Oftersheim. Die Nacht ist kurz gewesen, als mein Wecker mich um 7.30 Uhr an diesem Samstag aus dem Tiefschlaf reißt. Die Welt ist noch in Stille gehüllt, während ich aus dem Bett steige und beginne, mich im fahlen Morgenlicht auf einen der wichtigsten Tage für die Narren unter uns vorzubereiten. Nur noch eine Woche darf ich dieses funkelnde Amt ausführen, denke ich, und merke, wie sich meine anfängliche Müdigkeit in Vorfreude auf den anstehenden Tag wandelt. Auch heute dürfte es wieder ein langer Tag werden, aber es ist kein gewöhnlicher: Der 11.11. um 11.11 Uhr ist traditionell der Startschuss in die Fasnachtssaison.
Einmal im Leben Prinzessin sein. Träumt davon nicht jedes kleine Mädchen mal? So auch ich als ich mit fünf Jahren beim CC Grün-Weiß Oftersheim (GWO) mit dem Gardetanz begonnen habe. Viele Jahre später, am 19. November 2022, ist dieser Traum für mich in Erfüllung gegangen. Für ein Jahr durfte ich nun als Prinzessin Julia II. in Oftersheim regieren. Zwischen Narrentreiben, Prinzessinnenpflichten und Geheimnissen, die sich hinter den Kulissen des Lebens als Fasnachtsprinzessin verbergen – ich nehme die Leser der Schwetzinger Zeitung einen Tag lang bei meinem persönlichen Märchen mit.
7.30 Uhr – Fertigmachen für den Kampagnenstart:
Der Blick in den Spiegel offenbart aufgrund von Schlafmangel eine müde Julia mit zerzausten Haaren. Doch noch bin ich im Amt und daher bereit, die Aufgaben als Grün-Weiß-Prinzessin gewissenhaft zu erfüllen. Besonders zur Faschingshochzeit im Januar und Februar sind wir einen Veranstaltungsmarathon nach dem anderen gelaufen, was durchaus kräftezehrend sein konnte.
Da der 11.11. aber einer meiner letzten offiziellen Termine als Prinzessin ist, fiel das Aufstehen heute leichter als sonst. Somit werden die Locken eingedreht, die Krone wird festgesteckt und das Make-up aufgetragen, während ich zwischendurch immer wieder einen Schluck Kaffee trinke, um etwas wacher zu werden.
Schließlich war ich erst um 3 Uhr im Bett, da ich mit einer GWO-Abordnung am Vorabend beim Ordensfest der Rohrhöfer Göggel zu Gast war. Nach dem Anlegen des Schmucks schlüpfe ich in mein Kleid – der letzte Punkt meiner Vorbereitung. Dafür muss ich vor jedem Termin etwa eine halbe Stunde einplanen, da die Schnürung der Korsage am Rücken etwas dauert. Die Entscheidung fiel nicht schwer, welches meiner Prinzessinnenkleider ich heute anziehe. Für den Rathaussturm wäre nun einmal keine andere Farbe passender gewesen als unsere Vereins- und Gemeindefarbe Grün. Habe ich alles dabei? Sind die Geschenke im Auto? Glücklicherweise hat sich meine Familie bereits darum gekümmert, dass alles mitgenommen wurde, was ich für meine vereinsinterne Verabschiedung am Nachmittag brauche. Mit dem Griff zum Zepter bin ich endlich startklar und es geht zum Rathaussturm.
11.11 Uhr – Die Narren sind los in Oftersheim:
O-Hoi Oftersheim! Um 11.11 Uhr ist die magische Narrenzahl erreicht und vor dem Rathausbrunnen feiern wir Grün-Weißen Elferräte, Tanzgarden und Buzzel-Hexen zusammen mit den Oftersheimern den Kampagnenstart. Sekt fließt, Berliner und Schaumküsse werden verteilt, bevor ich ein paar Worte an das Publikum richte und mit einem dreifach donnernden „O-Hoi!“ die fünfte Jahreszeit eröffnen darf.
Den Rathausschlüssel haben unser Präsident Jürgen Abel und ich in Anbetracht der großen GWO-Unterstützung schnell erkämpft und auch den Chefsessel im Büro des Bürgermeisters habe ich anschließend erfolgreich kapern können. Als mich ein Kind neugierig danach fragt, wie viele Kleider ich besitze und ob es mein Zepter anfassen darf, wird mir wieder klar: Es sind vor allem solche kleinen Momente wie nette Gespräche und liebe Worte von Bürgern, die das Amt der Prinzessin so schön machen.
