Schwetzingen. Zur Urteilsverkündung wurde der Angeklagte am Dienstag in Handschließen und Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt. Am Vorabend soll er im Gefängnis in Mannheim randaliert haben. Als der 42-jährige Gambier, dem die Staatsanwaltschaft räuberischen Diebstahl, Widerstand, Körperverletzung und Beleidigung vorgeworfen hatte (wir berichteten), das Strafmaß von dreieinhalb Jahren hörte, blieb er ruhig. Die Strafkammer des Landgerichts hielt sich mit ihrem Urteil deutlich unter dem Antrag des Staatsanwalts, der sieben Jahre Haft gefordert hatte.
Das Gericht habe keine Zweifel am Sachverhalt gehabt, führte der Vorsitzende Richter Olaf Rinio in seiner Urteilsbegründung aus. Der Angeklagte habe sich in einer schwierigen finanziellen Situation befunden, als er im November vergangenen Jahres im Kaufland-Markt in Schwetzingen mehrere Diebstähle begangen hatte. An einem Tag hatte er ein Cordon bleu und eine Flasche Milch im Gesamtwert von etwa 5,70 Euro entwendet. Als er von Mitarbeitern zur Rede gestellt worden war, hatte er die Glasflasche als Bedrohungsmittel benutzt. Vier Tage später war es zu einer ähnlichen Situation gekommen, dieses Mal war die Sache allerdings eskaliert.
Als der 42-Jährige aufgefordert worden war, die Waren zu bezahlen, hatte er versucht, mit der Milchflasche zuzuschlagen. Einem Marktangestellten hatte er einen ein Kilo schweren Rinderbraten ins Gesicht geworfen. Als die herbeigerufenen Polizisten ihn festnehmen wollten, hatte er erheblichen Widerstand geleistet. Dabei waren zwei Beamte verletzt worden. Ob er die Polizeibeamten als „Rassisten“ oder die Festnahmehandlung als „rassistisch“ bezeichnet hat, habe das Gericht nicht klären können, so der Vorsitzende. Deshalb sei der Angeklagte auch nicht wegen Beleidigung verurteilt worden. Aber er hatte bei der zweiten Tat ein Teppichmesser mit Segmentklinge dabeigehabt.
Räuberischer Diebstahl im Kaufland Schwetzingen: Beamte mit Stuhl bedroht
Bei einem Vorfall im Mannheimer Gefängnis hatte der 42-Jährige zwei Justizbeamte mit einem über den Kopf gehobenen Stuhl bedroht. Sieben Beamte hatten den aggressiven Insassen schließlich überwältigt und in einen besonders gesicherten Haftraum geschleppt. Gemäß den Angaben eines psychiatrischen Sachverständigen könnte er damals „in einem Wahn gewesen sein“ und die Situation „womöglich vollkommen verkannt haben“.
Er könnte davon ausgegangen sein, die Beamten wollten ihn in seiner Zelle malträtieren. Die Kammer sei überzeugt, dass seine Steuerungsfähigkeit in diesem Moment aufgehoben gewesen sei, deshalb sei er von diesem Tatvorwurf freizusprechen gewesen.
Übriggeblieben war besonders schwerer räuberischer Diebstahl in zwei Fällen, auch mit einem gefährlichen Werkzeug, tätliche Angriffe auf Polizeibeamte und Körperverletzung. Zugunsten des Angeklagten spreche der geringe Warenwert des Diebstahls und sein abgelegtes Geständnis zum äußeren Sachverhalt.
Angeklagter in Schwetzingen sieht keine andere Möglichkeit, an Essen zu kommen
Er habe „subjektiv keine andere Möglichkeit gesehen, um an Essen zu kommen“. Er sei auch nicht einschlägig vorbestraft und schon seit geraumer Zeit in Untersuchungshaft. Der Gambier war im Oktober 2021 wegen sexueller Belästigung einer Frau in Ketsch zu einer Geldstrafe von 1000 Euro verurteilt worden. Dafür hatte er 50 Tage Ersatzhaft absitzen müssen. Der Asylbewerber, der 2015 von Libyen über Italien und Österreich nach Deutschland gekommen war, spreche nur leidlich Deutsch und habe einen „angegriffenen seelischen Zustand“, hieß es in der Urteilsbegründung weiter.
Der psychiatrische Sachverständige hatte ihm eine wahnhafte Störung bescheinigt, aber keine Anhaltspunkte für Schizophrenie gefunden. Für eine Unterbringung im Maßregelvollzug fehlten deshalb die Voraussetzungen.
Urteil im Fall von räuberischem Diebstahl im Kaufland Schwetzingen: Kammer muss lange diskutieren
Die Kammer sei „mit Bauchschmerzen“ zu einem minderschweren Fall des schweren räuberischen Diebstahls gekommen und habe über die beiden Vorfälle im Kaufland lange diskutieren müssen. Der 42-Jährige hatte wiederholt gesagt, dass er einfach trinken und essen könne, ohne zu bezahlen, obwohl er gewusst habe, „dass es ein solches Gesetz in Deutschland nicht gibt“.
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Er hatte in Schwetzingen zwei Jahre in einem Handwerksbetrieb und wenige Monate als Pflegehelfer in einem Seniorenheim gearbeitet und danach Arbeitslosengeld bezogen. Den tätlichen Angriff auf die Polizisten im Kaufland belegte das Gericht allein mit einer Einzelstrafe von eineinhalb Jahren.
Die Gesamtstrafe von dreieinhalb Jahren sei so tat- und schuldangemessen, schloss der Vorsitzende die Sitzung. Der 42-Jährige war „mit allem nicht einverstanden“. Die Zeugen hätten „ohnehin alle gelogen“. Er werde Revision einlegen, echauffierte er sich nach dem Urteil, „allerdings nicht mit diesem Anwalt, der mich gar nicht vertreten hat“. Auch gegen die Entscheidung zu den Gerichtskosten und die Kosten der Verfahrensbeteiligten kann er noch Beschwerde einlegen.
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