Schwetzingen. Der 1984 geborene Moritz Winkelmann ist Professor für Klavier an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim. Als Konzertpianist verfügt er über internationale Engagements. Er ist Träger des Mozart-Preises der Stuttgarter Mozart-Gesellschaft. Beim Mozartfest wird er an diesem Sonntag, 15. Oktober, 11 Uhr, im Jagdsaal des Schwetzinger Schlosses Sonaten von Ludwig van Beethoven und Wolfgang Amadeus Mozart aufführen.
Herr Winkelmann, Sie werden in Schwetzingen ein Programm spielen, das eine Gegenüberstellung Mozarts und Beethovens verspricht. Oder handelt es sich eher eine Zusammenführung?
Moritz Winkelmann: Vielleicht beides. Mozarts a-Moll-Sonate gehört zu seinen tragischsten Werken. Sie ist nach dem Tod seiner Mutter in Paris entstanden. Die drei Beethoven-Sonaten in diesem Programm sind dagegen größtenteils heiteren Charakters. Gleichzeitig hört man aber in der frühen Beethoven-Sonate op. 10 Nr. 2 durchaus noch Spuren seines Vorgängers. Übrigens spiele ich gerade sämtliche Beethoven-Sonaten für Berlin Classics ein.
Mutig. Es gibt doch schon so viele Einspielungen neuerer Zeit. Das Beethoven-Jahr liegt gerade mal drei Jahre zurück . . .
Winkelmann: Meine Motivation, mich an diesen künstlerischen und pianistischen Olymp heranzuwagen, ist zunächst mal das Werk als solches und nicht der Markt oder ein Jubiläum. Dennoch: 2027 ist ja das 200. Todesjahr von Beethoven. Da kommt meine Einspielung vielleicht doch gar nicht so unpassend.
Haben Sie den Anspruch, eine neue Lesart oder eine Interpretation vorzulegen, die sich deutlich von anderen unterscheidet?
Winkelmann: Das Ergebnis wird mit Sicherheit meine eigene, subjektive Lesart sein. Das ist der Anspruch den ich habe.
Was hat Mozart, was Beethoven nicht hat?
Winkelmann: Mozart schreibt die schönsten Melodien. Seine Musik hat eine geniale Selbstverständlichkeit. Mozart wirkt nie konstruiert und geplant. Beethoven dagegen ist ein grandioser Architekt, der Entwürfe für die Ewigkeit schafft.
Können Sie uns ein wenig mitnehmen, wie bei Ihnen der Prozess der Aneignung eines musikalischen Werkes abläuft?
Winkelmann: Ich versuche, unvoreingenommen an ein Werk heranzugehen und es nicht von vornherein festzulegen. Ich beginne das Stück zu lesen, und reagiere darauf. Als wäre ich selbst eine Art Resonanzkörper, den das Werk zum Schwingen bringt. Gleichzeitig analysiere ich seine Struktur und versuche mir aus allem einen Reim zu machen, was da geschrieben steht. Zuweilen müssen Quellen verglichen werden, natürlich gibt es Sekundärliteratur, aber am Anfang ist der Instinkt.
Ihr Schwerpunkt liegt im klassisch-romantischen Repertoire. Aber Sie geben auch der zeitgenössischen Musik Raum. Inwiefern erleben Sie diese als bereichernd?
Winkelmann: Grundsätzlich erlebe ich jede Musik, die mir etwas sagt und die eine eigene Ausdruckskraft hat, als bereichernd. Da ist es erst einmal zweitrangig, in welche Schublade sie gesteckt wurde. Ich wertschätze gute Popmusik beispielsweise genauso. Natürlich stellt einen die zeitgenössische Klassik manchmal vor Rätsel. Wenn man sie aber lüften kann, so kann das sehr bereichernd sein. Ich habe als Student im Schwetzinger Rokokotheater „4’33“ von John Cage aufgeführt. Da kann man natürlich lange drüber reden, ob das Musik ist oder nicht. Aber es war auf jeden Fall eine tolle Erfahrung.
Wie lebt es sich als Pianist unter heutigen Bedingungen?
Winkelmann: Die meisten konzertierenden Pianisten und Pianistinnen, die ich kenne – und so auch ich selbst – verbinden eine pädagogische Tätigkeit mit ihren Konzertaktivitäten. Das ist ein Entwurf, der sich allseits bewährt hat.
Nimmt die Lehrtätigkeit auf Ihre künstlerische Entwicklung Einfluss?
Winkelmann: Mit Sicherheit. Wenn wir als Lehrende unterrichten, forschen wir gleichzeitig. Studierende kommen manchmal mit Interpretationen, die fast gegensätzlich zu meinen sind, dennoch aber überzeugen. Das erweitert mein musikalisches Verständnis genauso.
Was geben Sie als Pianist Ihren Schülern mit?
Winkelmann: Das Wichtigste ist, dass die Suche nach der eigenen Interpretation, nach Klangvorstellung und Werkverständnis nie aufhört. Und dass man an sich glaubt, so schwer das manchmal auch sein mag.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem musikalischen Nachwuchs?
Winkelmann: Das Potenzial, das einige der jungen Leute mitbringen, erstaunt mich ein ums andere Mal. Natürlich muss man den Nachwuchs so gut es geht auch fördern - bereits lang vor der Hochschule. Ich gehe immer wieder in Schulklassen, spiele für die Kinder und Jugendlichen und spreche mit ihnen. Oft ist das für sie der erste Kontakt mit Klassik. An der Mannheimer Musikhochschule versuchen wir unter anderem durch Kurse für Jugend-Musiziert-Teilnehmenden und individuelle Studienberatung möglichst erreichbar zu sein. Am 22. November ist Studieninformationstag in der Mannheimer Musikhochschule. Es lohnt sich vorbeizuschauen.
Würden Sie sagen, es braucht neue Formate, um auch künftig ein Publikum für klassische Musik zu interessieren?
Winkelmann: Ein gewisses Angebot schadet sicherlich nicht. Ich glaube trotzdem, dass es kein Format überflüssig macht, Menschen an die Musik heranzuführen, den Zugang zu erleichtern, die Werke greifbar zu machen.
Gibt es in Schwetzingen eine Art Genius loci, der Sie inspiriert?
Winkelmann: Ich stelle mir schon kurz vor, wie Mozart durch den Schlossgarten spaziert ist. Aber auch so ist das Schwetzinger Schloss ein Ort, mit dem ich nur schönste Erinnerungen verbinde. Zum Beispiel die Woche Junger Künstler, an der ich vor gut fünfzehn Jahren teilgenommen habe. Oder wie ich vor einem Jahr meiner Freundin im Schlossgarten einen Ring gegeben habe. Heute sind wir übrigens verheiratet.
Karten: Tickets gibt es im SZ-Kundenforum (Normalpreis 35 Euro plus Gebühren) und bei der Mozartgesellschaft Schwetzingen.
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