Schwetzingen. Als ich vor mehr als 20 Jahren zur Schwetzinger Zeitung kam, waren die SWR Festspiele eine Sache für einen elitären Kreis. Das Schwetzinger Schloss war Veranstaltungsort für das größte Klassik-Radio-Festival der Welt – es gab Konzerte und fulminante Opernaufführungen. Und zwei Chefs, die sich nicht immer grün waren. Gastronomie und Hotellerie profitierten von den vierwöchigen Gastspielen in der Spargelzeit, aber in die Stadt hinein strahlten die Festspiele kaum aus.
2017 gab’s eine Art Zeitenwende. Heike Hoffmann sorgte für frischen Wind bei den Festspielen. Herzerfrischend erzählte sie im Dezember im Freundeskreis der Festspiele, welche Künstler sie für die nächste Saison gewinnen konnte und mit dem Titel „Leidenschaft“ bekamen ihre ersten Schwetzinger Festspiele gleich ein Motto. Das war die erste Neuerung, blieb aber nicht die letzte. Denn vorher hatte den Festspielen eine Klammer gefehlt, eine Art roter Faden, der sich durchs Programm zieht. Da wurde den Komponisten, die einen runden Geburtstag feierten, ein Porträt gewidmet, die alte und die neue Oper hatten immer ihre Sonderstellung im Reigen.
Innovative Programmgestaltung und Künstlerengagement bei den Schwetzinger SWR Festspielen
„Ich wollte keine Jubiläen abfeiern. Es kann schnell für den Besucher langweilig werden, wenn ein Komponist an einem Abend abgearbeitet wird. Ich halte auch wenig davon, einfach bei den Agenturen fertige Programme einzukaufen. Mir war es von Anfang an ein Anliegen, im Vorfeld der Verpflichtung mit den Künstlern zu sprechen, die Programme gemeinsam zu entwickeln. Auch darüber, welche Stücke in den Kontext des Mottos passen könnten. Und die Begegnung von alter und neuer Musik macht es meiner Meinung nach spannend, ins Konzert zu gehen“, sagt mir Heike Hoffmann im Gespräch, das wir im „Theodors“ bei Tafelspitz und Kartoffeln führen.
Übrigens hat das noch zu einer besonderen Veränderung geführt. Der Kontakt zu den Künstlern, die in Schwetzingen aufgetreten sind, hat sich verstärkt: „Es sind über die Jahre echte Freundschaften entstanden. Die Musikerinnen und Musiker kommen gerne nach Schwetzingen, sie wissen auch, dass sie hier gefordert werden, dass nur hohe Qualität die Herzen des sehr fachkundigen Publikums öffnet und sie dann aber auch von den Besuchern gefeiert werden. Und auch, dass ein Konzert in Schwetzingen durch die Sendungen des SWR viel mehr Menschen erreicht, als im Saal sitzen“, sagt Hoffmann.
Schwetzinger SWR Festspiele als Rettungsanker in der Pandemie
Zum guten Image in Künstlerkreisen hat sicherlich auch das Verhalten in der Pandemie beigetragen. Viele Musiker saßen ohne Engagement zu Hause, ganze Orchester drohten in die Insolvenz zu gehen. Als Heike Hoffmann klar wurde, dass das Frühjahr als Spielzeit in der Pandemie nicht zu halten war, verlegte sie die Saison kurzerhand zweimal in den Frühherbst. Nicht alle Veranstaltungen ließen sich verschieben – etwa Opern und Musiktheater – aber damals waren alle für jede Auftrittsmöglichkeit dankbar und anderen half wenigstens ein Ausfallhonorar, das mit Spenden der Festspielbesucher finanziert wurde. Alle ausgefallenen Opern und Konzerte wurden dann in die Folgejahre verlegt.
Da hat sich auch gezeigt, wie eng doch inzwischen die Beziehung zwischen Stadt, Landkreis und den Festspielen geworden war. Oder besser gesagt zwischen Heike Hoffmann, Landrat Stefan Dallinger und Oberbürgermeister Dr. René Pöltl. „Es gab in dieser schwierigen Zeit immer einen kurzen Draht. Ich habe morgens gefragt, ob das oder jenes geht, und mittags hatte ich ein klares Ja oder Nein“, erzählt uns die künstlerische Leiterin. Das war im SWR nicht immer so einfach, dort hätte man die Kurzsaison zu Corona-Zeiten am liebsten verhindert. Aber wie das halt in großen Einheiten so ist, da muss man sich auch mal hinstellen, Ellenbogen ausfahren und einfach machen.
