Plankstadt. Manchmal, wenn man mit älteren Plänkschdern ins Gespräch kommt, tauchen hin und wieder Worte auf, die man selten hört oder benutzt, auch wenn man des Plankstadter Dialektes mächtig ist und ihn auch täglich spricht. Und einige dieser Wörter wollen wir hier etwas näher beleuchten.
Eine ganz bestimmte Art eines Hütchens, das dem männlichen Haupt zur Zierde und zum Schutz gereichen kann, kennt man bei uns unter der Bezeichnung „Moarebroudhiedl“, also Magenbrothütchen. Jüngere Plankstadter und besonders Auswärtige können sich zunächst einmal unter dem Begriff gar nichts Konkretes vorstellen. Die meisten von uns wissen, was Magenbrot ist, nämlich jenes Süßgebäck, das seit dem 19. Jahrhundert an den Süßigkeitsständen auf Kerweplätzen, Jahrmärkten oder Weihnachtsmärkten feilgeboten wird. Mitunter ist es heute auch schon ganzjährig in den Regalen von großen Discounterketten zu sehen.
Das Rätsel um eine männliche Kopfbedeckung
Schwieriger wird es, wenn man sich nun auf die Suche nach einem Zusammenhang mit einer bestimmten männlichen Kopfbedeckung, dem „Moarebroudhiedl“, also hochdeutsch ausgedrückt, dem „Magenbrothütchen“ macht! Um es gleich vorwegzunehmen: Eine Erklärung hierfür wurde auch nach langer Recherche nicht gefunden. Möglicherweise gab es Magenbrotverkäufer, die ein solches Hütchen trugen, vielleicht hatten auch manche männliche Besucher eines Volksfestes, die eine Tüte des Gebäcks erstanden, ein solches Hütchen zum „leichten Bieranzug“ oder zum „Freibierkragen“ auf – Man weiß es nicht und dieses Geheimnis wird wohl auch im Dunkel der Geschichte bleiben.
Wie haben wir uns nun aber ein solches Hütchen vorzustellen? Zum Glück ist das Hütchen noch nicht ausgestorben und erfreut sich bei manchen Zeitgenossen auch heute noch großer Beliebtheit! Auch in der Künstlerszene ist es zu finden: So zum Beispiel bei dem fränkischen Kabarettisten Frank-Markus Barwasser, der unter dem Pseudonym „Erwín Pelzig“ seine eigene Fernsehsendung hat. Auch der Comedian Tom Gerhardt als „Hausmeister Krause“ hat ein solches Hütchen als Erkennungsmerkmal. Und auch in die große Politik hat es der ehemalige DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker immer wieder eingebracht, wenn er nicht gerade mit russischer Pelzmütze zu sehen war. Und ganz selbstverständlich gab und gibt es auch hier bei uns in Plankstadt zahlreiche Männer, die ein solches Hütchen ihr eigen nennen konnten. Sicher wird dem Leser der eine oder andere einfallen.
Sommerlich angehauchte Freizeitkleidung
Und schon sind zwei weitere Begriffe aufgetaucht, die heute längst nicht mehr an der Tagesordnung beziehungsweise im aktiven Sprachgebrauch sind, der „leichte Bieranzug“ und der „Freibierkragen“. Allerdings kann man zu diesen Begriffen in der einschlägigen Literatur noch immer Erklärungen finden. So versteht man unter dem „leichten Bieranzug“ eine bequeme Hose, Hemd, Jackett (möglichst nicht zu einem feinen Anzug gehörend, sondern besser etwas Derberes). Vielfach bestanden diese Freizeitanzüge aus stark chemiefaserhaltigem Material, sodass sie bei wenig Eigengewicht von allein eine gewisse Festigkeit aufwiesen, trotzdem aber sommerlich leicht waren.
Der „Freibierkragen“ gehört, wie der Name schon andeutet, zur Freizeitkleidung männlicher Teilnehmer an Ausflügen, besonders im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts. Es handelt sich um den Hemdkragen, der über den Sakkokragen herausgeschlagen wird – meist eben bei feuchtfröhlichen Herrenausflügen – und der natürlich ohne Krawatte getragen wird. So hätte beispielsweise in einem Ausflugsbericht in der Zeitung stehen können: „Beim Ausflug des Gesangsvereins ,Stimmbruch‘ trugen die meisten Freibierkragen zum leichten Bieranzug“ – und jeder Leser wusste dann gleich, wie die Ausflügler gekleidet waren.
