Frauen in Schwetzingen

Auf Spuren von berühmten Frauen in Schwetzingen

Die Grünen laden zum historischen Stadtspaziergang in Schwetzingen ein, bei dem Dr. Martina Rothley Persönlichkeiten vorstellt.

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Pressemitteilung Grüne
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Auf dem südlichen Schlossplatz stellt Historikerin Dr. Martina Rothley (mit blauer Kappe) die Astrophysikerin Hanna von Hoerner vor. © Kalliope Eberhardt-Rittmann

Schwetzingen. Wer waren sie und wo lebten sie? Die Frauen, die die Stadtgeschichte von Schwetzingen prägten, deren Spuren sich im Stadtbild aber kaum wiederfinden? Denn es gibt in der jüngeren und älteren Geschichte durchaus Frauenpersönlichkeiten, die es wert sind, nicht vergessen zu werden.

Für die Schwetzinger Grünen der Anlass, einen Stadtspaziergang zu organisieren, der bei strahlendem Sonnenschein am Schlosstor startete. Als Referentin konnten die Grünen Dr. Martina Rothley gewinnen. Die studierte Historikerin kandidiert auf Listenplatz sieben für den Gemeinderat und wohnt in der Nordstadt. Sie stellte den Teilnehmerinnen exemplarisch fünf Frauen vor, deren Leben und Wirken eng mit Schwetzingen verbunden ist: Agana, die mit der Schenkung ihrer Besitztümer in Suezzingen an das Kloster Lorsch 766 quasi den Grundstock für das heutige Schwetzinger Stadtgebiet legte, Luise von Degenfeld, die zweite Frau des Kurfürsten Karl I. Ludwig, sowie Clementine Bassermann, Marie Maisenhölder und Hanna von Hoerner.

Sich unabhängig machen

Beim Schloss stellte Dr. Rothley Agana und Luise von Degenfeld (1634-1677) vor, deren Rollen nicht unterschiedlicher hätte sein können. Hier die selbstbewusste merowingische Stifterin, die ihre Ländereien 766 dem Heiligen Nazarius vom Kloster Lorsch übereignete – dort die erste ständige Bewohnerin des Schwetzinger Schlosses, die erst von Vater und Bruder, dann vom Ehemann abhängig war.

Agana steht in der spätantiken Rechtstradition der Merowingerzeit, die Männer und Frauen rechtlich und ökonomisch weitgehend gleichstellte. Später geht diese Gleichstellung für viele Jahrhunderte verloren. Luise von Degenfeld entstammte einer schwäbischen Reichsritterfamilie und kam mit 18 als Kammerfrau der Kurfürstin Charlotte von Hessen-Kassel an den Heidelberger Hof.

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Der wesentlich ältere Kurfürst machte sie 1653 zu seiner Geliebten. Vier Jahre und zahllose Auseinandersetzungen später verstieß er die Kurfürstin und löste als oberster Kirchenherr der Pfalz die Ehe auf. Er heiratete Luise und überließ ihr die Schwetzinger Wasserburg als Wohnstatt. Die Ehe war nicht standesgemäß, da Luise aus dem niederen Adel stammte – damals ein echter Skandal. Sie lebten ein fast bürgerliches Idyll: Er kam am Wochenende ins Schloss, schickte Geschenke, sie strickte ihm warme Socken. Luise brachte 13 Kinder zur Welt und starb 1677 bei der Geburt des 14. Kindes.

Einblick in das Leben von Franzisksa Danzi Lebrun

Anschließend gab Rothley Einblicke in das Leben von Franziska Danzi Lebrun (1756-1791), eine zu ihrer Zeit sehr geschätzte Sopranistin, Komponistin und Klaviervirtuosin, die in der Carl-Theodor-Straße 3, dem heutigen Sitz der Volksbank, aufwuchs. Sie war die Tochter des Veroneser Violoncellisten Innocenz Danzi und Schwester des Komponisten Franz Danzi. Dank überdurchschnittlicher musikalischer Begabung debütierte sie bereits 1772 mit 16 Jahren am Theater in Schwetzingen. Fünf Jahre später avancierte sie zur Primadonna der Mannheimer Oper als Pfalzgräfin Anna in der deutschen Oper „Günther von Schwarzburg“ von Ignaz Holzbauer.

Da sie dort mit 400 Gulden pro Jahr wenig verdiente, ging sie auf Europa-Tournee, um sich ihren Brautschatz zu verdienen. Sie heiratete den gefeierten Oboe-Virtuosen Ludwig August Lebrun und bekam zwei Töchter, die ebenfalls als Musikerinnen tätig waren. 1780 erschienen ihre ersten Sonaten für Cembalo und Violine. In Wien traf sie Mozart, dessen Vater bezeugt, dass „die Lebruns in drei erstaunlichen Konzerten erschröck: viel Geld einnahm“ – nämlich 2500 Gulden.

