Schwetzingen. „Schwetzingen ist im IHK-Bezirk spitze bei der Kaufkraftbindungsquote.“ Zu diesem Urteil kam die Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar (IHK) in ihrer Kaufkraftanalyse für das Jahr 2023 in Städten zwischen 10 000 und 50 000 Einwohnern. Demnach weist die fünftgrößte Stadt des Rhein-Neckar-Kreises mit 7974 Euro eine überdurchschnittliche einzelhandelsrelevante Kaufkraft pro Kopf auf und generiert hohe Umsätze von auswärtiger Kundschaft, so die Analyse.
Dadurch kommt ein prognostizierter Umsatz von 13 124 Euro pro Einwohner zustande. Eine schöne Botschaft in Richtung Schwetzingen, seiner Händler und Stadtmarketing-Geschäftsführer Oliver Engert. Doch was genau verbirgt sich hinter diesen Zahlen und wie müssen sie realistisch interpretiert werden? Wir sprechen mit Oliver Engert darüber.
Herr Engert, wie bewerten Sie die IHK-Analyse zur Kaufkraft, die Schwetzingen in der Region als Spitzenreiter benennt?
Oliver Engert: Zunächst einmal liest sich so eine Überschrift natürlich gut und gibt Grund zur Freude. Es zeigt zudem, dass in der Vergangenheit viel richtig gemacht wurde und die Zusammenarbeit der verantwortlichen Akteure funktioniert. Im zweiten Schritt müssen wir jedoch das Ergebnis etwas genauer betrachten und richtig einordnen. Daraus ergibt sich für mich zunächst einmal eine sehr gute Prognose für 2023, wobei wir vergleichsweise hohe Umsätze von auswärtiger Kundschaft generieren. Des Weiteren profitieren wir von verkehrsgünstig gelegenen Fachmarktzentren mit starken Akteuren wie Möbel Höffner, Hornbach und Decathlon am Rande der Stadt. Zudem zeigt Schwetzingen – wie kürzlich auch im IHK-Innenstadtberater festgestelltem Ergebnis – dass es aus einer attraktiven Innenstadt mit attraktivem Nutzungsmix besteht.
Heißt das jetzt: „Juchu, wir müssen nichts tun, wir sind spitze“?
Engert: Im Gegenteil. Das gute Ergebnis liegt in unserer Stärke, Menschen von auswärts für Schwetzingen zu begeistern. Dies ist ein ständiger Prozess und kann sich durch gewisse Entscheidung wie schlechtere Erreichbarkeit oder fehlendes Angebot schnell ändern. Des Weiteren setzten wir bei der Kommunikation unserer Veranstaltungen und Aktionen verstärkt auf den handelsrelevanten Umkreis. Jede Aktion dient dazu, Menschen nach Schwetzingen zu holen, um sie dann von uns zu begeistern. Im besten Fall entstehen daraus treue und wiederkehrende „Fans“ mit Lieblingsgeschäften und Dienstleistern. Zudem tauschen wir uns eng mit den Fachmarktzentren außerhalb der Innenstadt aus und unterstützen gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung deren Anliegen. Der Aufwand und die Kosten für solche Projekte sind jedoch in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Des Weiteren kommen Investitionen in Digitalisierung, Sauberkeit, Personalkosten, Zusatzangebote und Erneuerungen hinzu. Daher bin ich auch sehr glücklich über die Budgeterhöhung für den Stadtmarketingverein nach dem zurückliegenden Gemeinderatsbeschluss. Ein erfolgreiches Gewerbe generiert wichtige Steuereinnahmen, schafft Arbeitsplätze sowie Wohlstand und bleibt daher die Grundlage für eine lebenswerte Stadt.
Einige auch große Einzelhändler sind nicht mehr vor Ort. Wie ist es grundsätzlich darum bestellt, derartige Lücken zu schließen?
