Oftersheim. Der schwere Angriff auf den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Matthias Ecke, Anfang des Monats hat reihenweise Medienberichte zum Thema physische und verbale Gewalt gegen Politiker ausgelöst. Jüngst kam es zu einem tätlichen Angriff auf den Speyerer Fraktionschef der Linken. In Oftersheim ist – das bestätigen die Gemeinderatsfraktionen auf Anfrage – vor allem Sachbeschädigung, vorwiegend an Wahlplakaten, ein Thema.
So sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Jens Rüttinger: „Die Zerstörungen insbesondere der Wahlplakate der SPD und der Grünen hat deutlich zugenommen. Wir müssen alle zwei Tage verschiedene Plakate ersetzen. Dies kenne ich in diesem Ausmaß von früher nicht.“
Karosserieschaden an Fahrzeug von Oftersheimer SPD-Vorsitzendem
Doch die aggressive Stimmung beginnt und endet dort nicht, wie Rüttinger berichtet: „ Bei meiner roten Piaggio Ape wurde zuerst das Kennzeichen gestohlen und wenige Tage später der linke Außenspiegel so brutal abgetreten, dass es auch zu Karosserieschäden gekommen ist.“ Dies führe laut dem SPD-Gemeinderat unter anderem dazu, dass verschiedene Kandidierende Angst hätten, ein Wahlplakat an ihr Haus zu hängen. Patrick Schönenberg, Fraktionsvorsitzender der Grünen, bestätigt Rüttingers Eindruck hinsichtlich der Plakate: „Wir haben in drei Wochen 45 beschädigte und ein gestohlenes Wahlplakat zu verzeichnen. Darin eingerechnet sind nicht die Beschädigungen des Großflächenplakats am Ortseingang.“
Die Grünen seien dazu übergegangen, jeden Vorfall zur Anzeige zu bringen. Zudem geschieht das Ganze aus Sicht von Schönenberg gezielter als in früheren Wahlkämpfen: „Was früher eher vereinzelt vorgekommen ist, wird jetzt schon fast professionell durch Einzelpersonen gemacht, die um 2 Uhr morgens mit dem Rad durch Oftersheim fahren und gezielt Wahlplakate von einzelnen Parteien beschmieren und zerstören.“ Das sei ein alarmierendes Signal an alle demokratischen Parteien.
Deutlicher Nachteil im Oftersheimer Wahlkampf durch zerstörte Plakate
Zwar sei niemand von der Grünen-Liste bisher körperlich oder beleidigend angegangen worden, aber die Menge an zerstörten Plakaten sei ein finanzieller Schaden und ein deutlicher Nachteil gegenüber politischen Mitstreitern.
Kerstin Schnabel, Vorsitzende des Ortsverbands der Freien Wähler (FWV), erklärt, dass auch sie den Eindruck habe, dass solche Vorfälle zugenommen hätten. „Die FWV wurde bisher verschont. Aber uns regt es auch auf,was bei den anderen passiert“, so Schnabel. Auch Annette Dietl-Faude, Fraktionsvorsitzende der CDU, bestätigt die Zunahme der Zerstörungen, was „nicht akzeptabel“ sei. „Das ist keine angemessene Art, seinen politischen Willen kundzutun.“
Unter den Parteien herrscht weitestgehend Einigkeit, dass direkte Gespräche mit Bürgern positiv ablaufen. Patrick Schönenberg erlebt die Oftersheimer als „grundsätzlich diskussionsfreudig. Auch Personen, die uns nicht wählen, verhalten sich uns gegenüber völlig normal und suchen sogar den Dialog.“ Kerstin Schnabel sagt: „Einige argumentieren konstruktiv, andere nicht. Meinungen gingen schon immer auseinander, aber es gab niemanden, mit dem man im Streit auseinanderging.“ Auch die FDP nimmt in dieser Hinsicht keine Veränderung des Klimas wahr, wie Fraktionsvorsitzender Peter Pristl bestätigt.
Etwas anders sieht es da aus Sicht der SPD aus. „Die Aggressivität hat deutlich zugenommen“, findet Jens Rüttinger. „Bisher wurden zwar keine Oftersheimer SPD-Mitglieder körperlich angegangen, aber es kam schon mehrfach zu Beleidigungen und sogar Drohungen.“
Rauer Ton im Internet als Ursache für Gewalt im Wahlkampf?
Die Ursachen für solche Vorfälle und auch die, die sich im gesamten Bundesgebiet in den vergangenen Wochen ereignet haben, sehen die Oftersheimer Politikvertreter recht ähnlich. „Es findet eine Verrohung der Sprache statt, zuerst im Internet“, sagt Jens Rüttinger. „Bei Diskussionen, vor allem auf den sozialen Medien, fällt auf, dass manche Personen nicht mehr verstehen, dass es Kompromisse zwischen politischen Partnern oder Kompromisse bei der Abwägung von verschiedenen Positionen und Interessen geben muss“, findet Patrick Schönenberg.
„Im Netz wird der Ton aufgrund der vermeintlichen Anonymität immer rauer und aggressiver“, wie Annette Dietl-Faude findet. Peter Pristl sieht als Gründe „allgemeine Politikverdrossenheit, Desinformationen in fast allen Bereichen, Zunahme extremer Gruppen und Parteien.“ Was die Oftersheimer Lokalpolitiker ebenfalls eint, ist eine gewisse Furcht vor den Konsequenzen des mittlerweile drastischer und aggressiver gewordenen Diskurses. „Ich sehe durchaus die Gefahr, dass sich aufgrund der zunehmenden Angriffe, auch auf Lokalpolitiker, die Anzahl derer, die sich im Kommunalparlament engagieren wollen, noch weiter abnimmt. Und das wäre für unser demokratisches Gefüge eine Katastrophe“, findet Annette Dietl-Faude.
Eine Frage des ehrenamtlichen Engagements in Oftersheim
Jens Rüttinger freue sich über jeden, der sich in einer demokratischen Partei für deren Inhalte einsetzt, besonders bei jungen Menschen – doch es seien zu wenige. Zudem: „Meist, habe ich festgestellt, kommen die Anfeindungen von Menschen, die sich nirgends engagieren“, so die Einschätzung des SPD-Fraktionsvorsitzenden.
Doch zumindest bei den jetzt Aktiven hat der Frust noch nicht überhandgenommen. Alle Parteivertreter sagen in unterschiedlichen Formulierungen einhellig, dass sie die Kommunalpolitik immer noch begeistert und äußern sich beispielsweise positiv über den Umgang der Parteien miteinander im Gemeinderat oder die Unterstützung der Verwaltung. Gleichzeitig wünschen sie sich, dass der Respekt für ihr ehrenamtliches Engagement nicht verloren geht. Sonst könnte genau dieser Einsatz für das Gemeinwohl auch irgendwann verschwinden.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommunalwahl Zerstörte Wahlplakate und Sachbeschädigung in Oftersheim: Kein Verständnis