Oftersheim. Nicht jeder Mensch bringt es zu einer Kunstausstellung. Nur wenige treffen in ihrem Leben mehrere berühmte Schauspieler und Sportler in kürzester Zeit – und später sogar noch einen Bundespräsidenten. Auch ein Buch zu schreiben, ist mitnichten alltäglich. Die Oftersheimerin Betty Schmidt hat all das in ihren 96 Lebensjahren getan – und davon möchte sie gerne noch viel mehr erzählen, als sie es bereits getan hat.
1988 erschien mit „Warten auf Margeriten“ Schmidts bisher einziges Buch, das sich um Erinnerungen und Geschehnisse aus ihrer Jugendzeit dreht. Eine Auflage von 250 Stück gab es damals – „die waren im Nu weg“, sagt die 96-Jährige im Gespräch mit dieser Zeitung mit einem Lächeln. Dennoch blieb es dabei, weitere Exemplare wurden nie gedruckt. Denn der Strasser Verlag, in dem „Warten auf Margeriten“ erschien, ging pleite. Laut Schmidt wurde dem damaligen Geschäftsführer des kleinen Verlags bereits während der Entstehung ihrer Autobiografie das Geld knapp – mit dem Ergebnis, dass es nicht mal jedes Kapitel in die veröffentlichte Version des Buches schaffte.
Eine schwierige Zeit für die Oftersheimerin
Für Betty Schmidt begann nach der Veröffentlichung also eine schwierige Zeit. „Ich musste die Lesungen und den Verkauf ganz alleine machen“, blickt sie heute zurück. „Das war nicht einfach. Außerdem hätte ich auch etwas an dem Buch verdienen können.“ So kam es am Ende nicht. Doch schon seit damals lässt Schmidt der Gedanke nicht los, ihr Leben weiterzuerzählen.
Das Problem: Ihre Augen wollen nicht mehr wie früher, wie sie selbst sagt. Im Gespräch und bei einem kleinen Rundgang durch ihre Wohnung, die von Erinnerungsstücken geschmückt ist, wirkt die Rentnerin ausgesprochen lebendig und fit. „Aber schreiben kann ich so nicht mehr – oder lesen, was ich geschrieben hätte“, sagt Schmidt bedauernd. Auch einen Verlag hat sie bisher nicht an der Hand. Und trotz dieser Hindernisse spürt man zu jedem Zeitpunkt, wie sehr der Gedanke an ein weiteres Buch sie nicht loslässt. Eine Ehrenamtliche der Oftersheimer Nachbarschaftshilfe, die einmal die Woche bei Schmidt zu Hause ist und auch den Kontakt zur Schwetzinger Zeitung herstellte, hat schon mehrere Vorschläge zur Umsetzung gemacht – zum Beispiel jemanden vorübergehend zu engagieren, der die Geschichte abtippt. „Aber da fehlt der letzte Schliff, man muss immer wieder lesen, was man geschrieben hat“, berichtet Betty Schmidt aus Erfahrung.
Der Inhalt von „Warten auf Margeriten“ endet zu dem Zeitpunkt, als die Autorin 18 Jahre alt war. „Da fängt doch das Leben eigentlich erst richtig an“, konstatiert Schmidt und liefert damit einen weiteren Grund, wieso sie noch so viel zu erzählen hätte. Und das, was sie im Gespräch berichtet, würde zweifelsohne genug Stoff bieten. „Ich hätte noch drei Bücher schreiben können“, sagt sie – und die Geschichten, die sie preisgibt, geben ihr recht.
Mit 18 Jahren – also 1945 in den letzten Zügen des Zweiten Weltkrieges – ging Schmidt mit ihrem späteren Ehemann nach Berlin. „Ich hatte keine Zuzugsgenehmigung“, blickt sie zurück. Deshalb durfte sie nicht bleiben, als die sowjetische Armee die Stadt einnahm und es kam zu einer abrupten und gefährlichen Flucht quer durch das vom Krieg zerrüttete Deutschland.
Doch an die Zeit, die sie in Berlin zubrachte, denkt sie gerne zurück. Zahlreiche Bilder in ihrer Wohnung erinnern noch heute daran. Dort zu sehen: Schauspieler wie Adrian Hoven oder Heinz Rühmann, oftmals gemeinsam mit Schmidts späterem Ehemann. Auch Boxlegenden den damaligen Halbschwergewichtsweltmeister Archie Moore oder Max Schmeling lernte Betty Schmidt durch ihren Mann kennen – denn der war selbst Berufsboxer.
Blumen beim Empfang eines US-Boxstars
Alleine aus ihren Begegnungen mit der Prominenz der 1940er und 1950er Jahre könnte sie also gefühlt ein weiteres Buch füllen – beispielsweise mit der Anekdote, wie dem oben genannten US-Boxer Moore in Mannheim ein großer Empfang bereitet wurde, an dem auch Schmidt teilnehmen konnte. „Da hat man ihm einen riesigen Blumenstrauß überreicht, den er dann – unter aller Augen, vor Hunderten von Leuten – an mich weitergegeben hat, ich bin fast in Ohnmacht gefallen“, erinnert sie sich.
Als Betty Schmidt schließlich ins Berufsleben eintrat – wenn auch nicht, wie es ihr Traum war, als Ballerina am Mannheimer Nationaltheater, was der Krieg verhinderte – kehrte jedoch nicht unbedingt Ruhe ein. Archie Moore bot ihrem Ehemann an, ihn mit in die USA zu nehmen und ihn dort groß rauszubringen. „Wäre ich mitgegangen, hätte er es gemacht“, sagt Schmidt heute. Doch sie war bereits für Siemens tätig zu dieser Zeit, zudem kam ihre Tochter auf die Welt. Schmidt arbeitete in der Fernschreibstelle. „Das war sehr stressig und sehr interessant“, berichtet sie. „Ich habe ja überall hinschreiben müssen, bis nach Kanada oder Afrika. Und ich habe fantastische Leute kennengelernt.“
Bei einer Messe in Karlsruhe, an der sie für Siemens teilnahm, kam es zu einer besonders prominenten Begegnung. Laut eigener Aussage war Schmidt schon nervös, dass man sie überhaupt zu der Messe geschickt hatte – „ich wusste ja gar nicht, was ich dort sollte.“ Doch ihr damaliger Chef hatte Vertrauen in sie und das bewährte sich. Betty Schmidt sollte ihre Arbeit vorstellen. Schließlich kam eine größere Gruppe zu ihr – darunter der damalige Oberbürgermeister von Karlsruhe und, zu ihrem Erstaunen, Theodor Heuss, damals Bundespräsident. „Mich hat der Schlag getroffen“, sagt Schmidt über die Begegnung. „Darauf war ich nicht vorbereitet. Aber Heuss verhielt sich wie ein Vater. Das war der beste und interessanteste Präsident, den wir hatten.“ Besonders rührend und merklich eine schöne Erinnerung für Schmidt: „Nach meiner Erklärung kam Präsident Heuss noch mal zu mir und sagte, er habe vom Fernschreiben ja bisher nur gehört, aber nun wisse er endlich, wie das funktioniert.“ Man sieht: Geschichten hätte Schmidt genug. Nun muss sie sie nur noch erzählen können.
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