Sonderführung - Dr. Christoph Bühler zeigt den Teilnehmenden auf, wie nachhaltig der Schlossgarten schon zu Zeiten des Kurfürsten war / Energie aus der Wasserkraft

Alles ist in einer steten Bewegung

Von 
Volker Widdrat
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„Sie sind jetzt im Paradies, in Arkadien, einer idyllischen Landschaft im antiken Griechenland“, so begrüßt Dr. Christoph Bühler die 25 Teilnehmer der Schlossgartenführung zum Thema Nachhaltigkeit. Zwei kurzweilige Stunden lang erzählt er dann über des „Kurfürsten ökologischen Fußabdruck“, über Energie und Wasserkraft, über Wasserspiele und exotische Früchte und Pflanzen sowie die Kraft der Sonne, die alles in Gang hält.

Bevor dann die Tour im Zirkelparterre startet, skizziert Bühler noch kurz die Entstehung der Sommerresidenz der pfälzischen Kurfürsten des 18. Jahrhunderts. Die Schlossachse als gedachte Linie zwischen dem Gipfel des Königstuhls bei Heidelberg und der Erhebung der Kalmit bei der Ortschaft Maikammer bildet die Symmetrieachse der Gartenanlage.

Schwetzingen

Schlossgarten Schwetzingen: Schon der Kurfürst mochte es nachhaltig

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„Nichts im Garten ist so, wie es aussieht“, erwähnt Bühler einige Regeln des Barockgartens als Garten Eden. Alles ist im Fluss. Alles bewegt sich. Ein ewiger Kreislauf zwischen Werden und Vergehen, zwischen Morgen und Abend. Auch die Welt des Schlossgartens besteht aus den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde. Alles ist geometrisch angelegt. Die Wegachsen werden an ihren Enden von Statuen begrenzt.

Kunstvolle Ornamente angelegt

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Im barocken Kreisparterre liegen Teppiche aus grünem Rasensamt, verziert mit dekorativen Blumenbeeten und kunstvollen Ornamenten aus farbigem Kies sowie Medaillons von Springbrunnen, eingefasst von kleinen Buchshecken als Bordüre. Bepflanzung und Florwechsel orientieren sich heute streng an Vorlagen des 18. Jahrhunderts. Etwa 110 Gärtner des Kurfürsten kümmerten sich dreimal im Jahr um eine Neubepflanzung. Tulpen waren damals ein Zeichen von Wohlstand. Wenn sie vom sogenannten „Tulpenfeuer“ befallen waren, musste man zehn Jahre mit einer Neubepflanzung warten.

Als Kurfürst Carl Philipp im Jahr 1718 in die Kurpfalz kommt, lässt er Schwetzingen als Sommerresidenz und Jagdschloss ausbauen. Der Garten erstreckt sich zunächst nur bis zum Arionbrunnen. Carl Theodor lässt den Garten im französischen Barockstil erweitern. Darüber hinaus wird einer der ersten englischen Landschaftsgärten in Deutschland angelegt.

Auf verwunschenen Wegen

Boskette und Angloisen laden zu Spaziergängen ein. Zwischendrin setzen Skulpturen strahlend weiße Akzente. Vasen, Urnen und Obelisken zeugen von Vergänglichkeit und Tod. Die höfische Gesellschaft geht auch die verwunschenen Wege. Hier geht es nicht um „sehen und gesehen werden“ – eher ums Gegenteil. Baronin und Graf nutzen den Gartenbereich als Kommunikationsplattform. „Junge Leute kommen an den Hof, damit sie sich hier kennenlernen“, erzählt der Gästeführer vom höfischen Miteinander. Diese Art von „Flirten“ habe als Umgangsform einfach dazugehört.

Im Zentrum des Kreisparterres prangt das große Bassin des Arionbrunnens. Die gut 15 Meter hohe Fontäne wurde im 18. Jahrhundert durch eine bemerkenswerte Hebetechnik ermöglicht. 1756 reisten Brunnenmeister Thomas Breuer und Hofbildhauer Peter Anton von Verschaffelt nach Versailles, um die dortigen Brunnenanlagen zu besichtigen. Brunnen und Fontänen werden später durch das untere Wasserwerk betrieben. Das hölzerne Schaufelrad transportiert das gestaute Wasser des Leimbachs in ein erhöhtes Reservoir. Zugleich überträgt es die Wasserkraft des Bachs auf andere Getriebe, wie etwa die große Knochenmühle. Das Knochenmehl nutzte man zur Herstellung von Leim.

Warmes Wasser im Badhaus

„Der Leimbach war damals der pure Energieträger“, so Bühler weiter. Um 1770 kann der Kurfürst in seinem Badhaus sogar im warmen Wasser stehen. Heute werden die Fontänen mit modernen Pumpensystemen in die Höhe gebracht. Grundwasser wird in Wasserbehälter im Dachgeschoss gepumpt und von dort über ein Leitungsnetz verteilt. So liefert das untere Wasserwerk sauberes Grundwasser mit gleichmäßigem Druck.

