kurt Hoffmann das Jugendforum Lußheim.
Heidemann engagiert sich in der Kommunalpolitik
Ausgehend von seinem Engagement bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, in der Reihe „Bürger im Staat“, wurden damals Wochenendseminare angeboten, die dem politischen Diskurs dienten, sie holten die politische Debatte in den Ort. Treffpunkt war das Gasthaus „Zum Bären“ in Neulußheim oder „Zum Hirsch“ in Altlußheim – debattiert wurde über Gott und die Welt. Ob mit dem Pfarrer oder dem Landrat, stets standen interessante Gesprächsthemen an, erinnert sich Heidemann. „Und hinterher wurde Schach gespielt.“
Dieses Engagement mündet in zweierlei: Der junge Industriekaufmann, er hatte bei der „Schnellpresse“ gelernt, der heutigen Heidelberg Druck, wurde 1962 mit gerade mal 25 Jahren als Stimmensieger auf Anhieb in den Gemeinderat gewählt, drei Jahre später obendrein in den Kreistag Mannheim-Land, dem Vorläufer des Rhein-Neckar-Kreises. Doch zuvor, Anfang der 1960er Jahre war er der erste Kriegsdienstverweigerer in der Region – die Erinnerung an seinen gefallenen Vater ließ ihm keinen anderen Weg. Seinen Zivildienst absolvierte er im hohen Norden, in der Lüneburger Heide als Hilfskraft in der Gärtnerei der Awo-Betreuungsstätte Immenhof. Die Arbeiterwohlfahrt hatte er wohl deshalb gewählt, weil er seinem sozialen Engagement folgend zu den Gründern des Ortsverbandes zählte.
Der Zivildienst war auch aus einem anderen Grund entscheidend: Er lernte seine Frau Liselotte kennen und lieben, nahm sie mit in die Kurpfalz. 1963 wurde geheiratet, 1970 kam Sohn Frank auf die Welt – die Familie war glücklich. Ein Glück, das bis 2015 andauern sollte, dem Jahr, in dem seine Frau verstarb.
Rolf Heidemann scheitert in den 1960er Jahren bei der Bürgermeisterwahl in Neulußheim
Doch der erste große Einschnitt in seinem Leben kam 1966 – Bürgermeister Friedrich Stadler stand zur Wiederwahl an. Von vielen Seiten wurde Heidemann gedrängt, seinen Hut in den Ring zu werfen – eine Aufforderung, der er gerne nachkam: „Ich wollte Bürgermeister werden.“ Ratsschreiber Ewald Butz trat in letzter Sekunde ebenfalls zur Wahl an. Im ersten Wahlgang waren Butz und Heidemann gleichauf, im zweiten hatte Butz einen Vorsprung von 60 Stimmen und so brach für Heidemann eine Welt zusammen.
Doch er resignierte nicht, zog einen Schlussstrich und orientierte sich neu. Ein Glücksfall, wie sich später zeigte. Er ging mit seiner Familie als kaufmännischer Leiter einer Tochterfirma des Holzer-Konzerns ins Allgäu, an den Bodensee. Es folgten tolle Jahre in Oberschwaben, erinnert sich Heidemann, in denen er sich ohne Kommunalpolitik ganz und gar der Familie und dem Beruf widmete. Über weitere Stufen ging es die Erfolgsleiter hinauf, 1975 war er wieder in der Kurpfalz, gründete in Mannheim die Firma Hema, die sich auf die Verarbeitung von Kunststoff-Halbzeugnissen spezialisierte.
Eine Erfolgsgeschichte, die jedoch nicht mit einem Achtstundentag einherging. Ständiger Stress und eine ungesunde Lebensweise führten dazu, dass ihm Ende der 1980er Jahre sein Hausarzt keine gute Prognose gab, würde er sein Leben nicht auf den Kopf stellen. Und erneut orientierte sich Heidemann radikal um, verkaufte 1990 sein Unternehmen – „die soziale Frage war damit für mich geklärt“.
Heidemann wollte seiner Heimat Neulußheim etwas zurückgeben
Mit seiner Frau bereiste er die neuen Bundesländer im Osten der Republik und erwarb dort einige Objekte. Auf eine aufwendig sanierte Villa in Dresden am Elbufer ist er besonders stolz – „ein Prestigeobjekt“. Mit vielen der Mieter ist er freundschaftlich verbunden, die meisten wohnen seit Jahren in dem Haus – ein Immobilienhai ist er auf keinen Fall, wovon auch die Frauen von „Women‘s Voice“ ein Lied singen können, denen er bei einem Besuch in Langenbrück Dresden vorstellte.
„Ich bin zufrieden, wie alles gelaufen ist“, blickt Rolf Heidemann auf sein Leben zurück. Doch egal wohin es ihn verschlug, die Heimat hat er nie aus den Augen verloren. Seit er in den 1970er Jahren in die Kurpfalz zurückkehrte, lebt er wieder in Neulußheim und ist meist im Hintergrund engagiert. Sei es bei der Awo, sei es beim AGV oder beim Schulapfelprogramm, das er maßgeblich unterstützt.
Aus dem Gefühl der Dankbarkeit heraus, aus dem Blick auf ein gelungenes Leben, in dem sich vieles fügte, wuchs in Heidemann der Wunsch, etwas zurückzugeben. Ursprünglich, erinnert er sich, wollte er der Gemeinde eine Million Euro hinterlassen: „Als ich dies Bürgermeister Gunther Hoffmann erzählte, war er fassungslos“, schmunzelt der Spender. Doch damit das Geld nicht ewig auf eine Verwendung warten müsse und auf Drängen seines Sohnes, revidierte er den Beschluss: „Dann hast du noch etwas davon“, sagte sein Sohn. Er entschloss sich, das Geld der Gemeinde sofort zur freien Verfügung zu überlassen. Das war die Geburtsstunde der Rolf-Heidemann-Halle.
Und so freut sich der Spender an dem schmucken Neubau, der seinen Namen trägt. Nicht wegen des Namens, „sondern weil ich es konnte“. Weil es ihm das Schicksal ermöglicht hat, etwas von dem, was er in seinem Leben erhalten hat, zurückzugeben. Noch dazu für einen Ort, an dem sich Menschen begegnen. Wie es auch für ihn, der demnächst seinen 86. Geburtstag feiert, wichtig ist, täglich unter Menschen zu sein, den Pulsschlag des Lebens zu fühlen und die Zeit zu genießen, statt sie durch die Finger rinnen zu lassen.
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