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Die einzige Ehrenbürgerin Schwetzingens lernte die Gruppe beim Ysenburg’schen Palais in der Forsthausstraße kennen. Hier lebte Clementine Bassermann (1825-1910), die als Wohltäterin bekannt wurde. Obwohl aus einer wohlhabenden Familie stammend, war die 23-jährige Clementine nach dem Tod der Eltern mittellos. Sie ließ sich im Elsass zur Lehrerin ausbilden und nahm eine Anstellung im Hause des reichen Weinhändlers Jordan in Deidesheim an. Dort lernte sie ihren späteren hochgebildeten, aber lebensuntüchtigen Mann Gustav Bassermann kennen, einen reichen Bankierssohn, der stolze 80 000 Gulden mit in die Ehe brachte. Im September 1864 zog das Ehepaar mit seinen drei Kindern ins beschauliche Schwetzingen, ins Ysenburg’sche Palais. Während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 richtete der Frauenverein unter Leitung Clementines ein Reservelazarett in den Zirkelsälen des Schlosses für deutsche und französische Soldaten ein. Nach dem Tod ihres Mannes spendete sie große Summen für Arme, das städtische Spital, eine Kleinkinder- und eine höhere Töchterschule. Sie ließ Sozialwohnungen im zugekauften kurfürstlichen Waschhaus errichten und 1897 wurde das Armen- und Krankenhaus in der Hildastraße eingeweiht. Clementine wurde für ihre Wohltätigkeit zur Ehrenbürgerin ernannt.

Großes soziales Engagement

Dieses soziale Engagement hatte sie mit Marie Maisenhölder (1906-1998) gemeinsam. Schwetzingens erste und langjährige SPD-Stadträtin kannten einige der Teilnehmerinnen noch persönlich. Sie wurde als Marie Blaull in eine kinderreiche Arbeiterfamilie geboren. Für eine höhere Schulbildung war kein Geld vorhanden. Daher engagierte sie sich schon früh in der von Marie Juchacz 1919 gegründeten Awo. Sie trat in die SPD ein, wo sie den Arbeitersohn Paul Maisenhölder kennenlernte und 1930 heiratete. In der NS - Zeit kam Paul erst in politische Haft, dann an die Front. Marie durfte nicht arbeiten und engagierte sich ehrenamtlich und sozial, besonders für Kinder und Mütter.

Nach dem Krieg organisierte sie die Hoover-Speisung von Kindern und Jugendlichen in der Hildaschule. Sie wurde Frauenbeauftragte der SPD und 1956 Gemeinderätin, ab 1975 stellvertretende Bürgermeisterin. Sie wurde immer wiedergewählt, bis sie sich 1984 aus dem Amt zurückzog. Schon 1963 wurde sie Vorsitzende der Awo und engagierte sich als Gemeinderätin in verschiedenen Sozialausschüssen. 1984 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. Marie Maisenhölder starb 1998 nach Jahren der Krankheit im Alter von 91 Jahren.

Berühmtheit mit Sitz am Schwetzinger Schlossplatz

Der Rundgang endete am Schlossplatz. Dort hat das von der Astrophysikerin Hanna von Hoerner (1942-2014) gegründete Unternehmen Hoerner & Sulger seinen Firmensitz. Von Hoerner war zu ihrer Zeit europaweit die einzige Frau in leitender Position in der Raumfahrtindustrie. Als Spross des weltberühmten Astrophysikers Sebastian von Hoerner in Görlitz geboren, kam sie schon früh mit bedeutenden Wissenschaftlern in Berührung. Hanna studierte 2,5 Jahre Elektronik in den USA und arbeitete als Forschungsassistentin am größten Radioteleskop der Welt. Von Hoerners größter Erfolg ist die Entwicklung des Staubmassenspektrometers Cosima, das Staubkörner auf unterschiedlich weit entfernten Kometen sammelt, analysiert und die Ergebnisse an die Erde funkt. Für ihre Leistungen wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet.

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Dr. Rothley sagte, bei ihren Recherchen sei sie noch auf weitere Frauen gestoßen, deren Leben mit Schwetzingen verwoben ist. Dabei verwendete sie das Buch „Schwetzinger Frauengeschichten“ als Quelle. Doch im Stadtbild finde man diese Frauen kaum erwähnt oder sie werden erst in zweiter Linie genannt. So wie Franziska Danzi Lebrun, die bei der Motivbank über die Künstlerfamilie Danzi auf dem Weg der Hofmusik Erwähnung findet. Nach Clementine Bassermann wurde eine Straße benannt.

Die Stadträtinen Dr. Susanne Hierschbiel, Kathrin Vobis-Mink, die auch Frauendelegierte des Kreisverbandes ist, und Anja Mohrmann hatten Fakten mitgebracht. So beträgt der Frauenanteil in der Bevölkerung 50,7 Prozent. In den Gemeinderäten in Baden-Württemberg sind jedoch nur 26,8 Prozent der Mitglieder Frauen. In Schwetzingen sieht das besser aus. Hier sind zwölf von 26 Gemeinderäten Frauen. Im neuen Gemeinderat wollen die Grünen dafür sorgen, dass die Frauen aus der Stadtgeschichte mehr Würdigung erfahren. zg

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