Oftersheim. Schnurgerade kommen Leimbach und Landgraben am südöstlichen Ortsrand von Oftersheim an: In der Ferne sind die A5 sowie Sandhausen und Leimen zu erahnen, wo sich beide Bäche kreuzen, nachdem sie bereits einen längeren Weg aus dem Kraichgau hinter sich haben. Nicht nur diese künstliche Aquädukt-Lösung zeigt bereits deutlich, dass beide Wasserläufe massiv von Menschenhand geformt sind.
Auch kurz vor dem Zusammenfluss von Leimbach und Landgraben unmittelbar vor Oftersheim ist kaum Natürlichkeit zu erkennen: Steile, teils mit Steinplatten eingefasste Uferböschungen lassen Tieren und Wasserpflanzen wenig Lebensraum. Nur langsam fließt das trübe, schlammige Wasser Richtung Ortskern.
Doch das soll sich nach den Plänen des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe ändern. Im Zuge der Ökologie- und Hochwasserschutzkonzeption Leimbach-Hardtbach sollen nicht nur die beiden namensgebenden Gewässer grundlegend umgestaltet werden, sondern im fünften und letzten Schritt auch Leimbach und Landgraben im Bereich von Oftersheim auf rund fünf Kilometern Länge zusammengelegt werden (wir berichteten mehrfach). Stand März 2022 rechnet das Land dabei mit Kosten von etwa 15,2 Millionen Euro.
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Ziel des Gesamtvorhabens ist es, den sogenannten 100-jährlichen Hochwasserschutz zu verbessern – also Vorsorge für seltene, aber besonders starke Regen- und Überflutungsereignisse zu treffen. Denn das Gebiet östlich des Rheins wurde bekanntlich erst vor wenigen Jahrhunderten durch intensive Eingriffe des Menschen nutz- und besiedelbar gemacht. Ohne die künstlichen Gräben und Bachläufe würde es hier heute noch eine sumpfige Auenlandschaft geben.
Im Bereich von Oftersheim geht es allerdings in erster Linie darum, „die Gewässerökologie am Leimbach im Sinne der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie deutlich aufzuwerten“, betont das RP auf Nachfrage dieser Zeitung. Als zusätzliche, wenn auch eher untergeordnete Ziele sollen „die Erlebbarkeit des Gewässers für Bürgerinnen und Bürger“ verbessert sowie die Gewässerpflege und die Mahd der Dämme durch den Landesbetrieb Gewässer erleichtert werden.
Vorplanungen für Zusammenlegung in Oftersheim seit 2017
Dieser im RP angesiedelte Landesbetrieb ist auch für die Umgestaltung verantwortlich und hat, nachdem die Vorplanungen bereits 2017 starteten, im August vergangenen Jahres die Antragsunterlagen für die Zusammenlegung des Leimbachs und des Landgrabens bei der Unteren Wasserbehörde im Landratsamt Rhein-Neckar eingereicht. Diese muss die entsprechenden Genehmigungen erteilen.
Aktuell läuft dort noch immer das Planfeststellungsverfahren – und bis zu einem Beschluss wird es wohl auch noch bis in die zweite Jahreshälfte 2024 dauern, wie eine Sprecherin des Landratsamtes jetzt auf Nachfrage erklärte.
„Mittlerweile konnte die Anhörung der Träger öffentlicher Belange abgeschlossen werden. Die eingegangenen Anregungen und Stellungnahmen werden derzeit geprüft. Als Nächstes steht dann die Offenlage der Unterlagen in den betroffenen Gemeinden an“, heißt es weiter aus dem Landratsamt.
Die lange Dauer des Verfahrens ergibt sich insbesondere durch die vielen „Träger öffentlicher Belange“, wie es im schönsten Amtsdeutsch heißt. Gemeint sind sämtliche Behörden und Kommunalverbände, die in ihren Zuständigkeiten von den Plänen in irgendeiner Weise betroffen sind – und das sind einige, verlaufen die beiden Gewässer doch unter verschiedenen Straßen hindurch und über mehrere Ortsgrenzen hinweg. Hinzu kommen wasserrechtliche und umwelttechnische Auswirkungen, tangierte Versorgungsleitungen und weitere Auswirkungen, die ein solches Projekt mitten in der dicht besiedelten Rhein-Neckar-Region eben mit sich bringt.
Offenlegung in betroffenen Gemeinden als nächster Schritt
Eine Beteiligung der Bürger an den Planungen ist ebenfalls vorgesehen und soll in den kommenden Monaten stattfinden – genaue Termine stehen allerdings weiterhin nicht fest. „Im nächsten Schritt werden die Antragsunterlagen, wie formal vorgeschrieben, offengelegt. In diesem Rahmen können die Bürger und die Grundstückseigentümer ihre formalen Einwendungen einbringen“, erklärt das RP. Der Landesbetrieb Gewässer werde außerdem zusätzlich eine öffentliche Informationsveranstaltung organisieren, heißt es aus Karlsruhe.
Sämtliche Einwendungen – sowohl von den Trägern öffentlicher Belange als auch von Bürgern – werden dann vom Landratsamt geprüft und münden schließlich in etwa einem Jahr in den offiziellen Planfeststellungsbeschluss. Gegen diesen können Betroffene allerdings danach noch vor Gericht klagen.
