Oftersheim. Vergnügungsstätten verhindern – das ist laut Pascal Seidel, Bürgermeister von Oftersheim, und Susanne Barisch, kommissarische Bauamtsleiterin der Gemeinde, der Sinn der mittlerweile verabschiedeten Änderung der Baunutzungsverordnungen des Gewerbegebietes „Röhlich“. Nach über 50 Jahren ändert der Gemeinderat die Verordnungen der zweigeteilten Fläche – Ein Zeitpunkt, der nicht ganz zufällig gewählt sei, glaubt Erbengemeinschaftsmitglied Christian Schnabel: „Vermutlich wollte der Gemeinderat damit verhindern, dass eine Location für türkische Hochzeiten nach Oftersheim kommt.“
Die vom Gemeinderat einstimmig verabschiedete Veränderung der Nutzungsverordnung bezieht sich auf den Überbegriff „Gewerbebetriebe aller Art“, unter den auch Vergnügungsstätten fallen. Bisher waren diese im Gewerbegebiet zulässig. Zukünftig sind derartige Vergnügungsstätten genehmigungspflichtig.
Doch was sind Vergnügungsstätten im Sinne der baurechtlichen Verordnung? Ein Blick in Wikipedia bringt zumindest ein kleines Licht ins Dunkel: „Vergnügungsstätten im Sinne der deutschen Baunutzungsverordnung sind gewerbliche Nutzungsarten, die sich in unterschiedlicher Ausprägung unter Ansprache des Sexual-, Spiel- und/oder Gesellschaftstriebs der Unterhaltung widmen.“
Indoorspielplatz in Oftersheim: "Vergnügen" ist eng gefasster Begriff
Nach ständiger Rechtsprechung zählen insbesondere Wettbüros, Nachtlokale, Bordelle und Spielhallen unter den juristischen Begriff. Wie eng dieser gefasst ist, wird deutlich, wenn man betrachtet, was nicht als Vergnügungsstätte gilt: Gaststätten, kleine Tanzcafés, kulturell zweckgebundene Anlagen wie Theater, Kino oder Oper sowie Sport- und Fitnesscenter. Bisher gebe es schon zwei Vergnügungsstätten im Gewerbegebiet, sagt Barisch bei der Gemeinderatssitzung: „Die Lasertag- und die Spielhalle.“ Genau da sei das Problem: Das Gewerbegebiet soll den ansässigen Handwerkern und Unternehmen dienen, nicht nur der leichten Unterhaltung.
Patrick Schönenberg aus der Gemeinderatsfraktion der Grünen zeigte sich bei der jüngsten Sitzung des Gremiums von der Schnelligkeit der Umsetzung überrascht: „Wir hoffen, dass andere Änderungen zukünftig auch so schnell gehen.“ Im Kern sei die Veränderung aber nachvollziehbar: „Der Fokus sollte trotzdem weiterhin auf dem Ermöglichen, nicht auf dem Verhindern liegen.“ Die Gemeinderatsfraktionen stimmten einstimmig für die Änderung der Baunutzungsverordnung.
Gewerbegebiet in Oftersheim: Angst vor türkischen Hochzeiten als Motiv
Christian Schnabel, der Miteigentümer eines Grundstücks im angesprochenen Gebiet, glaubt zu wissen, woher der Eifer der Verwaltung komme: „Der Investor, der die Halle gegenüber von unserem Grundstück gekauft hat, wollte eine Eventlocation daraus machen.“ Hierzu habe der angesprochene Orhan Kanis auch das Grundstück der Erbengemeinschaft Schnabel kaufen wollen: „Das möchte er zu Parkplätzen machen.“ Es sei besonders die Angst vor türkischen Hochzeiten gewesen, die immer wieder wegen unvorstellbar hohen Gästezahlen und unaushaltbaren Lärmpegeln in der Kritik stehen. „Deswegen hat der Gemeinderat die Änderung noch schnell durchgedrückt, während unsere Verhandlungen aber schon liefen“, glaubt Christian Schnabel. Dass der Investor nicht abgesprungen sei, trotz des Widerstands aus der Gemeinde, sei ein großes Glück. Übrigens gebe es zwar auch weitere Angebote für das Grundstück der Erbengemeinschaft, der Verantwortung gegenüber den Miterben wegen müsse die Gemeinschaft allerdings an den Höchstbietenden verkaufen, so Schnabel.
Und ja – eigentlich habe Investor Orhan Kanis eine Hochzeitslocation geplant: „Im Gewerbegebiet stört es nicht, wenn es mal lauter ist und die Gemeinde hätte regelmäßige Einnahmen. Daher muss ich sagen, dass ich nicht verstehe, warum das so unerwünscht war. Vermutlich, weil den Menschen Angst gemacht wurde, mit Bordellen und sonstigen Horrorvorstellungen“, glaubt Geschäftsmann Kanis, der sich mittlerweile von seiner Grundidee abgewendet hat: „Ich möchte ja nicht, dass sich jemand von uns gestört fühlt. Zwar verstehe ich es nicht, weil das auch für die Gemeinde viele Einnahmen gebracht hätte, aber ich akzeptiere den Willen der Einheimischen.“ Und auch ein neues Projekt sei schon in Planung: „Ich habe einen Kunden aus München, der gerne einen Indoorspielplatz in Oftersheim eröffnen würde.“
Indoorspielplatz in Oftersheim: Happy End für Einheimische
Das wusste Schnabel auch schon in der Gemeinderatssitzung. „Wäre ein Indoorspielplatz denn besser“, fragte er bei der Bürgerfragerunde am Anfang der Sitzung. „Ein Indoorspielplatz ist der Rechtsprechung nach keine Vergnügungsstätte, also nicht einmal genehmigungspflichtig“, weiß Bürgermeister Seidel.
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„Im Nachhinein ist alles halb so wild. Natürlich hat mich die Art und Weise geärgert. Ich bin aber auch froh, dass das so jetzt klappen kann“, sagt Schnabel, der nun die letzten Hürden zum Verkauf des Geländes beseitigen möchte. „Ich warte noch auf die Freigabe des Grundstücks der Erbengemeinschaft Schnabel. Damit da nichts mehr schiefgehen kann. Dann freue ich mich, das Projekt endlich anzugehen. Ich habe auch schon einen passenden Architekten“, sagt Kanis stolz, der sich freue, nun einen Mehrwert für Einheimische zu schaffen.
Trotzdem sei das Unterfangen mit der Gemeinde Oftersheim deutlich komplizierter als in Vorprojekten: „Erst einmal habe ich es bereut, dort investiert zu haben.“ Das alles sei nun aber Schnee von gestern: „Der Indoorspielplatz ist super. Ich möchte meine Projekte ja mit der Bevölkerung und der Gemeinde umsetzen, nicht gegen sie.“
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