Wenn am Wochenende die SWR Festspiele zu Ende gehen, dann hat das Team um Heike Hoffmann eine Auslastung von 91 bis 92 Prozent erreicht – für das ziemlich verrückte und sich wirklich lohnende zeitgenössische Musiktheater „The whole True about Lies“ gibt es noch einige Tickets – gut 18 000 Besucher waren dann bei den knapp 50 Aufführungen. Das sind Werte, nach denen sich ähnliche Festivals die Finger lecken würden. Die finanzielle Lage ist stabil: „Wir schließen mit einem kleinen Gewinn“, sagt sie. Als Hoffmann damals die Leitung übernahm, mussten erst mal Schulden aus den Vorjahren abgearbeitet werden. Dabei hat der SWR seine jährlichen Einsparungen auch unter Hoffmann fortgesetzt, Kreis und Stadt aber haben die Zuschüsse erhöht und der Freundeskreis sammelte noch erfolgreicher Spenden ein.
Nachhaltige Vernetzung und Kooperationen sichern Zukunft
Ist denn der Etat für die Festspiele in Schwetzingen überhaupt auskömmlich? Heike Hoffmann bejaht das. Aber eben nur, wenn man wie sie auf Kooperationen setzt oder Geld für einzelne Veranstaltungen selbst einwirbt. Da kam ihr sicherlich ihre gute Vernetzung zugute, die sie schon nach Schwetzingen mitbrachte und die sie hier vertieft hat. Gerade bei den Auftragskompositionen oder beim Thema Musiktheater ist es natürlich ideal, wenn ein für Schwetzingen gemachtes Stück anschließend auch noch anderswo gespielt wird, wie dieses Jahr bei der Kooperation mit Luzern oder im kommenden Jahr mit dem Linzer Landestheater, wenn „Adam und Eva“ von Mike Svoboda uraufgeführt wird. Das hatte sie schon seit langer Zeit in Vorbereitung.
Aber jetzt sei es an ihrer Nachfolgerin Cornelia Bend, der früheren Geschäftsführerin des SWR Vokalensembles, das nächste Programm auf die Beine zu stellen. Heike Hoffmann hofft inständig, dass Niveau und Qualität gehalten werden können, damit das sachverständige Schwetzinger Festspielpublikum weiterhin gerne kommt. Hat sich das Publikum in ihrer Zeit eigentlich verjüngt? „Ich halte das ständige Schielen auf junges Publikum für einen Irrtum. In klassische Konzerte gehen eher die Älteren – und davon gibt es immer mehr. Mir war es aber auch wichtig, Hemmschwellen abzubauen, deshalb die Straßenkonzerte im ersten Jahr, die musikalischen Rundgänge in der Stadt, die kostenlosen Konzerte im Park, die musikalische Radtour dieses Jahr, vor allem aber die Familienaufführungen. Bei Besuchen unserer Künstler in den Schulen kommen viele Kinder erstmals in Kontakt zur Musik. Später gehen sie dann vielleicht mit den Großeltern zu einer Kindervorstellung oder mit den Eltern in die Familienaufführung bei den Festspielen. Da muss man immer ein hohes Niveau bieten, sonst gibt es Enttäuschungen“, sagt sie.
Stolz ist Hoffmann auf einige Errungenschaften, die sie einführen konnte. So etwa neue Spielorte, die Matineen der weltweit besten Streichquartette, die Grenzgänge in der Orangerie, bei denen sich besonders gut klassische und Musik anderer Genres begegnen konnten, oder die Klanginstallationen im Garten – „den Garten werde ich übrigens am meisten vermissen“. Und natürlich die Tradition der Residenzkünstler, die dann jeweils mit verschiedenen Besetzungen und Programmen zu erleben waren und an freien Tagen auch mal ins beschauliche Schwetzingen eintauchen konnten.
Abschied und Ausblick für Heike Hoffmann
Für die letzte Kuratoriumssitzung habe sie nochmals das Konzept herausgekramt, das sie damals bei ihrer Verpflichtung vorgestellt hatte: „Ich war überrascht, was wir alles geschafft haben. Mit diesem kleinen Team von fünf Festangestellten, vier Praktikanten, einem technischen Leiter und zwei Inspizienten. In einer Zeit, in der man kaum noch Freiberufler findet, die für sechs Wochen so ein Festival betreuen wollen, ist das eine tolle Leistung und dafür möchte ich allen, die in den Jahren dabei waren, herzlich danken.“ Aber zwei Sachen seien nicht gelungen, sagt Heike Hoffmann: Ein stärker kundenorientiertes Ticketing und eine festivaltaugliche Internetpräsenz. Da sei man einfach zu sehr an den SWR gebunden gewesen, wo anfangs nicht einmal die Verlinkung des Programms mit dem Ticketverkauf möglich gewesen sei. Nur ein Punkt, wo sie an die Grenzen gestoßen sei.
Ach ja: Was macht Heike Hoffmann künftig? „Nach den Festspielen erstmal Urlaub in Italien und dann sehe ich mal weiter. Der Kalender füllt sich gerade . . .“
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Risiko und Chance für die Schwetzinger Festspiele