Plankstadt. Allenthalben berichten heute die Medien in vielfältiger, meist kritischer Form über unsere Schulen, den Unterricht dort und die Probleme, mit denen Schulen heute zu kämpfen haben. Und gerade in Zeiten, in denen Kriege wieder vor unserer Haustür zu eskalieren drohen, denken wir dabei an die Millionen Kinder, denen auch aufgrund der heute stattfindenden kriegerischen Auseinandersetzungen überall auf der Welt die Chancen genommen werden, durch Schulbildung ein erfüllteres und besseres Leben zu führen.
Und wenn wir heute auf hohem Niveau über so manche Unzulänglichkeiten unseres Schulsystems jammern, liegt die Zeit, in der auch wir in Deutschland mit ähnlichen Problemen zurechtkommen mussten, erst ungefähr 80 Jahre zurück. Deshalb ist es vielleicht nicht verkehrt, uns diese Ereignisse von damals ins Gedächtnis zu rufen, solange wir noch Zeitzeugen dieser Jahre befragen können.
Schulen in Plankstadt werden zu Lazaretten umfunktioniert
Wer zu den Jahrgängen ab 1933 in Deutschland gehörte, dessen erste Schuljahre wurden oft von den Ereignissen, die 1939 mit dem Kriegsbeginn im September begannen, geprägt. Je länger der Krieg dauerte und je weiter er nach Deutschland selbst vordrang, desto einschneidender waren die Auswirkungen auch auf Schule und Unterricht. Dass dies nicht nur in den deutschen Großstädten so war, die durch Bombenangriffe mehr und mehr in Mitleidenschaft gezogen und zerstört wurden, zeigen die Erzählungen der Zeitzeugen auch aus kleineren Gemeinden wie Plankstadt.
Spätestens, als die Schulräume der Volksschule an der Friedrichstraße zum Lazarett umfunktioniert werden mussten, war an geregelten Unterricht nicht mehr zu denken. Zunächst war sie ab November 1944 ein deutsches Lazarett, nach dem Einmarsch der US-Truppen am Karfreitag 1945 für ein paar Monate Lazarett der 7. US-Armee.
Nach der Auflösung des Lazaretts wurden viele Gegenstände der Schule verkauft und zum Teil auch geplündert. Rektor Josef Fleuchhaus konnte gerade noch selbst mit dem Handwagen einige für den Unterricht wichtige Dinge und Akten wegtransportieren und so retten.
Aber auch schon vor Kriegsende war das so eine Sache mit dem Unterricht. Wo sollte er stattfinden, wenn die Schulräume nun Krankenzimmer waren? Größere Räume waren nur die Säle und Nebenzimmer der Gastwirtschaften oder – falls vorhanden – auch Fabrikräume und Lagerhallen. Damit war nun Plankstadt nicht gerade reichlich ausgestattet. In Frage kam nur die Gerlach‘sche Füllhalterfabrik im Hinterhof des Trunk‘schen Hauses in der Schwetzinger Straße 31. Und so blieben vielfach nur die Säle und Nebenzimmer der Gaststätten. Berichtet wird vom Schulunterricht im Adler, im Löwen, in der Krone, im Stern, im Eichbaum und wo sich ein geeigneter großer Raum eben anbot.
Eine Zeitzeugin aus Schwetzingen berichtet, dass dort offenbar wochen- oder gar monatelang gar kein Unterricht stattfinden konnte, weil in der Hildaschule ebenfalls ein Lazarett eingerichtet war und zu wenig andere Räumlichkeiten für Unterrichtszwecke vorhanden waren. Pater Fidelis Ruppert und Fritz Schleich können sich an eine Art Privatunterricht bei Hilde Brauch in ihrem Haus in der Schillerstraße erinnern – aber nur für die kleine Handvoll Kinder, deren Eltern dies auch wollten.
Unterbrechung des Unterrichts in Plankstadt durch Luftangriffe
Wenn die Sirenen vor Luftangriffen warnten, rannten alle so schnell sie konnten nach Hause in die Keller. Und das konnte oft vorkommen, denn Mannheim und Ludwigshafen waren nicht allzuweit entfernt und waren immer öfter das Ziel der alliierten Luftangriffe.
Zudem konnten den Jugendlichen in den letzten Kriegstagen nicht nur die Alliierten gefährlich werden, sondern es waren oft die fanatischen deutschen Nazis – auch die in Plankstadt – die noch glaubten, die Jugendlichen könnten sozusagen als „letztes Aufgebot“ des „Volkssturms“ den drohenden Untergang des Dritten Reiches aufhalten. So konnte es schon passieren, dass junge Menschen in letzter Minute zum Kampf mit der Waffe verpflichtet wurden und nicht selten bedeutete das für die jungen Menschen den Tod oder schwere Verwundungen. So berichtet ein Zeitzeuge vom Vater eines tödlich getroffenen jungen Mannes, der einem nationalsozialistisch gesinntem Lehrer, der die jungen Leute mit rekrutiert hatte, auf offener Straße eine Ohrfeige verpasste, weil er in ihm einen Mitschuldigen am Tod seines Sohnes sah.
Schwierige Recherche in Plankstadt
Nicht alles lässt sich mehr vollständig recherchieren, denn in der Plankstadter Schule waren keine Unterlagen mehr zu finden und auch das Gemeindearchiv erlebte erst in den 1960er Jahren durch Eugen Pfaff seinen Aufbau. So kann man nur auf Zeitzeugen zurückgreifen, deren Erinnerungen über diesen langen Zeitraum aber oft auch nicht mehr umfassend sind.
