Neulußheim. Wer am Donnerstag seinen Weg ins Rathaus über die Hockenheimer Straße nahm, der konnte es sehen: Nagelneu künden die Verkehrsschilder in der Straße von der angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Stundenkilometer. Womit drei der Neulußheimer Hauptverkehrsachsen – die Altlußheimer-, die St. Leoner- und die Hockenheimer Straße eine Geschwindigkeitsbegrenzung haben. Wie es mit der vierten Achse, der Waghäuseler Straße, weitergehen soll, darüber entschied der Rat an diesem Abend im Bürgerhaus.
Bürgermeister Gunther Hoffmann eröffnete den Tagesordnungspunkt mit einem Blick in die jüngere Geschichte. Basierend auf einer Verkehrszählung im Jahr 2015 war für die Gemeinde ein Lärmaktionsplan erstellt worden. Dessen Werte zeigte eine hohe Belastung für die Anwohner an den Hauptverkehrsachsen, die Anordnung von Tempo 30 war machbar. Doch eine Mehrheit im Rat stimmte dagegen, wollte nur die enger bebaute Ost-West-Achse, St. Leoner- und Altlußheimer Straße, mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung versehen, da hier die Schallwellen stärker reflektiert werden.
Unterschriften gesammelt
Gegen diesen Beschluss regte sich Widerstand im Ort, eine Bürgerinitiative formierte sich und sammelte Unterschriften, den Beschluss zu revidieren. Mit Erfolg, Bürgermeister Hoffmann setzte den Punkt erneut auf die Tagesordnung und der Rat beschloss, „dass auch auf den Hauptverkehrsstraßen Waghäuseler und Hockenheimer Straße die Höchstgeschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer festgesetzt wird. Die Verwaltung wird beauftragt dies, auf Grundlage der vorliegenden Lärmaktionsplanung, bei den zuständigen Behörden zu beantragen“.
Was mittlerweile geschehen ist, allerdings mit einem anderen Ergebnis als erhofft, wie Hoffmann schilderte: Die Werte des Lärmaktionsplans begründen Tempo 30 in drei der Achsenstraßen, die Waghäuseler Straße wäre nur im Zusammenhang genehmigt worden, um eine Verlagerung des Verkehrs zu unterbinden. Mit anderen Worten: Im Paket wäre es möglich gewesen, für sich allein bleibt die Straße außen vor.
Was man so nicht verstehen müsse, zuckte Hoffmann die Schultern, der dennoch am eingeschlagenen Weg festhalten will. Nun soll die Waghäuseler Straße erneut begutachtet werden, wenn es sein muss Haus für Haus, um den erforderlichen Nachweis der Lärmbelastung zu erbringen. Allerdings, betonte Hoffmann, die Aktion kann bis zu 10 000 Euro kosten. Und eine Hoffnung hat er noch im Hinterkopf: Momentan ist die Legislative aktiv, die entsprechenden Gesetze zu ändern, um den Weg für Kommunen zu Tempo 30 einfacher zu machen. Doch das wann und wie ist noch offen.
Monika Schroth (Grüne) sprach sich vehement für Tempo 30 auch in der Waghäuseler Straße aus und bemühte in ihrer Begründung kaum den Lärm: Ihr geht es in erster Linie um die Verkehrssicherheit. Die meisten Verkehrsunfälle im Stadtverkehr mit schweren Folgen seien diese von Fußgängern und motorisierten Fahrzeugen. Und je höher die Geschwindigkeit, desto größer die Folgen.
Schroth machte dies mit einem Beispiel deutlich: Eine Aufprall mit 30 Stundenkilometern entspricht einer Fallhöhe von 3,5 Metern, Bei Tempo 50 wäre es schon 9,8 Meter und Tempo 70 entspräche einem Sturz aus 19,3 Metern Höhe. Womit sie unterstreichen wollte, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, mit welcher Geschwindigkeit Straßen durchfahren werden. Und diese in der Waghäuseler Straße besonders für die Schulkinder, die sie queren müssen.
Sicherheit geht vor
Angesichts der jetzigen Lage bedauerte Schroth, nicht schon vor vier Jahren die Chance genutzt zu haben, alle Achsen zu beruhigen. Dieses Versäumnisse müsse nun auf jeden Fall nachgeholt werden, so die Grüne, die darauf setzt, dass die erhobenen Zahlen von 2015 sind und nun wohl deutlich höhere Werte erzielt werden, da das Verkehrsaufkommen weiter gestiegen ist.
Sven Nitsche (FWV) konnte die Entscheidung der Verkehrsbehörde nachvollziehen, immerhin sei die Waghäuseler Straße nicht nur optisch, sondern auch tatsächlich die breiteste in der Gemeinde. Obendrein, so seine Erfahrung, werde die lange Straße unterschiedlich frequentiert. Der Verkehr sei zwischen Kreisel in der Ortsmitte und Rheinstraße höher als im Bereich zwischen Rheinstraße und Berliner Straße und von dort bis zum Altreutweg zu vernachlässigen. Woraus für ihn, wie in anderen Kommunen auch, folgt, dass nicht jeder Abschnitt die gleiche Geschwindigkeitsbegrenzung haben müsse.
Ingeborg Bamberg (WfN) freut sich, dass nun die Weichen für die Hockenheimer Straße in Sachen Beruhigung auf Grün gestellt sind und konnte nicht nachvollziehen, warum die Waghäuseler Straße außen vor bleibe. Ähnlich äußerte sich Renate Hettwer (SPD) die von einer starken Lärmbelästigung der Anwohner der Waghäuseler Straße in den Stoßzeiten berichtete und sich gleichfalls dem Vorschlag der Verwaltung anschloss. Obendrein regte sie an, die Geschwindigkeit in der Straße reglementierend messen zu lassen.
Thomas Birkenmaier (CDU) sah auf der einen Seite das Lärmschutzgutachten, das Tempo 30 in der Straße nicht zulasse, auf der anderen die hohen Kosten von 10 000 Euro für weitere Untersuchungen. Zumal sich Raser durch Tempo 30 wohl nicht ausbremsen ließen und Geschwindigkeitsbegrenzungen nur ein subjektives Gefühl von Sicherheit vermitteln würden. Warum nicht Tempo 20 oder gar 10, sah er einig persönliches Empfinden vorherrschen.
Winfried Vaudlet (SPD) griff die Aussage von Nitsche auf und regte an, wenn nochmals gemessen wird, dies in der Waghäuseler Straße abschnittsweise zu machen.
Letztlich entschied sich der Rat mit einer Mehrheit von fast zwei Dritteln für die Einleitung weiterer Schritte, um auch die Waghäuseler Straße mit Tempo 30 versehen zu können.
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