Oftersheim. Es wird viel gelacht und geklatscht, gesungen und geschunkelt. Im hinteren Bereich der evangelischen Kirche in Oftersheim herrscht einfach gute Laune. „Sie blüht da richtig auf“, berichtet eine Angehörige gegenüber dieser Zeitung. Und in der Tat: Die Beteiligten scherzen untereinander, verstecken sich spielerisch hinter einem durchsichtigen Tuch und plaudern ungezwungen.
Das Betreuungs- und Demenzcafé Vergissmeinnicht in Oftersheim ist ein Ort, an dem der Spaß und die Geselligkeit im Vordergrund stehen. Als die Teilnehmer nach und nach eintreffen, ist ihnen die Freude über das Wiedersehen bekannter Gesichter anzusehen. „Eine ihrer Klassenkameradinnen ist auch mit dabei“, erzählt die Angehörige, die ihre pflegebedürftige Mutter regelmäßig zu den wöchentlichen Terminen fährt.
Mehrere Besucher würden sich noch aus der Schulzeit kennen. Wenn sie vertraute Personen sehen, gebe ihnen das Halt, schildert Doris Zimmermann, die die Gruppe in Oftersheim seit zehn Jahren leitet.
Um den Teilnehmern feste Strukturen zu geben, gestalte sie die Termine stets nach ähnlichem Muster: Zu Beginn wird gemeinsam gesungen, diesmal gibt es ein Geburtstagskind in der Runde – das ein oder andere Ständchen darf also nicht fehlen. Weil eine der Betreuerinnen demnächst in den Urlaub an die Nordsee fährt, wird fleißig zu „An der Nordseeküste“geschunkelt.
Betreuungs- und Demenzcafé in Oftersheim bringt Abwechslung im Alltag
„Die zweieinhalb Stunden, die ich hier verbringe, sind etwas ganz anderes für mich als alleine zu Hause zu sein“, schildert einer der Teilnehmer, der nicht namentlich genannt werden möchte. „Da kommt man auf andere Gedanken und hat Abwechslung im Alltag.“ Früher habe er seine Frau in das Café gebracht. Als diese vor mehreren Jahren verstarb, begann er selbst zu den Nachmittagen zu gehen – und fand Gefallen: „Wir sind einer schöner Kreis und es macht Spaß zusammen.“
Durch die regelmäßig angebotene Sitzgymnastik, die Zimmermann dieses Mal mit einem bunten Tuch durchführt, kommen die Besucher ein wenig in Bewegung. „Wer wirft das Tuch am höchsten?“, macht die Leiterin einen kleinen Wettbewerb draus.
Der Angehörigen zufolge hätten sich die Resultate eines neurologischen Tests bei ihrer Mutter seit den Besuchen im Café „Vergissmeinnicht“ sogar verbessert. Es gefalle ihr so gut, dass sie das Café freitags auch in Brühl besuche. „Sie freut sich immer drauf.“
Das vom kirchlichen Pflegedienst Kurpfalz getragene Projekt wird auch in Plankstadt, Schwetzingen, Brühl und Ketsch angeboten. „Dort fehlen jedoch Ehrenamtliche zur Unterstützung“, beklagt Zimmermann. In Oftersheim seien sie derweil personell aber gut aufgestellt und könnten eine Eins-zu-Eins-Betreuung gewährleisten.
Aktuell kämen meist sieben zu betreuende Personen zu diesen Nachmittagen, die Obergrenze liege bei zehn. Verfügen die Teilnehmer über eine Pflegestufe, könnten die 20 Euro Teilnahmegebühr pro Sitzung über die Pflegekasse abgerechnet werden.
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Der erste Schritt in dieses Angebot falle vielen Betroffenen ziemlich schwer, wie die in Teilzeit als Krankenschwester beschäftigte Leiterin erklärt. Dennoch müssten sie aus eigenem Antrieb heraus erstmals zu einem Termin kommen und diesen Schritt wagen. „Der erste Besuch verläuft ganz unbürokratisch. Einfach mal vorbeischauen und hereinschnuppern, wie es einem gefällt.“ Um telefonische Anmeldung wird allerdings gebeten.
Entlastung für Angehörige durch die Vergissmeinnicht-Gruppe in Oftersheim
Viele Besucher der Vergissmeinnicht-Gruppe seien nach dem Tod ihrer Lebensgefährten alleinstehend und fänden oftmals keine Motivation für den Alltag oder solche Treffen. „Aber wenn sie sich aufraffen, merken sie, dass es ihnen hier besser geht.“ Die Familien seien oft sehr stark belastet. Die Pflege der Angehörigen nehme viel Zeit in Anspruch. „Wenn sie hier ist, bedeutet das für mich Entlastung“, sagt eine Angehörige.
Nach der Gymnastik wird es Zeit für eine Stärkung. Die Betreuerinnen tischen Kaffee und Kuchen auf, der entweder von ihnen oder den Angehörigen wöchentlich gebacken wird. Währenddessen tauschen sich alle Beteiligten rege untereinander aus. Im Gespräch mit dieser Zeitung gerät einer der Teilnehmer über den jüngsten Ausflug der Gruppe ins Schwärmen. Im Oftersheimer Gewölbekeller hatten sie sich die Ausstellung „Hommage – Schätze aus der Garage“ von Markus Müller (wir berichteten) angeschaut, der dort eine Vielzahl verschiedenster Zweiräder präsentiert.
Dort habe es auch „Sachen gegeben, die man von früher noch kennt“, fühlt er sich an seine eigene Vergangenheit erinnert. „Die Teilnehmer waren ganz hin und weg“, berichtet Zimmermann von den Reaktionen der Gruppe.
Zum Abschluss des geselligen Treffens wird in der evangelischen Kirche noch mal die Hand-Augen-Koordination gefördert: Es geht ans Basteln. Heute soll ein Lavendelsäckchen entstehen. Ein kleines Präsent, das jeder Teilnehmer als Erinnerung mit nach Hause nehmen darf.
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