Trotzdem ist es jedoch sinnvoll, Berichte aus jener Zeit zu bewahren und zu kommunizieren, denn die Schülergenerationen von heute vermögen kaum mehr zu ermessen, wie begierig damals die meisten Schüler waren, sich Wissen und Kenntnisse anzueignen. Sie erkannten – zumindest wohl die meisten – wie wichtig Schulbildung gerade in diesen wirren Nachkriegszeiten war und nur wer etwas lernte, hatte auch die Chance zu einem besseren Leben, als es die karge Nachkriegszeit mit all ihren Entbehrungen zu bieten hatte.
Auch können sich heutige Schüler keinen Begriff mehr vom Mangel machen, der an den für einen Schulbetrieb wichtigen und erforderlichen Materialien herrschte. Es fehlte an allem, vor allem an Papier, an Büchern und Heften sowie auch – heute unvorstellbar – an Brennmaterial für die kalte Jahreszeit. Dieses musste teilweise von den Kindern von zu Hause mitgebracht werden, obwohl es dort natürlich auch fehlte.
Bücher bedurften der Genehmigung durch die Besatzungsmacht, denn nationalsozialistisches Gedankengut durften diese natürlich nicht mehr enthalten und neue Schulbücher waren noch nicht vorhanden. Wie groß der Mangel an Papier schon zu Kriegszeiten war, zeigt ein Plankstadter Kinderspruch – von Pater Fidelis überliefert: „Der Helfrich hat kein Briefpapier, das kommt vom ,Hitler – wir danken dir!‘.“ Der „Helfrich“ war Ernst Helfrich, der bei den Schulkindern beliebte Besitzer der kleinen Druckerei und des Schreibwarenladens an der Ecke der Friedrich- und Luisenstraße. Diese Papiernotlage war in der Nachkriegszeit natürlich noch eklatanter, als die Kinder auf die abgeschnittenen Ränder von Zeitungen schreiben mussten. Bei der heutigen Papierflut und Papierverschwendung eigentlich ein nicht mehr vorstellbarer Zustand.
Problematische Personallage an Plankstadts Schulen
So kam es auf das bei den Lehrern selbst vorhandene und gespeicherte Wissen an, das sie den Kindern vermitteln konnten. Viele Lehrer mussten sich direkt nach dem Krieg oft noch gedulden, bis sie das Entnazifizierungsprogramm der Besatzungsmächte durchlaufen hatten und als „unbedenklich“ eingestuft wurden. Erst dann durften sie auch wieder in den Schuldienst zurückkehren.
Dabei muss bedacht werden, dass Lehrer, wollten sie überhaupt im Dritten Reich ihren Beruf ausüben, Parteimitglied sein mussten. Nicht alle waren „glühende Nazis“, dennoch wurden alle nach dem Krieg überprüft. Es gab bei Lehrern große Unterschiede, wie sehr und in welchem Ausmaß sie das Parteiprogramm verinnerlicht hatten und wie sie es in der Schule umsetzten – oder auch unter der Gefahr des Verratenwerdens eben nicht. Pater Fidelis, im April 1944 eingeschult, erinnert sich, dass er sich mit den anderen Erstklässlern beim Verlassen des Schulsaals in der Füllhalterfabrik Gerlach vom Lehrer mit „Heil Hitler, Herr Lehrer“ verabschieden musste.
Zu den Lehrern, deren Ruf untadelig war und die auch während der Nazizeit mancherlei Repressalien ausgesetzt waren, gehörte zweifellos der frühere Plankstadter Rektor Josef Fleuchaus. Er war in seinem langen Lehrerleben insgesamt dreimal in Plankstadt eingesetzt und zwar um die Jahrhundertwende als Junglehrer, ab 1911 als Hauptlehrer und danach als Rektor. In der Nazizeit wurde er wegen seiner politischen Einstellung als Mann des Zentrums ausgeschaltet und versetzt. Nach dem Krieg von 1945 bis 1948 als Rektor eingesetzt, baute er unter schwierigsten Bedingungen und mit hohem pädagogischen Sachverstand und Einfühlungsvermögen das Schulwesen in Plankstadt wieder auf, 1948 ging er hochverehrt in Ruhestand.
Er erlebte damals sogar sein 50-Jahre-Dienstjubiläum und wurde 1952 kurz vor seinem Tod für seine Verdienste zum Ehrenbürger der Gemeinde ernannt. Seinen Namen trägt auch eine Straße im ersten Nachkriegsneubaugebiet von Plankstadts, dem Sandgarten.
Seine Nachfolger waren von 1948 bis 1951 Emil Knopf und ab 1951 Ludwig Grimm, dem 1962 Berthold Fertig als Rektor bis 1974 nachfolgte. Nachdem die Schule 1973 zur reinen Grundschule wurde, leiteten die Rektoren Günter Mauer (1974 bis 1996), Heidrun Engelhardt-Geiss (1997 bis 2010) und Uwe Emmerich (2010 bis 2021) die Schule. Seit 2021 ist Sandra Worrow Schulleiterin der Friedrichschule.
Andere, die der Bewegung des Nationalsozialismus aufgeschlossener gegenüberstanden, mussten warten und einige Jahre auf anderweitige Weise den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie erarbeiten, bis sie dann zu Beginn der 1950er Jahre wieder in den Schuldienst eingestellt wurden – vorausgesetzt, sie waren „unbelastet“ oder lediglich als „Mitläufer“ des Nationalsozialismus eingestuft worden.
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