Ketsch. Es dampft und schäumt zwischen den Gräberreihen, wenn Holger Mehrer auf dem Ketscher Friedhof auf Ameisenjagd geht. Mit einer langen Heißwasserdüse arbeitet er sich akkurat am Pflaster und den Grabsteinen entlang, verteilt die fast kochende Flüssigkeit in den Ritzen und behandelt gezielt alles Unkraut, das sich auf dem sandigen Boden bislang hat behaupten können.
„Gegen das Heißwasser haben diese Pflanzen und die Ameisen keine Chance. Zusätzlich haben wir noch ein natürliches Mittel aus Maisstärke beigemischt, damit es leicht schäumt und besser in die Hohlräume laufen kann. Das Ergebnis ist wirklich beeindruckend“, schwärmt Mehrer.
Als Mitarbeiter der Gemeinde ist er seit den ersten warmen Tagen des Jahres auf dem Friedhof im Einsatz, um eine „Invasion“ einzudämmen: Vor zwei Jahren machte Ketsch über die Region hinaus Schlagzeilen, weil zahlreiche Medien über die massenweise Verbreitung der eingeschleppten Ameisenart „Tapinoma magnum“ berichteten.
Von einer gigantischen „Superkolonie“ unter dem Ketscher Friedhof war die Rede, von dadurch belästigten und verärgerten Bürgern und bald auch von einem innovativen Gegenmittel, das sich bereits bei der Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners bewährt hatte: Dem Einsatz von Heißwasser, wodurch auf Chemie und Insektizide verzichtet werden konnte.
„Wir hatten zunächst eine Fachfirma beauftragt, verschiedene Methoden zu testen – und das Heißwasser schnitt dabei überraschend gut ab. Deshalb haben wir im vergangenen Jahr ein eigenes Gerät angeschafft und testweise betrieben“, erklärt Bauamtsleiter Marc Schneider noch einmal die Hintergründe.
Tankanhänger in Ketsch fasst 1000 Liter
Das auf einem großen Anhänger verbaute Gerät verfügt über einen Wassertank mit 1000 Litern Fassungsvermögen, eine Art großen Durchlauferhitzer und ein Benzinaggregat. Für den Betrieb kann es mit einem simplen Wasserschlauch an das Netz angeschlossen werden, um kontinuierlich nachzutanken. Der Anhänger kann aber auch autark genutzt werden, wodurch er außerhalb des Friedhofs zum Einsatz kommen kann.
„Im vergangenen Jahr haben wir probeweise auch einzelne besonders betroffene Privatgrundstücke behandelt, aber das können wir als Gemeinde leider nicht dauerhaft leisten. Deshalb konzentrieren wir uns jetzt neben dem Friedhof auf die öffentlichen Flächen und Gehwege der angrenzenden Straßen“, erklärt Schneider.
Nachdem im vergangenen Sommer zwei studentische Hilfskräfte zur Bedienung des neuen Geräts eingesetzt wurden, soll künftig eigenes Personal der Gemeinde zum Einsatz kommen. „Wir werden wohl rechnerisch nahezu eine volle Stelle dafür benötigen, wobei der Kollege natürlich auch andere Aufgaben übernehmen wird“, so Bauamtsleiter Marc Schneider.
Die laufenden Kosten seien dennoch überschaubar, während die Anschaffung des Geräts mit rund 40 000 Euro günstiger als die regelmäßige Beauftragung einer externen Firma gewesen sei. „Wir verhindern außerdem weitere kostenintensive Schäden, die uns vor allem bei den Gehwegen und anderen gepflasterten Stellen entstehen“, erklärt Dominique Stang, der Umweltbeauftragte der Gemeinde. „Die invasive Art ist tatsächlich deutlich aktiver und letztlich auch aggressiver als die einheimischen Ameisen. Deshalb werden von ihnen große Mengen an Sand aus dem Untergrund herausgeschafft, wodurch sich bereits an vielen Stellen das Pflaster deutlich abgesenkt hat.“
Kein Ende der Ameisen in Ketsch in Sicht
Die gleichen Probleme könnten auch Privateigentümer haben. Für diese hat der Umweltbeauftragte aber einen Tipp: Mit einem haushaltsüblichen Wasserkocher das Verfahren im kleineren Maßstab einfach nachmachen. „Das möglichst heiße Wasser dann immer mal wieder langsam in die Nester gießen. Natürlich muss man dabei auf seine Pflanzen achtgeben, die durch das heiße Wasser ebenfalls geschädigt werden könnten“, so Stang.
„Wir müssen uns aber alle klar machen, dass wir mit dieser Methode die Ausbreitung nur Eindämmen und auf ein erträgliches Maß begrenzen können. Aufhalten werden wir die invasiven Ameisen nicht, allein schon wegen der Klimaveränderungen, die den Tieren bei uns einen immer besseren Lebensraum bieten werden“, erklärt der Experte aus dem Rathaus.
Entsprechend langfristig wird deshalb die Bekämpfung auf dem Friedhof und den öffentlichen Bereichen in Ketsch andauern. „Wir haben im letzten Jahr einmal das gesamte Gelände behandelt, und jetzt fangen wir wieder von vorne an“, sagt Sabine Pulster vom Friedhofsteam.
„Aber das Ergebnis ist trotzdem toll: Ganz viele Besucher haben sich schon bei uns bedankt, dass die Plage endlich einigermaßen eingedämmt worden ist. Und gleichzeitig erleichtert es uns die Arbeit bei der Unkrautbekämpfung. Ganz ehrlich: Wir lieben das neue Gerät!“
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Ameisen statt Krokodil?