Pressekonferenz

SWR Festspiele in Schwetzingen: "Der Doppelgänger" eröffnet die Saison

Die Oper "Der Doppelgänger" wird bei den Schwetzinger Festspielen uraufgeführt, basierend auf Dostojewskis Werk und mit einer modernen Inszenierung, die die Themen Identität und Entfremdung behandelt.

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Jürgen Gruler
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Bei den Schwetzinger Festspielen empfängt Oberbürgermeister Dr. René Pöltl Gäste aus Spoleto, Gemeinderäte und Staatssekretär Andre Baumann. © Jürgen Gruler

Der Flieder blüht, der Spargelwächst, Paare in Abendgarderobe strömen ins Schwetzinger Schloss - es ist Festspielzeit in Schwetzingen und die Künstlerische Leiterin Heike Hoffmann hat zur Eröffnungspressekonferenz eingeladen. Denn mit der Uraufführung der Oper „Der Doppelgänger“ steht gleich zu Beginn der Kompositionsauftrag der Festspiele auf dem Spielplan. Eine Koproduktion mit dem Luzerner Theater, die am Sonntag nochmals in Schwetzingen und ab September dann in der Stadt am Vierwaldstätter See zu sehen sein wird.

So eine Oper braucht Vorlauf: Vor fünf Jahren hatten Heike Hoffmann und Komponistin Lucia Ronchetti erstmals über den Auftrag gesprochne. Durch Corona hat sich die Uraufführung dann um ein Jahr verschoben, die Komponistin saß in Rom und Katja Petrowskaja sorgte in Berlin für das Libretto. Basierend auf Fjodor Dostojewskis gleichnamigem Frühwerk entstand eine musikalisch-psychologische Gesellschaftssatire. Eine Art kafkaesker Konkurrenzkampf des Beamten Goljadkin mit seinem Doppelgänger, bei dem Illusion und Realität immer wieder verschwimmen. Die sechs Schauspieler schlüpfen in wechselnde Rollen und das Bühnenbild gleicht einem Kartenhaus mit verschiedenen Ebenen und angedeuteten Räume.

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Herausforderungen und Kreativität in der Operninszenierung

„Das ist Schwerstarbeit für die Sängerinnen und Sänger, die vielen Wechsel erfordern höchste Konzentration von ihnen“, sagt Regisseur David Hermann vom Luzerner Theater. Für ihn sei es sehr gut gewesen, dass Libretto und Musik bereits vorhanden waren, als es an die Umsetzung auf der Bühne ging. Das sei ja in modernen Opern oft nicht so, aber die Pandemie habe da wenigstens etwas Gutes gehabt“, erzählt Hermann. Bühnenbildnerin Bettina Meyer stimmt ihm zu. Es sei ja immer schwierig, eine Bühne für zwei Theater zu bauen: „Es ist toll, dass es nach den beiden Aufführungen in Schwetzingen dann in Luzern weitergeht. Mich hätte es geschmerzt, wenn nach zwei Abenden alles vorbei gewesen wäre, sagt sie. Für sie sei es wichtig gewesen ganz neutrale Räume zu schaffen, damit die Konzentration auf der Musik und der Handlung liegen kann, sagt die erfahrene Bühnenbildnerin.

Die Rolle der Sprache und Zusammenarbeit im zeitgenössischen Musiktheater

Interessant auch, dass es der Komponistin Lucia Ronchetti schwerer gefallen ist, mit den virtuellen Konferenzen zurecht zu kommen als Katja Petrowskaja. Sie habe sich so besser auf ihr erste Libretto konzentrieren können und sie sich auch in Themen wie das Bühnenbild oder die Dramaturgie versetzt, um die ganze Bandbreite des Werks zu erspüren. Manche habe sie davon geträumt, selbst einen Doppelgänger zu haben, erzählt die und lacht herzlich darüber. Beide berichten darüber, dass es nicht ganz einfach sei, eine deutsche Fassung einer Oper zu schreiben, wenn man selbst nicht Muttersprachler sei.

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Intendantin Ina Kerr drückt die Zusammenarbeit so aus: „Ans Luzerner Theater lade ich jedes Jahr eine Komponistin ein, um die starken weiblichen Stimmen des zeitgenössischen Musiktheaters auf die Bühne zu bringen. Lucia Ronchetti ist für mich momentan eine der zentralen Künstlerinnen des Musiktheaters. In ihren Werken sucht sie nach der dramatischen Substanz von Stoffen und formuliert diese mit ihrer vielfältigen Klangsprache aus. Gemeinsam mit der Autorin Katja Petrowskaja legt sie in ,Der Doppelgänger’ einen Stoff der Weltliteratur zugrunde und greift damit ein Thema auf, das heute vielleicht noch virulenter ist als in Zeiten seiner Entstehung: das Thema der Entfremdung von sich selbst, der Suche nach der eigenen Identität.“

Sie erklären, wie die Uraufführung „Der Doppelgänger“ entstanden ist: Dramaturg Jens Schubbe (v. l.), die Luzerner Intendantin Ina Karr, Librettistin Katja Petrowskaja, Festspielleiterin Heike Hoffmann, Komponistin Lucia Ronchetti, Bühnenbildnerin Bettina Meyer und Regisseur David Hermann. © Jürgen Gruler

Aktuelle Relevanz von Dostojewskis Themen im Musiktheater

Dramaturg Jens Schubbe sieht in Dostojewskis Werk nicht nur die Geschichte des Petersburger Beamten Jakow Petrowitsch Goljadkin, der in einen streng hierarchisch organisierten Verwaltungsapparat eingespannt ist. Er erkennt auch dessen Verwandlung und bezieht die auch auf unser heutiges Leben: „Scheint seine Welt anfangs noch in Ordnung, so mehren sich bald irritierende Momente. Er liebt die für ihn unerreichbare Tochter des Direktors seiner Behörde und wähnt sich zu deren Geburtstagsfest eingeladen. Dort angekommen wird ihm der Zutritt verwehrt. Als er sich unter die Festgesellschaft mischt, wird er des Hauses verwiesen. Auf dem Rückweg in einer unwirtlichen Novembernacht begegnet ihm eine Menschengestalt, die sich als sein Doppelgänger erweist.“

Ina Karr und Jens Schubbe betonen, wie wichtig ihnen diese Zusammenarbeit mit dem SWR und mit Heike Hoffmann gerade jetzt gewesen ist.

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Jürgen Gruler
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Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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