Als Knackpunkte dürften sich dabei im Bereich von Oftersheim zwei Problembereiche erweisen. Zum einen gehen durch die Pläne knapp 15 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche verloren, wie das RP bestätigt. Gleichzeitig betont die Behörde, dass diese Grundstücke sich zu knapp 97 Prozent in Landesbesitz befänden, lediglich der Rest müsse erworben werden.
Aus Sicht des Regierungspräsidiums ergibt sich deshalb aus dem Wegfall der Ackerflächen kein Problem. Wörtlich schreibt das RP: „Der Verlust von fast 15 Hektar landwirtschaftlicher Fläche lässt auf den ersten Blick eine Betroffenheit der im Rückhalteraum wirtschaftenden Betriebe vermuten. Bei näherer Betrachtung ist jedoch ersichtlich, dass die im Planungsraum betroffene Landwirtschaftsfläche – außer knapp 0,5 Hektar – sich bereits im Eigentum des Landes befindet.“
Daraus leitet das RP ab: „Die Inanspruchnahme der landwirtschaftlichen Flächen löst keine Existenzgefährdungen aus, da es sich überwiegend um Pachtflächen handelt, welche gerade nicht zu einer langfristigen Existenzsicherung herangezogen werden dürfen.“ Entsprechend wird es laut Landratsamt auch keine Ausgleichsflächen für die betroffenen Betriebe geben. Ob allerdings die betroffenen Landwirte das Thema tatsächlich derart entspannt sehen, bleibt abzuwarten.
Die zweite Schwierigkeit könnte sich bei der Oftersheimer Kleingartenanlage ergeben, die sich ausgerechnet auf der lang gezogenen Insel zwischen Leimbach und Landgraben befindet. Durch die Zusammenlegung müssen diese Parzellen komplett weichen. Das RP bestätigt auf Nachfrage, dass der Bereich der Kleingartenanlagen bislang noch nicht vom Land aufgekauft worden ist, sieht aber Möglichkeiten für einen Umzug der Anlage. „Bis auf ein Flurstück könnte der Bereich vollständig durch einen angrenzenden Flächentausch ausgeglichen werden“, heißt es aus Karlsruhe.
Dadurch würden allerdings die gewachsenen Strukturen der Kleingartenanlage verloren gehen – und während der auf drei Jahre geschätzten Bauzeit würde es wohl erhebliche Beeinträchtigungen geben. Entsprechende Einwände von Betroffenen sind also durchaus denkbar.
Personal- und Geldschwierigkeiten beim Regierungspräsidium
Doch ganz abseits aller Pläne und laufender Genehmigungsverfahren: Wann es dann im besten Falle tatsächlich zu einer Umgestaltung von Leimbach und Landgraben kommt, ist derzeit aus einem weiteren Grund noch völlig ungewiss. Das RP betont auf Anfrage dieser Zeitung mehrfach: „Neben dem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss ist die Umsetzung auch von den Personal- und Finanzressourcen des Landes abhängig. Die Maßnahme bei Oftersheim befindet sich derzeit im Verfahren, insofern ist aktuell nicht absehbar, wann die Maßnahme baulich umgesetzt werden kann.“
Neben der aktuellen schwierigen wirtschaftlichen Lage auf Bundes- wie auch auf Landesebene, für die es keine Aussicht auf rasche Besserung gibt, könnte außerdem die Reihenfolge der einzelnen Maßnahmen Konsequenzen haben. Denn die fünfteilige Hochwasserschutzkonzeption Leimbach-Hardtbach ist in anderen Teilen bereits deutlich weiter fortgeschritten, und so konkurrieren die einzelnen Projekte quasi um die Mittel des Landes.
Bereits im Jahr 2000 wurde in Nußloch ein Hochwasserrückhaltebecken in Betrieb genommen, in den folgenden Jahren außerdem der Ausbau des Hardtbachs und der Bau eines großen Polders abgeschlossen. In der Umsetzung befindet sich derzeit ein Teilstück des Leimbachs bei Waldangelbach, wobei das RP hier noch von drei Jahren Bauzeit ausgeht.
Zurückhaltung in Karlsruhe
Der Ausbau des Leimbach-Oberlaufs zwischen Wiesloch und dem Hochwasserrückhaltebecken Nußloch sowie der Ausbau des Leimbach-Unterlaufs bis zur Kirchheimer Mühle in Sandhausen sind hingegen aktuell im Planfeststellungsverfahren. Für die konkrete Umsetzung verweist das RP auch hier auf die Personal- und Finanzressourcen des Landes. „Aktuell ist nicht absehbar, wann die Maßnahmen baulich umgesetzt werden können“, heißt es zurückhaltend aus Karlsruhe.
Wie lange Leimbach und Landgraben am Ortsrand von Oftersheim also noch getrennt und wenig naturnah vor sich hinplätschern werden, ist bis auf Weiteres völlig unklar. Frühestens in einigen Jahren scheint eine Umsetzung realistisch. Für die betroffenen Landwirte und Kleingärtner geht es in den kommenden Monaten trotzdem um die Zukunft dieses Gebiets. Denn zumindest perspektivisch werden bald die Weichen gestellt, diesen Teil von Oftersheim grundlegend umzugestalten.
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