Oftersheim. Hubert Kaschel wirkt fast winzig neben den imposanten Bäumen, die seine weitläufigen Gartenparzellen an diesem warmen Sommertag in angenehm kühlen Schatten tauchen. Neben ihm blühen mannshohe Rosensträucher in den unterschiedlichsten Farben, dazwischen schlängeln sich schmale Wege und führen Besucher zu kleinen Teichen und idyllischen Sitzmöglichkeiten unter zahlreichen Vogelnistkästen. Ein Stück weiter baut Kaschel auch allerlei Obst und Gemüse für den Eigenbedarf an – Kartoffeln, Birnen und Kirschen zum Beispiel, Letztere reicht er zum erntefrischen Probieren. Vor allem sind seine Kleingartenparzellen am Oftersheimer Ortsrand aber ein naturnahes Refugium für ihn und seine beiden Hunde sowie für viele weitere Tier- und Pflanzenarten.
„Meine Familie hat hier schon ewig ein Grundstück und mit den Jahren habe ich dann die Nachbarparzellen dazugekauft, um noch etwas mehr Platz zu haben“, erzählt Hubert Kaschel, während er sein Arbeitsgerät aufräumt. „Hier im Gewann ,Münchswiese‘ gibt es keinen Verein, der die Kleingärten organisiert, das machen wir Eigentümer und Pächter alles allein. Nebenan kümmert sich zum Beispiel seit einiger Zeit eine Familie mit kleinen Kindern um eine Parzelle, sodass ich hier auch immer etwas Leben und Kontakt habe. Und wenn es mir im Sommer im Ortskern zu heiß und drückend wird, dann schlafe ich manchmal hier draußen in meiner kleinen Hütte, wo es immer schön kühl ist. Das ist einfach mein kleines Paradies.“
„Paradies“ der Oftersheimer Kleingärtner ist bedroht
Doch eben dieses sprichwörtliche Paradies sehen die Kleingärtner im Südosten von Oftersheim nun bedroht – und zwar ausgerechnet durch das Ökologieprojekt Leimbach-Landgraben, bei dem die beiden Gewässer zusammengelegt und die Umgebung grundlegend umgebaut werden soll. Das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe plant im fünften und letzten Abschnitt der sogenannten Leimbach-Hardtbach-Projekte, die Ökologie von Leimbach und Landgraben im Bereich von Oftersheim aufzuwerten.
Dafür sollen die beiden parallel verlaufenden Gewässer auf einer Länge von rund fünf Kilometern zusammengelegt und in geschwungenen Linien samt rund 50 Meter breitem Schutzkorridor geführt werden. Diese Auenlandschaft soll zusätzlichen Pflanzen und Tieren eine Heimat bieten. Der Hochwasserschutz ist hingegen im Bereich der Gemeinde Oftersheim nicht mehr das Ziel des rund 15,2 Millionen Euro teuren Abschnitts.
Durch die grundlegende Umgestaltung der Landschaft würden allerdings nicht nur rund 15 Hektar Ackerflächen ersatzlos wegfallen, die darüber hinaus von den Oftersheimer Landwirten als ihre besten und fruchtbarsten Böden angesehen werden, das Projekt hätte auch große Auswirkungen auf Hubert Kaschel und die anderen Kleingärtner: Im Bereich „Münchswiese“ würde ein großes Stück ihrer Parzellen Richtung Landgraben wegfallen – die Fachplaner sprachen bei der ersten öffentlichen Infoveranstaltung vor rund fünf Jahren von einem zwischen sieben und zehn Meter breiten Streifen.
Für Leimbach und Landgraben sollen 158 Bäume bei Oftersheimer Kleingärten weichen
„Da sollen zunächst alle Bäume und Pflanzen gerodet werden, damit das Gewässer verbreitert und schließlich als Auenlandschaft angelegt werden kann. Deshalb war schon ein Gutachter in unseren Gärten und hat die einzelnen Bäume kategorisiert und berechnet, was am Ende ersetzt werden könnte und was welchen Wert hätte. Aber der Wert dieser alten Bäume lässt sich doch nicht mit Geld abbilden! Bis wieder alles gewachsen ist und die Ersatzpflanzungen auch nur ansatzweise die jetzige Größe erreicht haben, vergehen Jahrzehnte“, sagt Kaschel kopfschüttelnd.
