Ökologieprojekt

Leimbach und Landgraben bei Oftersheim: Landwirte sehen sich in Existenz bedroht

Die Bauern sorgen sich um den Verlust wichtiger Äcker durch die Zusammenlegung. Denn vom Land gibt es für diese Flächen keinen Ersatz. Ihr Entwurf für ein Gegenkonzept wurde zudem von einem Planungsbüro abgelehnt.

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Benjamin Jungbluth
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Erst im Bereich der Kleingärten (l.) kurz vor dem Ortsrand von Oftersheim verläuft der Landgraben kerzengerade und ist kaum noch bewachsen, da hier durch die zuständigen Ämter stärker gemäht wird. © Jungbluth

Oftersheim. Eigentlich sollte es beim Ökologieprojekt mit der Zusammenlegung von Leimbach und Landgraben vor den Toren Oftersheim derzeit einen entscheidenden Schritt weitergehen: Im Herbst vergangenen Jahres kündigte der Rhein-Neckar-Kreis an, dass „in der zweiten Jahreshälfte 2024“ der Planfeststellungsbeschluss erfolgen sollte. Mit diesem Beschluss wäre das Projekt in weiten Teilen geprüft und zumindest grundsätzlich von den entsprechenden Behörden abgesegnet, sodass die konkreten Pläne der Öffentlichkeit gezeigt werden und die Feinplanung starten könnte.

Doch auf Nachfrage dieser Zeitung erklärt das Landratsamt, dass „mit dem Planfeststellungsbeschluss in diesem Jahr nicht mehr gerechnet werden kann“. Denn bei der Anhörung der Träger öffentlicher Belange – also vor allem der einzelnen Fachbehörden – seien weitere Unterlagen nachgefordert worden. Dabei geht es laut Landratsamt ausgerechnet um Fragen zum Naturschutz, der ja durch das Gesamtprojekt gefördert werden soll.

Helmut Wiegand ist Vorsitzender des Oftersheimer Bauernverbands und selbst betroffen: Hier steht er neben seinen Feldern (l.), die für die naturnahe Umgestaltung des Landgrabens (r.) und des Leimbachs ersatzlos weichen sollen. © Jungbluth

Bekanntlich arbeitet das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe seit vielen Jahren am Gesamtvorhaben der sogenannten Leimbach-Hardtbach-Projekte: Dabei handelt es sich um insgesamt fünf größere Maßnahmen entlang der beiden Gewässer. In den teils schon seit der Jahrtausendwende umgesetzten ersten vier Bereichen stehen der Schutz vor einem Jahrhunderthochwasser sowie die Gewässerökologie im Fokus.

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Im fünften und letzten Abschnitt vor Oftersheim geht es hingegen inzwischen nur noch um den Umweltschutz: Für eine Hochwasserabwehr gibt es hier entgegen ersten Überlegungen und nach Aussage der Behörden doch keinen Bedarf. Stattdessen soll eine ökologisch wertvolle Auenlandschaft Tieren und Pflanzen einen neuen Lebensraum bieten. Dafür sollen die beiden parallel verlaufenden Gewässer auf einer Länge von rund fünf Kilometern zusammengelegt und künftig in geschwungenen Linien samt rund 50 Meter breitem Schutzkorridor geführt werden. Die beiden alten Gewässerläufe sollen hingegen zugeschüttet werden – auch weil der Boden hier teilweise durch den historischen Bergbau am Oberlauf kontaminiert ist.

Leimbach und Landgraben bei Oftersheim: Auswirkungen für zwei Gruppen

Rund um die Hardtgemeinde hätte das Projekt vor allem für zwei Gruppen große Auswirkungen: Zum einen für die Kleingärtner im Gewann „Münchswiese“, das sich am Zusammenfluss von Leimbach und Landgraben kurz vor dem Ortseingang befindet. Ihre Gärten müssten teilweise weichen, sollen aber im angrenzenden Bereich des dann zugeschütteten Leimbachs ausgeglichen werden.

