Schwetzingen. Als Pilotkommune nahm Brühl an der Qualitätserfassung der Mannheimer Straße im Projekt „Lebendige und verkehrsberuhigte Ortsmitten für Baden-Württemberg“ teil. Verkehrsplaner und Projektleiter Jonas Schmid von der Planersocietät Frehn, Steinberg und Partner, die zusammen mit anderen Büros im Auftrag der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg und des Landesverkehrsministeriums mehrere Orte des Landes unter die Lupe genommen hatte, stellte den Ratsmitgliedern und der Öffentlichkeit nun die Eckpunkte des Konzeptes in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Technik und Umwelt vor. Diese Ergebnisse könnten die Gemeinde, so Bürgermeister Dr. Ralf Göck in seiner Begrüßung, „immer wieder, wenn wir Geld haben“, in den Fokus nehmen.
Vom Ministerium seien verschiedene verkehrspolitische Ziele – etwa eine 25-prozentige CO2-Reduktion oder eine Steigerung der Aufenthaltsqualität – formuliert worden. Um diese Ziele zu erreichen, gebe es verschiedene Bausteine, die das Land aktuell den Kommunen biete. Ein Teil davon sei die Qualitätserfassung der Ortsmitten, die auch in dem Pilotprojekt in Brühl durchgeführt worden sei.
Potenziale und Defizite der Brühler Ortsmitte
Zudem gebe es die Möglichkeit einer Ausleihe von temporären Möbeln zur testweise Umgestaltung des öffentlichen Raums. Schließlich wurde eine Servicestelle Ortsmitten geschaffen, die eine konkrete Ansprechstelle bei Fragen der Kommune darstelle, erklärte Schmid.
Für die in Brühl durchgeführte Qualitätserfassung gebe es zwei Ebenen – einerseits die Landesebene, bei der die Planersocietät versucht habe, in einer Pilotphase in 30 Kommunen eine Bestandserfassung durchzuführen. „Mittlerweile sind wir aus dieser Phase herausgewachsen und haben bereits rund 70 Kommunen erfasst“, berichtet Schmid. Dabei wurden als Erkenntnisgewinn für die Städte und Gemeinden die jeweiligen Potenziale und Defizite herausgearbeitet.
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Als Ziel verfolge man, verschiedene Impulse – die auch noch mit Musterelementen des Verkehrsministeriums für die Umsetzung angereichert werden sollen – mitgeben zu können, wie die Kommunen den jeweiligen Untersuchungsraum weiterentwickeln können. In einem Ergebnisdossier finden die Entscheidungsträger eine standardisierte Erhebung, wie die Situation vor Ort kompakt bewertet wurde. Daraus wurden Steckbriefe gebildete, die auch die Mängel und jeweiligen Handlungsimpulse aufführen würden, so Schmid in seinem Vortrag. Da die Finanzierbarkeit dabei eine wichtige Rolle spiele, biete man in den Unterlagen auch eine Liste von Fördertöpfen, die bei der Umsetzung eine unterstützende Aufgabe übernehmen können.
Bewertungskompass und Handlungsimpulse für Brühl
Was wurde nun speziell in Brühl gemacht? Die Experten haben sich als Ortsmitte die Mannheimer Straße von der Schwetzinger bis zur Schütte-Lanz-Straße angeschaut. „Da haben wir einen sehr kompakten Raum mit sehr vielen Nutzungen auf beiden Seiten der Straße vorgefunden“, resümierte Schmid. Daraus wurde ein Bewertungskompass erstellt, der sechs Kategorien umfasst. In jeder Kategorie können sechs Punkte als Bestnote erzielt werden. Zusammengerechnet erzielte Brühl einen Wert von 3,8 und liege damit auf einem überdurchschnittlichen Platz im Landesvergleich im Bezug auf eine verkehrsberuhigte und lebenswerten Ortsmitte, attestierte der Planer bei der Vorstellung des Zahlenwerks.
Aus diesem Handlungskompass hätten sich 14 Handlungsimpulse für den Brühler Ortskern herauskristallisiert, die Schmid exemplarisch vorstellte. Diese Punkte sollen Ideen geben und seien entsprechend kein fertig ausgearbeitetes Maßnahmenbündel, sondern Grundlagen für die weitere Entwicklung.
