Oftersheim. „Träumen Sie mit uns von den Kobolden, die über die grünen Wiesen trollen und sich nicht einmal von einer Horde Rugbyspielern aus der Ruhe bringen lassen.“ Diese Einladung spricht Erik König, der Dirigent des Musikvereins Oftersheim, zwar ungefähr zur Mitte des Jahreskonzerts aus. Trotzdem ist es eine Aufforderung, die den vielseitigen Abend in der Kurpfalzhalle unter dem Motto „Musikalische Reise durch Irland“ mehr als treffend beschreibt.
Doch bevor das Blasorchester den voll besetzten Raum auf die ferne Insel entführt, ist erst einmal der Nachwuchs an der Reihe. Unter Leitung von Manfred Hildebrandt eröffnet die Jugendkapelle des Vereins mit dem kreativen Namen „Marsch Mellows“ das Konzert mit einem Klassiker aus der internationalen Show-Geschichte. Wie alle anderen Lieder der Jugendlichen, kündigen sie auch das erste Stück „The Muppet Show Theme“ selbst an. Bei den darauffolgenden musikalischen Präsentationen stellen die jungen Bläser vor allem deren Vielseitigkeit zur Schau – beispielsweise mit tiefgehenden Hits wie Green Days „21 Guns“ oder dem anspruchsvollen Michael Jackson-Medley „The King of Pop“. Die Jugendlichen hätten Publikum und Verein mit deren Talent begeistert und motiviert, glaubt der erste Vorsitzende des Musikvereins Torsten Koloska, der die Moderation des Abends übernimmt.
Jahreskonzert des Oftersheimer Musikvereins ist merklich live
Doch auch nach dem eindrucksvollen Auftritt des Nachwuchses muss die Reise nach Irland noch einen Moment warten. Zunächst ruft der Vereinschef Hermann Baust zu sich, der für seine 70 Jahre Vereinsmitgliedschaft eine kleine Anerkennung erhält. „Man merkt, die Veranstaltung ist live, ich habe mein Geschenk für dich hinten vergessen“, muss Koloska den Geehrten einen Moment unter lautem Gelächter des Publikums vertrösten. Dann kann es endlich losgehen. Der schwere, dunkelrote Vorhang öffnet sich langsam bei gespannter, kollektiver Stille.
Tiefe Töne aus der Tuba erobern die Kurpfalzhalle und sorgen für Vibrationen am Boden. Entgegengesetzte, fast schon widersprüchlich helle Klänge verlassen die Klarinetten aus der ersten Reihe und erschaffen eine Atmosphäre aus erwartungsvoller Dramatik. Die irische Ouvertüre „Amhrán na bh Fiann“ gibt erste Eindrücke in die verwunschene, fast schon märchenhafte Irland-typische Stimmung, die der Musikverein für einen Abend nach Oftersheim bringt.
„Cead Mile Failte“, mit dieser irischen Begrüßung, die zu Deutsch so viel bedeutet wie „Hunderttausend Willkommenswünsche“, begrüßt Dirigent Erik König die Zuhörerschaft. Das nächste und zweite Stück stelle genau das dar, was Irland ausmache, findet der musikalische Leiter. „Celtic Air and Dance No. 2“ beinhaltet einerseits ruhige, etwas dunklere Passagen, führt dann aber wieder zu der volkstypischen Tanzmusik, die zum Träumen einlädt. „Wir möchten heute mit Ihnen in die irische Kultur eintauchen und immer wieder mit Vorurteilen aufräumen“, sagt König, der sich zwischen den musikalischen Darbietungen regelmäßig Zeit nimmt, um die irische Geschichte mit den Musikstücken zu verbinden. So erzählt der Dirigent über den Abend hinweg von kriegerischen Auseinandersetzungen, Sagen und Mythen oder bedeutsamen Persönlichkeiten, die das Bild der Insel prägten.
Irischer Whiskey-Flair in Oftersheim
Eines der ersten und absoluten Highlights des Konzerts ist die Ballade „Molly Malone“, die inoffizielle Hymne der Hauptstadt Dublin, in der die Geschichte einer attraktiven irischen Fischhändlerin erzählt wird, die einen frühen Tod erleidet. Dass Erik König für dieses Lied seinen Flügelhorn-Spieler Marc Defiebre kurzerhand zum Sänger umfunktioniert, löst Begeisterung im Publikum aus. Zurecht, denn Defiebres tiefe, rauchige Stimme erzeugt in der Kurpfalzhalle den typisch irischen Whiskey-Flair, der den Abend durchgängig begleitet.
In der halbstündigen Pause können die Besucher das irische Bier Guinness oder irische Snacks wie die Chips Tayto genießen, sich als Kobold an der Fotowand fotografieren lassen oder einfach die detailverliebte Kleeblatt-Deko bestaunen. Dass die Kleeblätter dreiblättrig sind, hänge damit zusammen, dass die Iren diese nicht ausschließlich mit Glück, sondern auch mit der Dreifaltigkeit des christlichen Glaubens verbinden – nur eine von vielen kleinen Geschichten, die Erik König an diesem Abend erzählt.
Das Publikum darf in Oftersheimer Kurpfalzhalle mitmachen
In der zweiten Hälfte des Konzerts jagt ein Highlight das nächste. Unter anderem ist hier die Tanzgruppe „Holy Groovy Ladies“ zu erwähnen, die unter Leitung von Eva Baier und unter tobendem Applaus den „Irish Dance“, also den volkstypischen Stepptanz, präsentieren. Diesen greift König, nach einer Zugabe der zehn Tänzerinnen, gleich wieder auf. Unter dem Titel „Irish Jig for Stool Dancing“, soll das Publikum im Schlagzeugtakt mitstampfen. Ein Experiment, das vielleicht nicht für eine qualitativ hochwertige Tanzshow, aber für viel Spaß bei den Zuhörern sorgt.
„Während du das Geländer des Lebens runterrutschst, mögen die Spreißel alle in die gleiche Richtung gucken“, mit diesem sinngemäß übersetzten „Irish Blessing“, also einem irischen Glückwunsch, läutet König das Ende des Konzerts ein. Das ist aber noch lange nicht das Ende des Abends – die Oftersheimer Musiker haben nämlich Alexander Thürer für ein Whiskey-Tasting gebucht. Der Chefredakteur für das Ressort „Spirits & Bars“ des bekannten Mannheimer Magazins „Fal-staff“ analysiert mit den vorangemeldeten Zuhörern ausgewählten, irischen Hochprozentigen.
„Es war wunderschön, sehr gut abgestimmt und harmonisch“, findet die Besucherin Jessica Meissner. Renate Theissen aus Plankstadt sei mit einer Freundin zum Konzert gekommen: „Die irische Musik und der Tanz faszinieren mich. Das wurde hier perfekt umgesetzt.“ Auch die Zuhörer, die das Whiskey-Tasting nicht besuchten, konnten bei Getränken und Gesprächen den Abend ausklingen lassen und von Kobolden träumen.
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