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Zum anderen sind die örtlichen Landwirte betroffen, die laut RP rund 15 Hektar Ackerfläche verlieren sollen – und zwar fast gänzlich ohne Ausgleich. Die Behörde hatte im Herbst vergangenen Jahres auf Anfrage dieser Zeitung erklärt, dass es sich dabei nämlich nahezu vollständig um vom Land gepachtete Grundstücke handele. Daraus ergebe sich, so das RP, dass die Oftersheimer Landwirte den Verlust verkraften könnten. So teilte die Behörde wörtlich mit: „Die Inanspruchnahme der landwirtschaftlichen Flächen löst keine Existenzgefährdungen aus, da es sich überwiegend um Pachtflächen handelt, welche gerade nicht zu einer langfristigen Existenzsicherung herangezogen werden dürfen.“

Leimbach und Landgraben: Schlag ins Gesicht für Oftersheimer Landwirte

Für Helmut Wiegand sind diese Aussagen ein Schlag ins Gesicht. Wiegand ist als Landwirt und Vorsitzender des Oftersheimer Bauernverbands selbst besonders stark von den Plänen betroffen, da er einen Großteil der Flächen im künftigen Schutzgebiet bewirtschaftet. „Das sind etwa 20 Prozent meiner gesamten Ackerflächen und dazu noch die besten und ertragreichsten Böden, die wir rund um Oftersheim haben. Wenn uns die ersatzlos weggenommen werden, hat das natürlich große Auswirkungen auf unseren Betrieb – denn in der Region kann ich kaum Ersatz finden“, betont Wiegand.

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Besonders ärgert ihn die Erklärung aus Karlsruhe, dass Pachtflächen „grundsätzlich nicht zur langfristigen Existenzsicherung“ herangezogen werden dürften. „In unserer Region sind rund 90 Prozent aller Ackerflächen verpachtet, weil das Land und die Kirche die mit Abstand größten Grundbesitzer sind. Kaum ein Landwirt hat die Chance, Äcker zu kaufen und damit eine gewisse Sicherheit zu erlangen. Wenn also alle diese Pachtflächen nicht für unsere Existenzsicherung genutzt werden dürften, könnten wir dicht machen“, erklärt Wiegand.

Oftersheimer Bauernverband ist nicht grundsätzlich gegen Naturschutz

Gleichzeitig ist es ihm wichtig zu betonen, dass die Oftersheimer Bauern nicht grundsätzlich gegen das Naturschutzprojekt sind. Schon jetzt seien weite Teile des betroffenen Gebiets mit breiten Grünstreifen und Bäumen umsäumt, in beiden Gewässern gebe es Frösche, Libellen und auch zahlreiche Fische. Sicher könne da noch mehr für die Natur getan werden, doch aus Sicht der Landwirte bräuchte es bei dem geplanten Ökologieprojekt einen besseren Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen.

„Die Rhein-Neckar-Region ist sehr dicht besiedelt, überall dehnen sich Wohn- und Gewerbegebiete aus. Hinzu kommen Pläne für den Ausbau der Autobahnen sowie den Neubau von Bahnlinien und Radschnellwegen. Und dann haben wir noch viele bereits geschützte Bereiche: In Oftersheim nimmt beispielsweise der Wald einen Großteil der nicht bebauten Flächen ein. Da bleibt für die Landwirtschaft immer weniger übrig“, argumentiert Wiegand. In der Folge müssten die Bauern immer weiter entfernte Äcker bewirtschaften. Oder am Ende gar komplett aufgeben, so dass Lebensmittel künftig noch stärker importiert werden müssten.