Mehr Barrierefreiheit schaffen in Brühl
Und so nannte er ein paar positive und einige negative Beispiele aus dem Brühler Alltagsleben in dieser Straße. Als Negativpunkte fanden sich, dass die Barrierefreiheit insbesondere bei Straßenquerungen – in Brühl gebe es die positive Besonderheit, dass es davon sehr viele vorhanden seien – und Haltestellen nicht wirklich umfassend ausgebaut seien. Für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen könnten dort Probleme erwachsen.
Bei den Fußgängerüberwegen riet Schmid zudem, diese mit taktilen Leitsystemen und oder visuellen Orientierungshilfen auszustatten. Sie würden blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen ermöglichen, sich mit Hilfe eines Blindenstocks selbstständig im allgemeinen Raum und an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel sicherer und leichter zu bewegen. Da sie im Ort noch nicht umfassend genug zu finden seien, schloss die Hufeisengemeinde in diesem Segment mit Mankos im Bewertungskompass und klaren null Punkten ab.
Radverkehr und Konflikte am Lindenplatz
Beim Radverkehr endete die Untersuchung ebenfalls nicht mit optimalen Noten, weil es zu Überschneidungen mit anderen Verkehrsarten komme. Ein ausgemachtes Problem findet sich am Lindenplatz. Dort führe die Kombination aus Rad- und Fußweg zu Konflikten beider Verkehrsarten. Bei der Überleitung in den Mischverkehr, also am Ende des Radweges aus Richtung Schwetzinger Straße und in die Gegenrichtung seien beim Lindenplatz Probleme vorprogrammiert. Deshalb raten die Verkehrsexperten dazu, den Radverkehr in der gesamten Mannheimer Straße auf die Fahrbahn zu verlegen.
Als positive Ergebnisse nannte Schmid, dass es in diesem Bereich eine reduzierte Höchstgeschwindigkeit von Tempo 30 für den Autoverkehr gebe. Auch die zumeist sehr geringen Wartezeiten an den Ampeln brachten der Brühler Bewertung Pluspunkte. Außerdem gebe es Radabstellplätze, die einem gewissen Standard entsprächen.
Wolfram Gothe (CDU) wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass man bei vielen der aufgeführten Lösungsansätze nicht vergessen dürfe, dass die Mannheimer Straße insgesamt sehr schmal sei. „Da sind uns oftmals die Hände bei der Umgestaltung gebunden – das hat sich auch schon bei der Sanierung vor einigen Jahren gezeigt.“ Den Radverkehr durchweg auf der Straße zu halte, sah er als unmöglich an.
Gothe nannte als wichtigen Aspekt zur Verbesserung des Verkehrsflusses eine Verlegung der Haltstelle „Drogerie Hartmann“. Aber auch sonst seien die Ideen als Impulse wirklich wertvoll, wenn man offen für Erneuerungen sei, lobte Gothe.
Auch Rohrhof beachten für zukünftige Projekte
Auch Dr. Peter Pott (GLB) sah in der Studie nicht nur viele einzelne, sondern einen Gesamtimpuls für die Belebung der Ortsmitte und das Gemeindeentwicklungskonzept. Und so blickte er auch auf die zweite Ortsmitte in Rohrhof und fragte an, ob es da eine ähnliche Vorgehensweise geben könnte. Zwar war das während des Pilotprojekts nicht möglich, inzwischen werde eine solche Erweiterung aber angeboten, so der Verkehrsplaner.
Ob man die Mannheimer Straße bis zur Kreuzung mit der Hildastraße als Fahrradstraße ausweisen könne, wollte Ulrike Grüning (GLB) wissen. Das sei zwar möglich, erklärte Schmid, doch habe man dort ja auch andere Verkehrsmittel, die eine wichtige Rolle spielten – etwa als Hauptachse für den Busverkehr. Deswegen würde er von einer reinen Fokussierung auf den Radverkehr absehen, sondern die Bedingungen so schaffen, dass sie für alle Verkehrsteilnehmer passend seien. Bürgermeister Dr. Ralf Göck brachte es auf den Nenner: „Weg vom reinen, abgegrenzten Autoverkehr, hin zu einem Mischverkehr.“
Hans Hufnagel (SPD) erfuhr auf Nachfrage, dass die Planer die Gemeinde nun nicht alleine lassen würden, sondern auch bei der Umsetzung mit Rat und Tat zur Verfügung stehen.
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