Digitales Leben

Warum KI eine Gefahr für die Energiewende darstellt

Die Künstliche Intelligenz (KI) ist in unserem Alltag angekommen und sie wird immer präsenter. Was das Thema Nachhaltigkeit angeht, ist die KI jedoch ein Gegenspieler. Warum? Das erklärt Autor Stefan Kern hier.

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Stefan Kern
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Warum KI eine Gefahr für die Energiewende ist. © Daoud

Künstliche Intelligenz (KI) ist gerade eines der großen Themen. Überall wird über Chancen und Risiken gesprochen. Auch beim jüngsten Hebel-Talk im Hebel-Gymnasium in Schwetzingen mit Professor Dr. Karsten Huffstadt von der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt entstand ein Bild voller Hoffnung aber auch mit Gefahren.

Das Lernen könne neu erfunden werden, das Klima besser geschützt oder der Ressourcenverbrauch verringert werden. Gegenüber stehen Deepfake, Betrug und ein bis dato unerreichtes Niveau an Überwachung. Nur ein Problem gerät eher selten in den Fokus. Dabei hat es das Potenzial, die Energiewende, sprich den Klimaschutz, zu torpedieren. Und zwar so massiv, dass es unmöglich sein wird, dem wachsenden Stromverbrauch eine regenerative Stromproduktion gegenüber zu stellen.

Künstliche Intelligenz und Energieverbrauch: Risiken für die Energiewende

Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzte 2022, dass der weltweite Stromverbrauch von Datenzentren bis 2026 um 80 Prozent wachsen werde. Von damals 350 Terawattstunden auf mindestens 640 Terawattstunden. Also ein Plus von 290 Terawattstunden. Nur zum Vergleich: Ganz Deutschland benötigte laut Umweltbundesamt im vergangenen Jahr knapp 530 Terawattstunden. Heißt, mit den 290 Terawattstunden kommt in vier Jahren der Energieverbrauch von etwas mehr als halb Deutschland hinzu.

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Nun ist es nicht neu, dass das Internet Strom verbraucht. Jedes Katzenvideo auf Instagram, jedes gepostete Selfie auf Snapchat und jedes Foodporn-Bild bei TikTok kostet Energie. Und je mehr gepostet wird, desto mehr Energie brauchen die Datenzentren weltweit, um die Masse der Daten zu speichern. Spitzenreiter in der Energiebilanz war bisher das Streamen und das Mining digitaler Währungen wie Bitcoin.

KI-Einsatz in der digitalen Welt: Hoher Strom- und Wasserverbrauch

Zu diesen Big Playern beim Stromverbrauch in der digitalen Welt gesellt sich nun die KI hinzu. Eine Anwendung, die mit viel Hoffnung und Ängsten einhergeht. Gerade in die Bereichen Ressourcenmanagement und Klimaschutz wurde viel Hoffnung gesetzt. Eine Hoffnung, so Tilmann Santarius, Professor für sozial-ökologische Transformation an der TU Berlin und am Einstein Center Digital Future, die bis dato jeder Grundlage entbehre. Es sei bislang offen, inwiefern mithilfe von KI-basierten Anwendungen komplexe ökologische Probleme tatsächlich gelöst werden können. Klar absehbar sei dagegen die Gefahr, mit der zunehmenden Digitalisierung die regenerative Energiewende zu unterlaufen.

Und das ist nicht alles. Auch beim Wasserverbrauch, notwendig für die Kühlung der Datenzentren, die gemeinhin als „Cloud“ bezeichnet werden, braucht es Unmengen Wasser. Allein Googles Wasserverbrauch für seine Datenzentren lag 2022 bei weltweit 21 Milliarden Liter, im Vergleich zu 2021 ein Plus von 20 Prozent. Auch die KI schlägt hier spürbar zu Buche. Für die Kühlung der Server im Rahmen des ChatGPT-3 Trainings wurden 700 000 Liter Wasser verbraucht.