13 Uhr – Ordens- und Ehrennachmittag des CC Grün-Weiß:
Mit dem Auto geht es gegen 13 Uhr zu unserer internen Kampagneneröffnung, dem Ordens- und Ehrennachmittag. Autofahrten sind als Prinzessin jedes Mal eine Herausforderung angesichts des umfangreichen Tüllstoffs und Reifrocks. Mit dem „Schiffchen“ klappt der Einstieg in den Wagen mittlerweile aber meist geschmeidig. Bei dieser Technik wird der Reifrock an den Seiten hochgeklappt und der Tüll dort hineingelegt, sodass es aussieht, als würde ich in einem Schiff stehen. Diese „Transporttechnik“ hat sich auch in engen Räumen oder bei Toilettengängen sehr bewährt. Mir war klar, dass der Ordens- und Ehren-nachmittag mit der Ernennung neuer Elferräte, der Vorstellung des neuen Jahresordens, Ehrungen und meiner Danksagung emotional werden würde, aber in dem Moment, als ich mich bei den Vereinsmitgliedern bedanke, die eine besonders große Stütze während meiner Prinzessinnenkampagne waren – ob als Taxifahrer, Begleitung oder Sponsor – kullert die eine oder andere Träne bereits meine Wange herunter. Die gemeinsame Zeit war einfach so schön.
16 Uhr – Kurze Pause und ein Powernap:
Gegen 16 Uhr macht sich bei mir so langsam der Schlafmangel bemerkbar. In den letzten Wochen sind wir noch mal auf einigen Veranstaltungen gewesen, die ich mit Grün-Weiß-Abordnungen wahrgenommen habe. Es ist ein zeitintensives Ehrenamt, aber ebenso eines, für das ich meine Freizeit sehr gerne nutze, da sich damit für mich eben tatsächlich ein großer Kindheitstraum verwirklicht. Bevor der Veranstaltungsmarathon jedoch in die nächste Runde geht, habe ich Zuhause noch die Gelegenheit, für einen kurzen Powernap aus dem Kleid zu schlüpfen.
18 Uhr – Ordensfest in Ketsch:
Frisch gemacht und wieder in das smaragdgrüne Ballkleid geschnürt geht es um 18 Uhr mit einer knapp 30-köpfigen Grün-Weiß-Abordnung zum Ordensfest der KG Narrhalla Ketsch, wo der Fasnachtsbeginn mit Guggemusik, Feuereffekten und der Inthronisierung der neuen Prinzessin gebührend gefeiert wird. Während ich die emotionale Abdankung der alten Lieblichkeit verfolge, wird mir bewusst, dass auch mein Abschied als Prinzessin immer näher rückt.
23 Uhr – Bühnenauftritt und Party in Ketsch:
Etwa um 23 Uhr werden die Abordnungen des Kurpfälzer Narrenrings, zu dem auch wir gehören, zur Ordensrunde auf die Bühne geladen. Dabei tauschen die Vereine ihre Prinzessinnen- und Jahresorden, richten ihre Glückwünsche an die neue Tollität und übergeben Geschenke. Als Repräsentantin des GWO verkünde auch ich mein Motto. In dieser gekürzten Version meiner Antrittsrede lege ich dem Publikum ans Herz: „Genießt den Zauber des Augenblicks und nutzt alle Chancen, die das Leben euch gibt. Drum nehmt eure Gläser und schenkt euch alle ein, unter Prinzessin Julia II. soll die Narrenschar fröhlich sein.“ Anschließend folgt ein dreifach donnerndes drei „O-Hoi“ auf die Ofdascha und Ketscher Fasnacht, bevor die Orden getauscht werden und die Party in der Bar beginnt – ein vorletztes Mal genieße ich jeden einzelnen Moment, den ich als Prinzessin des CC Grün-Weiß erleben darf.
Es war eine Ehre, Prinzessin beim GWO zu sein. Mein Leben als Julia II. war ein Tanz auf bunten Konfettischauern und zwischen wallenden Ballkleidern. Die einzigartigen Momente voller Glanz, Gemeinschaft und herzlichem Lachen machen diese Zeit als Faschingsprinzessin unvergesslich. Während meine Prinzessinnenreise am kommenden Samstag beim großen Galaabend endet, wird eine neue Lieblichkeit inthronisiert – ein zauberhafter Kreislauf, der die Fasnacht jedes Jahr aufs Neue lebendig werden lässt. So grüße ich euch zum Abschied als Julia II. mit drei kräftig donnernden O-Hoi! O-Hoi! O-Hoi!
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