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Daher hat der Bauernverband den Planern einen Gegenvorschlag unterbreitet: Statt eines rund 50 Meter breiten neuen Bachlaufs mitten zwischen den beiden jetzigen Verläufen könnte der Leimbach an seiner bisherigen Stelle naturnah umgebaut und auf 20 bis 30 Meter verbreitert werden. Dafür könnte der Landgraben wie geplant zugeschüttet und als Ausgleichsfläche für die Landwirte genutzt werden. „Dem Land geht es ja offenbar auch darum, den Erdaushub nicht teuer entsorgen zu müssen. Auf diese Weise könnte man alle Anliegen zusammenführen“, erklärt Helmut Wiegand. Doch das vom RP beauftragte externe Planungsbüro habe diesen Vorschlag schnell verworfen.

Bauernverband Oftersheim will seine Forderungen einbringen

Seine Forderungen wird der Bauernverband dennoch bei der weiteren Öffentlichkeitsbeteiligung versuchen einzubringen. Diese startet laut RP sobald im kommenden Jahr die nachgeforderten Naturschutzunterlagen verarbeitet worden sind. Dann sollen nicht nur die konkreten Planungen offengelegt, sondern auch eine Infoveranstaltung für Bürger abgehalten werden. Ein Termin oder zumindest ein Zeitraum stehe dafür derzeit allerdings noch nicht fest, heißt es aus Karlsruhe.

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Doch ganz abseits des weiteren planerischen Ablaufs könnten für die tatsächliche Umsetzung des Projekts am Ende wohl die Mittel des Landes entscheidend sein. Bereits im vergangenen Jahr hatte das RP von sich aus betont, dass „die Umsetzung auch von den Personal- und Finanzressourcen des Landes abhängig“ sei. Immerhin hatte das Land 2022 die Kosten nur für den Oftersheimer Abschnitt des Gesamtprojekts mit stolzen 15,2 Millionen Euro beziffert.

Auf erneute Nachfrage erklärt das RP nun, dass derzeit nicht absehbar sei, wann die noch nicht erfolgten Maßnahmen des Gesamtprojekts baulich umgesetzt werden könnten. „Bereits im Bau befindliche Maßnahmen haben bei der Bereitstellung der Mittel eine höhere Priorität als die noch in der Planung befindlichen Maßnahmen“, betont das RP.

Umsetzung der Zusammenlegung von Leimbach und Landgraben nicht gesichert

Interessant ist auch die Antwort auf die Frage, ob es möglich sei, dass das Oftersheimer Projekt aufgrund der knappen Ressourcen bis auf Weiteres pausiert oder am Ende sogar gar nicht umgesetzt werde. Dazu schreibt das RP: „Im Allgemeinen gibt es bei einem Planfeststellungsverfahren keinen Automatismus zur Umsetzung. Der Landesbetrieb Gewässer strebt die bauliche Umsetzung seiner geplanten Maßnahmen grundsätzlich an, muss dabei aber bezüglich der Mittelbereitstellung und der Personalressourcen priorisieren.“

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Und so keimt bei den Oftersheimer Landwirten durchaus die Hoffnung auf, dass die folgenreichen Pläne letztlich in den Schubladen der Behörden verbleiben. Doch darauf verlassen will sich Landwirt Helmut Wiegand nicht. „Sobald einmal ein Planfeststellungsbeschluss vorliegt, könnten die Behörden jederzeit mit der Umsetzung loslegen, wenn sich die Finanzsituation entspannt oder sich der Staub der Aufregung etwas gelegt hat. Das bedeutet für uns, dass wir nur schwer für die Zukunft planen können“, sagt Wiegand.

Beim Blick über die betroffenen Felder und in Richtung des Heidelberger Königstuhls wird der Oftersheimer Landwirt nachdenklich. „Ich bin jetzt die dritte Generation mit unserem Betrieb. Mein Schwiegersohn will ihn später übernehmen, und seit Kurzem ist auch schon die fünfte Generation auf der Welt“, sagt Helmut Wiegand mit einem Strahlen in den Augen. „Wir wissen also, wofür wir hier kämpfen und warum wir das Thema weiter wachsam begleiten werden.“

Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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