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Und hier, bei Training der neuronalen Netze, identifizieren Forscher auch den größten Stromverbrauch. Beim Training von ChatGPT-3 waren laut Stefan Naumann, Professor für Nachhaltigkeitsinformatik am Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier, Tausende Prozessoren in riesigen Rechenzentren wochenlang am Arbeiten und benötigten fast 1300 Megawatt. Das sind 1,3 Milliarden Kilowattstunden. Bei einem Durchschnittsverbrauch im Jahr von 2500 Kilowattstunden pro Haushalt könnten damit rund 520 000 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgt werden.

Nachhaltigkeitsfragen bei KI-Anwendungen: Zunehmender Ressourcenbedarf

Und mit dem Training ist in Sachen Energieverbrauch noch lange nicht Schluss. Zwar braucht die eigentliche Anwendung im Einzelnen nicht viel mehr Strom als eine leuchtende Nachttischlampe in ein paar Stunden. Aber, so der Datenwissenschaftler Alex de Vries, ChatGPT habe innerhalb zweier Monate 100 Millionen Nutzer gefunden. Laut Schätzungen bedeutet das einen Stromverbrauch am Tag von rund 500 Megawattstunden. Und das sind Verbräuche, die im Zuge der Integration von KI-Systemen in Suchmaschinen eskalieren dürften.

ChatGPT wurde gerade in die Microsoft-Suchmaschine Bing integriert. Was das für den Energieverbrauch der Suchmaschine bedeutet, teilt Microsoft bislang nicht mit. Würden die täglich mehr als neun Milliarden Suchanfragen bei Google von einem Sprachmodell beantwortet, könnte das den Energieverbrauch im schlimmsten Fall verdreißigfachen. Google hat nach eigenen Angaben 2015 rund 5,7 Terawattstunden Strom verbraucht. Das Unternehmen selbst veröffentlicht derzeit keine aktuellen Zahlen mehr. Aber für 2019 dürfte der Verbrauch laut Expertenschätzung bei 12,4 Terawattstunden gelegen haben. Und ein Ende des Wachstums ist nicht absehbar.

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Investiert doch allein Alphabet, der Mutterkonzern von Google, Jahr für Jahr viele Milliarden Dollar in den Ausbau von Datenzentren. Allein in Europa dürfte laut der IEA der Energieverbrauch von Datenzentren bis kommendes Jahr auf 150 Terawattstunden steigen. Das wäre in zwei Jahren ein Plus von 50 Prozent. Und dass alles trotz deutlicher Effizienzgewinne. Grund ist der sogenannte Rebound-Effekt. Genau wie Autos wird die IT-Infrastruktur aus energetischer Sicht immer effektiver. Aber am Beispiel der Autos wird deutlich, dass das nichts bringt. Denn dafür werden die Autos laufend stärker, schwerer, mit immer mehr Technik vollgestopft und immer weiter gefahren. Und es werden mehr und mehr. Ähnliches passiert bei der IT.

Unsere Erde ist ein endlicher Raum

Es sind Verbrauchszahlen, die schwindelig machen und bei vielen Wissenschaftlern Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Auch, so Santarius, weil die die meisten KI-Anwendungen derzeit vor allem in Gebieten wie der Optimierung von Onlinewerbung oder der Medizintechnik zum Einsatz kommen. Der allergrößte Teil von KI-Anwendungen trete aktuell nicht einmal mit dem Ziel an, Energie oder Ressourcen einzusparen. Dabei drängt genau dafür die Zeit.

Professor Ralf Herbrich, zuständig für das Fachgebiet Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam, erklärte unlängst: „Es ist höchste Zeit, sich intensiv mit den Energiekosten von KI zu beschäftigen. Heute haben wir noch genug Strom, aber der Weg von der Grundlagenforschung in die Anwendung ist lang und wenn wir in fünf Jahren kein Energieproblem haben wollen, müssen wir das jetzt angehen.“

Auch weil neben Strom und Wasser der Ressourcenverbrauch rund um Zinn, Silber, Platin oder Wolfram für die Leiterplatten und Sensoren nicht ins Unendliche wachsen kann. Doch genau das scheint kaum berücksichtigt zu werden. So ziemlich jeder Faktor, der die Umwelt irgendwie negativ beeinflusst, wird fortgesetzt größer. Auf einem endlichen Raum, und nichts anderes ist die Erde, kann das nicht lange funktionieren.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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