Bereits bei der Infoveranstaltung des Regierungspräsidiums hatte das Thema große Wellen geschlagen. Viele Pächter und Nutzer der Kleingärten äußerten Einwände und Bedenken. Damals bestätigte das RP außerdem, dass allein in den Kleingärten insgesamt 158 Bäume gefällt werden müssten. Im Gegenzug sollen in diesem Bereich etwa 144 kleinere Halbstamm-Obstbäume neu gepflanzt werden sowie in der künftigen Auenlandschaft „über 1000 Laubbäume“, so die Behörde damals.
Auch von einer „zeitweisen Unterbrechung der Nutzung der Kleingartenanlagen“ während der auf drei Jahre angesetzten Baumaßnahmen spricht das RP in seinen Unterlagen. „Und quasi nebenbei wurde von den Planern angedeutet, dass im Zweifel auch Enteignungen möglich seien, wenn wir nicht mitmachen würden“, erinnert sich Kaschel.
Unbefriedigender Ersatz für Oftersheimer Kleingärtner
Immerhin gebe es überhaupt einen Ausgleich für die Eigentümer, im Gegensatz zu den Bauern, bei deren Äckern sich das Land darauf berufe, dass diese lediglich gepachtet seien. Doch dann führt Kaschel seinen Besuch durch ein kleines Tor zur Rückseite seiner Grundstücke, direkt am erhöht verlaufenden Leimbach. „Hier sollen die wegfallenden Gärten ausgeglichen werden, indem der jetzige Bachlauf zugeschüttet wird und wir den Randbereich nutzen können. Aber hier gibt es bislang nur Brennnesseln und Felder. Was braucht es da wohl an Aufwand, bis daraus ein schattiger Garten wird“, fragt Hubert Kaschel.
Ähnliche Sorgen treiben auch Manfred Winterhak um, der ebenfalls eine Parzelle im Gewann „Münchswiese“ pflegt. Auf dem Gepäckträger seines Mopeds hat er gerade eine große Kiste mit randvollen Honigwaben befestigt, die er zuvor aus seinen im Garten aufgestellten Bienenstöcken entnommen hat. „Wir haben hier so viele Blüten in den Gärten und den angrenzenden Feldern, das ist für meine Tiere ideal: Raps, Linden, Obstbäume jeder Art und auch Rosen, da ist die gesamte warme Jahreshälfte über was dabei“, erzählt Winterhak mit sichtlicher Begeisterung für sein Hobby. Seit den 1950er Jahren hat seine Familie hier eine Parzelle genutzt. Er selbst geht jetzt auf die 80 zu und war schon als Jugendlicher ständig vor den Toren Oftersheims unterwegs.
Schmerzhafter Verlust von Natur in Oftersheim
„Wir Alteingesessenen kennen den Leimbach natürlich ganz genau. Früher waren die im Winter überfluteten Felder unsere natürliche Eislaufbahn und im Sommer hatten wir hier unseren eigenen Badestrand. Erst durch die Kläranlage in Sandhausen hat dann später der Landgraben manchmal verdächtig gerochen und Schaum mit sich geführt“, erinnert sich Winterhak.
Die Pläne für das Ökologieprojekt seien also durchaus sinnvoll, wenn es denn der Umwelt helfe. Aber der große Verlust gewachsener Natur sowie jahrzehntealter Strukturen sei dann doch sehr schmerzhaft. „Aktuell scheint dem Land ja das Geld für die Umsetzung zu fehlen und sich alles zu verzögern. Vielleicht also erleben wir das alles auch gar nicht mehr“, sagt der bald 80-jährige Winterhak zum Abschied.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Im Projekt Leimbach-Landgraben bei Oftersheim sind Kompromisse notwendig