Gedenken

Volkstrauertag in Oftersheim: Die Ehrfurcht vor dem Leben stärken

Bürgermeister Pascal Seidel betont bei der Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof, dass jedes einzelne Opfer von Krieg und Terror eines zu viel sei.

Von 
Stefan Kern
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Pascal Seidel, Bürgermeister von Oftersheim, und Michael Barth-Rabbel, Diakon der Katholischen Kirchengemeinde Oftersheim, legen zum Gedenken an den Volkstrauertag einen Kranz nieder. © Andreas Gieser

Oftersheim. So wirklich im öffentlichen Bewusstsein ist dieser besondere Tag nicht mehr. Ja, so meint der Diakon Michael Barth-Rabbel, viele Menschen könnten mit dem Volkstrauertag nicht mehr viel anfangen. Und das, so attestierte Bürgermeister Pascal Seidel, stünde zudem umgekehrt proportional zu seiner Bedeutung.

Nicht jetzt erst, aber gerade seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2021 sowie nun nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober, sei dieser Tag wichtig wie nie. Trotz des „Nie wieder“, das gerade in Europa doch so allgegenwärtig gewirkt habe, sei der Krieg aktuell beinah wieder allgegenwärtig. Und genau dagegen brauche es dieses Symbol des Volkstrauertages, das in den Augen Seidels eines der mächtigsten Zeichen für Frieden darstelle.

Volkstrauertag in Oftersheim: Bilder aus dem Weltenbrand

Umrahmt vom Chor des Sängerbundes Liederkranz unter Leitung von Thomas Kästner, dem Musikverein Oftersheim mit Dirigenten Erik König und einer sehr eindrücklichen Bilderschau mit Kriegsfotografien von früher und heute, ließ der Bürgermeister in seiner Rede in der Trauerhalle keinen Zweifel daran, dass überall auf der Welt viel zu viele Menschen Opfer von Krieg und Terror würden.

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Ukraine, Nahost, Afghanistan, Syrien, Tigray in Äthiopien, Afghanistan und Jemen seien nur einige hervorstechende Beispiele, die das unermessliche Leid und die Sinnlosigkeit im Zuge von Gewalt und Krieg offenbarten.

Der Musikverein Oftersheim unter der Führung von Dirigent Erik König spielt zum Abschluss der Gedenkfeier zum Volkstrauertag die Deutschland- und Europa-Hymne. © Andreas Gieser

Diese sich andauend drehende Spirale aus Hass und Gewalt beschrieb in den Augen Seidels niemand besser als der österreichische Schriftsteller Karl Kraus in seinem legendären, 1922 erschienen Buch „Die letzten Tage der Menschheit“. „Alles, was gestern war, wird man vergessen haben. Was heute ist, nicht sehen. Was morgen kommt, nicht fürchten. Man wird vergessen haben, dass man den Krieg verloren, vergessen haben, dass man ihn begonnen, vergessen haben, dass man ihn geführt hat. Darum wird er nicht aufhören.“

Volkstrauertag in Oftersheim: Keine Selbstverständlichkeit

Klarer könne man die Bedeutung des Volkstrauertages kaum erfassen. Frieden und Freiheit seien keine Selbstverständlichkeiten und es liege an jedem einzelnen Menschen, dieses Duo zu erhalten. Dafür forderte der Bürgermeister, 109 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges und 84 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, den bedingungslosen Einsatz für Demokratie, Menschenrechte und Toleranz.

Bürgermeister Pascal Seidel und Michael Barth-Rabbel, Diakon der Katholischen Kirchengemeinde Oftersheim, beziehen mit ihren Reden klar Stellung zum Volkstrauertag auf dem Oftersheimer Friedhof. © Andreas Gieser

Eine Sicht, die der Diakon teilte. Beim Kampf um die Demokratie und die Freiheit komme es auf jeden Einzelnen an. Und das Fundament dieses Kampfes sei die Erinnerung an das, was wirklich war. Leider gebe es in Deutschland Kräfte, die diese Erinnerung schwächen wollten. Eine Schwächung, die am Ende nur wieder Ausgrenzung und Gewalt befördere.

Für Barth-Rabbel genau wie für den Ortsvorsitzenden des Sozialverbandes VdK, Peter Mark, ist dieser Tag ein Moment des Mahnens – für die Opfer von Krieg und Gewalt sowie für das Leid der Menschen überall auf der Welt. Am Ende sei der Volkstrauertag ein Tag, mit dem die Ehrfurcht vor dem Leben gestärkt werden soll. Leider, so Mark, gebe es überall wieder Spalter und Populisten, die die Hassspirale in Gang setzen wollten.

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Für Mark ist es auch der VdK, der sich diesen Menschen in den Weg stellt. Frei nach der Redewendung aus dem Alten Testament: „Denn sie säen Wind und werden Sturm ernten“, gelte, wer Verachtung und Ausgrenzung säe, werde Krieg und Gewalt ernten. Dagegen stünde einzig das unermüdliche Engagement der Vielen für Frieden, Freiheit und soziale Gerechtigkeit.

Letzteres ist für Mark das Fundament einer anständigen Gesellschaft, die niemand ausgrenze, niemanden hasse und damit Gewalt nicht zulasse. Mit der Kranzniederlegung und der deutschen sowie der europäischen Hymne endete dieses eindringliche musikalische und rhetorische Leuchtfeuer für den Frieden aus Oftersheim.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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