In Zeiten, in denen die Jeans und das T-Shirt noch nicht ihren Siegeszug um die Welt angetreten hatten, wies diese Art der Oberbekleidung zwar auf eine Freizeitveranstaltung hin, entbehrte aber dennoch nicht einer gewissen ‚Eleganz‘ und unterschied sich damals deutlich von der Werktagskleidung, zumal an Sonn- und Feiertagen, an denen Festtagskleidung noch obligatorisch war.
Ein unverheirateter junger Mann
Ein weiterer Begriff, über den wir mit älteren Plänkschdern gesprochen haben, ist der „Kiechlbrodd“. Unter einem „Kiechlbrodd“ verstanden meine Vorfahren einen meist nicht mehr ganz jungen Mann, natürlich unverheiratet und vielleicht auch etwas altmodisch oder konservativ in seinen Ansichten und seinem Habitus, der häufig noch recht von der Mutter abhängig ist, oft noch bei ihr wohnte und versorgt wurde, ansonsten aber seinem Beruf normal nachgeht.
Oder weiß noch jemand, wenn jemand auf „Awaddlsfieß“ daherkommt, ein unübersetzbarer Begriff, der sich wohl auf eine etwas auffällige Gehweise des so Angesprochenen bezieht. Viele kennen ja auch den Ausdruck, wenn jemand zu einem etwas grobschlächtigem oder schwerfälligem Gang dazu noch sehr modische Schuhe trägt: „Oudewella Fieß un Pariser Schiehlin“, was hodeutsch „Odenwälder Füße und Pariser Schuhe“ heißt.
Überhaupt wird es leicht unübersichtlich, wenn wir uns auf das weite Feld der Schimpfworte begeben. Hier müsste dann unbedingt auch die „Broochkuu“ genannt werden, ein Schimpfwort für eine dumme Frau, wie der frühere Oftersheimer Bürgermeister Karl Frei in seinem Wörterbuch „Schbrooch unn Schbrisch“ ausführt. Und wer kennt nicht das Schimpfwort für Lehrer, den „Haagseucher“? Ein früherer Schulleiter alten Schlages erklärte das Wort einmal so: „Früher gingen die Männer aus dem Wirtshaus lediglich vor die Tür, um ihr Wasser auf der Straße oder im Hof abzuschlagen. Der Lehrer aber, der ja (manchmal) zu den vielleicht etwas vornehmeren Honoratioren des Orts gehörte, ging ein paar Schritte weiter, um seine Notdurft im Schutz einer Hecke, also eines Haags, zu erledigen. So mag dieses Schimpfwort entstanden sein.“
Sogar die Juristen wurden in solchen Fragen bereits bemüht: So musste vor einiger Zeit ein Gericht in Frankenthal in der Pfalz klären, ob die bei uns häufig angewandte Form des „Dabbschädels“ ein Schimpfwort ist oder eher doch nicht. Man wird in der Pfalz liebevoll als „Dabbschädel“ bezeichnet, wenn man etwas falsch gemacht hat, was jedoch nicht unbedingt immer so negativ gemeint sein muss, wie es sich anhört.
Ein fiktives Buch
Früher tauchte in Plänkschder Gesprächen manchmal das Wort „Borschdebuuch“ auf und es wurde gerätselt, wer wohl gerade der aktuelle Mensch ist, der es zur Zeit führt. Borschde waren unverheiratete Männer in den besten Jahren, in denen andere längst verheiratet sind, Junggesellen also. Der älteste von ihnen war verpflichtet, das Borschdebuch zu führen. Unnötig zu erklären, dass dieses Buch natürlich eine rein fiktive Angelegenheit war, zumindest war nicht mehr bekannt, ob es so etwas tatsächlich in alten Zeiten einmal gegeben hat.
Stete Veränderung in der Sprache in Plankstadt
Und so werden ältere Leser sicher noch viele Begriffe finden, die heute fast aus unserer Dialektsprache verschwunden sind. Sprache ist einem steten Veränderungsprozess unterworfen und so, wie wir heute neue Begriffe im Duden vorfinden, so sind in der Vergangenheit auch Begriff aus dem aktiven Sprachgebrauch verschwunden, die für unsere Vorfahren noch zum Alltag gehörten. Die heutige Mobilität der Menschen tut ein Übriges, dass unsere Sprache nicht statisch bleibt, wie sie ist, sondern sich schneller verändert, als man dies aus früheren Zeiten gewohnt war.