Engert: Gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung versuchen wir schon früh zu unterstützen und zu agieren, wenn wir erfahren, das Leerstand droht. Zunächst ist es wichtig herauszufinden, was die Hintergründe sind. Oft sind es keine wirtschaftlichen Aspekte. Kein Nachfolger, gesundheitliche Gründe, private Veränderungen kommen häufiger vor, als man denkt. Sollte hierfür keine gemeinsame Lösung gefunden werden, unterstützen wir bei der Neuvermietung. Anfragen an die Stadt werden beispielsweise direkt an die entsprechenden Vermieter beziehungsweise Eigentümer weitergeleitet. Um vorübergehenden Leerstand – und somit auch ein schlechtes Bild – zu vermeiden, bieten wir verschiedene Möglichkeiten der Zwischennutzung an. Wie das aktuelle Kunstprojekt mit Workshops im ehemaligen Blumen Atelier in der Mannheimer Straße. Und natürlich helfen solche positiven Ergebnisse wie die aktuellen dabei, attraktive Einzelhändler für Schwetzingen zu gewinnen. Auf der anderen Seite steht jedoch die aktuell negative gesamtwirtschaftliche Situation.
Für welche Einzelhandelsbereiche oder auch darüber hinaus sehen Sie noch Potenzial in der Stadt?
Engert: Einkaufen ist mittlerweile zum Erlebnis geworden, wodurch es wichtig ist, dass für die ganze Familie etwas geboten wird. Persönlich bin ich ein Freund von kleinen Boutiquen, in welchen es immer wieder Neues zu entdecken gibt. Als Schwetzinger, der mitten in der Stadt lebt, lege ich zudem sehr viel Wert darauf, so viel wie möglich in Fuß- oder Fahrraddistanz erreichen zu können ohne auf den Onlinehandel oder das Auto zurückreifen zu müssen. Das funktioniert für mich schon mal sehr gut. Auch das Projekt Wochenmarkt haben wir gerade wieder neu in Angriff genommen.
Welche Geschäftsideen funktionieren Ihrer Ansicht nach hier nicht oder auch nicht mehr?
Engert: Ich würde nicht sagen, dass es pauschale Geschäftsideen gibt, welche hier nicht mehr funktionieren. Mit einer guten Idee, viel Engagement und persönlichem Einsatz ist alles möglich.
Es gibt seit Jahren auch Bereiche in der Stadt – Nebenarme der Carl-Theodor-Straße zum Beispiel – in denen manche Geschäftsideen nicht funktionieren. Haben Sie hierfür Ansätze?
Engert: Wir stehen zwar, was den prozentualen Anteil von Leerstand im Vergleich zu anderen Kommunen betrifft, sehr gut da, jedoch kämpfen auch wir gerade abseits der Toplagen mit einer niedrigen Frequenz. Hier versuchen wir, mit gezielten Aktionen und der Gestaltung von Eingangsbereichen die Straße zu unterstützen. Als Alternative steht noch das Konzept von Pop-up-Stores zur Verfügung. Solange jedoch aus privaten und sonstigen Gründen keine Bereitschaft zur Vermietung besteht, sind auch uns die Hände gebunden. Wir können nur immer wieder versuchen, in Gespräche zu kommen, damit nicht wie in der Friedrichstraße längere Abschnitte ohne Geschäfte entstehen.
Wenn Sie in die Zukunft blicken könnten, was wäre das optimistische Bild für den Schwetzinger Handel in zehn Jahren, was vermutlich das realistische?
Engert: Viele Grundsteine für den Erfolg in zehn Jahren werden schon heute gelegt und besprochen. Zum Beispiel der Beschluss zum Rothacker’schen Haus und der daraus neu entstehenden Wegeführung durch unsere Stadt. Oder die Anbindung der „Schwetzinger Höfe“ an die Innenstadt. Dazu kommen Projekte wie Verkehrsführung, Mobilität, Eindämmung der Hitzeentwicklung und so weiter. Alle diese Entscheidungen und noch viele mehr werden über den zukünftigen Erfolg entscheiden. Dafür müssen wir uns jedoch ganz klar positionieren und miteinander arbeiten und denken. Das Stadtmarketing ist zum Beispiel aus dem Gewerbeverein entstanden. Seit über 150 Jahren haben sich dort die Händler, Dienstleister, Handwerker und Gastronomen für ein erfolgreiches Schwetzingen engagiert. Dazu kommt die städtische Wirtschaftsförderung sowie weitsichtige Bürgermeister und Gemeinderäte. Das Ergebnis sehen wir in den aktuellen Zahlen und Analysen. Aktuell bin ich daher sehr zuversichtlich, dass wir auch noch in zehn Jahren einen sehr erfolgreichen Handel sowie ein lebenswertes Schwetzingen vorfinden werden.
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