Der Klimawandel stellt auch den Schlossgarten vor immer neue Herausforderungen. Die meisten Bäume sehen recht jung aus, weil sie alle gleichzeitig nachgepflanzt wurden. Alte Bäume müssen aber inzwischen gestützt werden. Die Trockenheit der vergangenen Sommer hat ihnen zugesetzt. Der Grundwasserspiegel ist weiter abgesackt. Das Oberflächenwasser fehlt. Andere Stämme wurden schon vom Sturm geknickt. Die Kastanien werfen jährlich als erste ihre braunen Blätter ab.

Die bekanntesten Skulpturen sind die wasserspeienden Hirsche im Mittelparterre. Hirsche, die von Hunden niedergerungen werden und so das Jagdthema aufgreifen. Der sterbende Hirsch dient dabei als Sinnbild des Abends.

Aber jeden Morgen geht die Sonne wieder auf über dem Schlossgarten, zitiert Bühler dann ein Gedicht von Heinrich Heine: „Das Fräulein stand am Meere und seufzte lang und bang, es rührte sie so sehre, der Sonnenuntergang. Mein Fräulein, sein Sie munter, das ist ein altes Stück; hier vorne geht sie unter, und kehrt von hinten zurück.“ Der Gästeführer zieht so immer wieder seine Zuhörer mit humorvollen Worten in seinen Bann. Wer die Kunst des Gartens begreife, der könne nur nachhaltig denken, meint Bühler.

Die 1762 gebaute Orangerie war das Haus für Orangen und andere Zitrusfrüchte, um die exotischen Gewächse vor den kalten Temperaturen im Winter zu schützen. Wer damals im Frühling durch Wolken von Orangenduft wandelt, wird geradezu davon betört. Orangen finden beispielsweise für Gelee und Marmelade oder als Likör Verwendung. Die Pflege ist sehr aufwendig. „Der Orangenbaum wird in der damaligen Zeit zum Symbol für Unendlichkeit und Unsterblichkeit“, sagt Bühler. „Das Wasser aus dem Arionbrunnen fließt in den Wasserlauf der Orangerie. Alles Wasser im Schlossgarten fließt, es gibt kein stehendes Gewässer“, berichtet er weiter. Die Energieversorgung besteht dabei zu 100 Prozent aus Ökostrom.

Der Apollotempel krönt das ab 1762 von Nicolas de Pigage errichtete Naturtheater. Sechs schneeweiße Sphinxe bewachen den Zuschauerraum. Die Skulpturen zeichneten sich durch realistisch dargestellte Gesichter aus – das zeigt Bühler den Gästen. Hier lauscht die höfische Gesellschaft um Carl Theodor den Opern. Der kleine Rundtempel ist dem Gott des Lichts und der schönen Künste geweiht. Die Darstellung des Sonnenmotivs am Geländer der Terrasse weist ebenfalls darauf hin.

Als Carl Theodor 1778 nach München geht, bestimmt er, dass sein Schlossgarten in Schwetzingen weiter gepflegt werden soll. Einige Gebäude werden sogar erst nach seinem Weggang errichtet. „Auch das ist Nachhaltigkeit“, meint Bühler.

Wie Natur – und doch nach Plan

Gegenüber dem Barockgarten erscheint der englische Landschaftsgarten wie Natur, ist aber doch nach einem bestimmten Plan gestaltet. Im Wasser des Großen Weihers, der 2010 zum letzten Mal zugefroren gewesen ist, sei das Spiegelbild oft nicht von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Der dunkle Merkurtempel in der Nähe ist eine künstlich angelegte Ruine. Verfallen und düster weise der Turm auf die Vergänglichkeit des Menschen und seiner Werke hin.

Dem Merkurtempel steht die Moschee gegenüber. Der prächtige Bau symbolisiert das Leben und den Tag. Bühler fordert die Gruppe auf, den Punkt zu suchen, von dem aus man die Moschee in ihrer ganzen Breite und Pracht sehen kann. So einen Punkt gibt es nämlich nicht. Beide Minarette sind nie auf einmal zu sehen. „Sie müssen sich bewegen, körperlich und geistig, um Neues zu entdecken“, erklärt der Schlossgartenführer.

Wer die verschlungenen Wege gehe, müsse stets in Bewegung bleiben, wenn er überrascht werden will. Als nach 1700 die „Türkenmode“ ihren Siegeszug antritt, wird die Gartenmoschee als orientalische Kulisse zum Ausdruck der Aufklärung des kurpfälzischen Hofes unter Carl Theodor. Die Sinnsprüche an der Fassade und im Innern vermitteln Lebensweisheiten und Gedanken der Toleranz und der Vernunft. Die Verweise auf unterschiedliche Religionen sollen zudem den Betrachter anregen. „Es gibt keinen größeren Ort im Schlossgarten mit der Aufforderung zum Denken“, verabschiedet sich Dr. Christoph Bühler von seinen Gästen.

Info: Eine Bildergalerie gibt’s unter www.schwetzinger-zeitung.de

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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