Eine Plankstadterin war mit einem Bekannten, der aus Berlin kam, beim Backen von Weihnachtsgebäck. Als sie den Teig ausrollen wollte, bat sie ihren Bekannten „Lang’ma mol’s Wäiglholds riwwer!“ Für ein Berliner Ohr eine unlösbare Aufgabe, denn um was wurde er da wohl gebeten? Für Plänkschder eine klare Sache: Die Dame wollte, dass er ihr das Nudelholz, den Teigausroller, herüberreichte, damit sie den Teig ausrollen konnte, denn „mid’eme Wäiglholz wäigelt ma de Dooig aus“.
Zum Schluss noch ein kleiner Exkurs in die Welt der Fauna: Unter den vielen Tierfamilien und Tierarten kommt gerade auch im Dialekt, aber auch weit darüber hinaus bis ins Hochdeutsche des Öfteren eine Spezies vor, die doch einer genaueren Betrachtung würdig ist: Wer kennt ihn nicht – oder besser – wer kennt keinen „Schmalzdackel“, den es in vielfältigen Formen und Unterarten zu geben scheint? Über die Pfälzer „Elwetritsche“ wurde schon viel geschrieben, über den „Schmalzdackel“ ist wenig Literarisches bekannt. Meist wird das Wort nur als Schimpfwort für einen sehr eitlen Mann gebraucht, der darüber hinaus noch ein paar zusätzliche Attribute auf sich vereinigt wie zum Beispiel Gel im Haar (früher als Pomade oder Haarcreme bekannt), dandyhaftes Auftreten, mit Frauenversteherblick, penetrantem Süßholzraspeln bei jedem sich zeigenden Rockzipfel, säuselnder Stimme (besonders bei Balzversuchen) und was da noch alles so zusammenkommt. Frauen benutzen das Schimpfwort oft hinsichtlich verflossener Liebhaber („Un weje dem ,Schmalzdackel‘ hew’isch’s Roache widda oagfange!“ und „Wegen diesem ,Schmalzdackel‘ habe ich wieder begonnen zu rauchen!“)
Ein Dackel der anderen Art
Aus der Filmwelt und noch mehr aus der Show- und Musikbranche kennt jeder natürlich einige Exemplare von „Schmalzdackeln“ und oft ist sogar im engeren Lebensumfeld der eine oder andere typische Dackel dieser Rasse zu finden. Beispiele können hier natürlich aus rechtlichen Gründen keine angeführt werden, aber bestimmt kennen Sie auch einen, oder etwa nicht?
Aus dem Bereich allzu üppigen Körperpflege ist auch noch der „Pomadehengst“ oder auch der „Lavendel-Heinrich“ erinnerlich, Begriffe, die sich aus dem Wort selbst erklären.
Über das in der gesamten Kurpfalz universelle Bindewörtchen „alla“ brauchen wir hier nicht mehr zu räsonieren, dieses Allerweltswort für alle möglichen Gelegenheiten ist hinlänglich bekannt und wer es hört, der weiß, dass er in der Kurpfalz, also „dahoam“ ist.
Interessant sind auch Begriffe wie „awwl“ für „soeben, jetzt, jetzt gerade“ oder „nimmi“ und ersatzweise auch „nie määh“ für „nicht mehr“ oder“ nicht“ oder auch „ebbes“ für „etwas“, die sich Nicht-Einheimischen nicht ohne Weiteres aus dem Satzzusammenhang erschließen. Oder denke man an „nummä“ oder „narre“ – Wer kann damit etwas anfangen? Im Zusammenhang klärt sich vielleicht die Frage. „Nummä mol koa Ängschd!“ oder „Narrä koa Ängschd!“ Für beides gilt die Übersetzung „Nur keine Angst!“
Ein wunderschönes Dialektwort ist auch „Gscherrabdriggelhanddieschl“ für Geschirrhandtuch. Wieviel Heimatmelodie steckt doch darin. Ein Mannheimer Karnevalist sprach in einem Vortrag über eine Hausbesichtigung, bei der er den seinen Trockenspeicher für die Wäsche mit den Worten zeigte: „Des isch unsa Driggelspeicher, do driggle ma unsa Wesch.“
Jetzad hew’isch misch awwa mid unsare Schbrooch genung „abgezwazzld“, also sozusagen angestrengt, um genügend herrliche Beispiele für unseren Kurpfälzer Dialekt zu finden. Vielleicht ist Ihnen beim Lesen auch das eine oder andere Wort noch zusätzlich eingefallen?
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