Schwetzingen. „Was macht eigentlich ein Museumsleiter ohne Museum?“ – das war der etwas augenzwinkernd gemeinte Arbeitstitel für ein Treffen mit Lars Maurer. Schließlich ist das Karl-Wörn-Haus seit Januar 2020 geschlossen und am künftigen musealen Mittelpunkt Schwetzingens, dem Rothacker’schen Haus, haben die Bauarbeiten noch nicht einmal richtig begonnen. Doch langweilig wird es ihm trotzdem nicht – im Gegenteil. Denn zum einen nutzt er jetzt diese Phase, um Dinge aufzuarbeiten, für die noch nie Zeit war. Und zum anderen ist er entscheidend daran beteiligt, wie das neue Museum aussehen wird.
Museumsleiter ohne Museum: Aufgaben und Herausforderungen
„Inhaltliche Arbeit war im laufenden Betrieb nicht möglich“, erklärt Maurer im Rückblick. Drei Ausstellungen im Jahr zu organisieren, das sei ein Fulltime-Job. Angefangen von der Idee und die Art der Darstellung, über die Suche nach Exponaten und den historischen Fakten bis hin zur Anfertigung der Tafeln, das Herstellen und Verschicken von Einladungen für die Vernissage und weiterer Werbematerialien oder Quellen suchen, katalogisieren, Tafeln machen lassen, Führungen organisieren, Einladungen gestalten und verschicken oder Führungen planen, um nur einen Teil aufzuzählen. „Die Haupttätigkeit ist nicht die Ausstellung, sondern das, was hinter den Kulissen passiert“, erzählt der 33-Jährige, der seit 2017 das städtische Museum leitet, über den hohen Administrations- und Organisationsaufwand.
Die verborgenen Schätze der Schwetzinger Sammlungen
Das ist jetzt Geschichte, das Karl-Wörn-Haus war in seinem Zustand nicht mehr nutzbar, der Keller feucht und das Dach undicht. Das Gebäude an der Südtangente ist aber immer noch sein Hauptarbeitsplatz. Nach der Schließung liegt der Fokus vor allem auf der Inventarisierung, für die im normalen Betrieb nie Zeit gewesen sei. „Machen wir mal Tabula rasa, packen wir alles noch einmal an“, das war das Motto. Denn es war eigentlich gar nicht zu überblicken, was sich denn alles in den Schwetzinger Sammlungen befindet – sowohl im Museum, wie in den Depots nebenan im Vereinshaus und in der ehemaligen Spargelannahmestelle Rohr in der Hebelstraße.
Das System ist dabei ganz einfach: Alles, was nicht im Karl-Wörn-Haus steht oder liegt, ist noch nicht inventarisiert. Und wenn es reinkommt, wird es begutachtet, systematisch digital festgehalten und wenn notwendig auch geputzt oder repariert. „Man muss die Sachen pflegen und bewahren, Gegenstände altern ja auch“, sagt Maurer. So gibt es jetzt im Obergeschoss zum Beispiel ein Regal mit den Exponaten aus der Brauereigeschichte, nebenan sind die Relikte aus der Tabak- und Zigarrenhistorie zu sehen. Auch die Gläser, Flaschen, Töpfchen, Tiegelchen und Gerätschaften aus der ehemaligen Hof-Apotheke sind bereits sortiert und dokumentiert. Das Gebäude in der Hebelstraße wird ja gerade für eine Nutzung durch die Stadtverwaltung umgebaut.
Dabei war das Durchforsten der Sammlungen nicht nur arbeitsintensiv, sondern manchmal auch spannend. „Es gibt Dinge, da wissen wir gar nicht, was es ist“, lacht Lars Maurer. In den Fällen helfe da meistens Google. Der Großteil der Exponate wird in Zukunft auch wieder in Depots und Lagern verschwinden oder nur punktuell rausgeholt. „Man kann ja nicht alles zeigen, was man hat“, erklärt Lars Maurer. Das wäre einerseits platzmäßig nicht machbar, außerdem würde es die Besucher überfordern. „Wir wollen in Zukunft gezielt das zeigen, was Schwetzingen besonders macht, und diese wenigen Objekte entsprechend in Szene setzen“, blickt er schon auf das Konzept des künftigen Hauses voraus. Doch dazu später mehr.
Neue Erwerbungen und die Zukunft des Museumskonzepts
Dass die Sammlungen trotzdem ständig erweitert werden, sei ein wichtiger Prozess. „Der wichtigste Auftrag ist das Bewahren des materiellen Kulturerbes. Man muss ja auch heute sammeln, damit man Dinge für morgen hat“, betont der Museumsleiter, bedauert aber auch, dass historische Objekte heute nicht mehr den Stellenwert haben wie früher.
So kamen auch in den vergangenen Monaten viele Stücke hinzu. Einerseits gelangen Maurer und der Stadt einige interessante Neuerwerbungen. „Wir haben mittlerweile ein gutes Netzwerk in der Region“, verrät er ein Erfolgsgeheimnis. So soll und kann die Sammlung qualitativ angehoben und erweitert werden. So ist die Stadt inzwischen im Besitz des Konferenztisches aus dem Besprechungsraum der ehemaligen Zigarrenfabrik Neuhaus. Oder eine Standuhr des berühmten kurfürstlichen Uhrenmachers Johann Jacob Möllinger, ein Marmor-Relief von Gartenarchitekt Nicolas de Pigage, zwei Gemälde von Kurfürst Carl Philipp sowie diverse Möbelstücke der Barockzeit, darunter ein Spieltisch, ein Beistelltisch, ein Eckschrank und zwei Stühle.
„Es gibt aber auch immer wieder Leute, die mit spannenden Entdeckungen und den dahinter liegenden Geschichten zu uns kommen“, erzählt Lars Maurer über die Resonanz aus der Bevölkerung im Zuge der Aktion „Schwetzingen auf Schatzsuche“. Er schätzt, dass sich im Privatbesitz noch viele solcher Dinge befinden, auch wenn er – wie bereits erwähnt – befürchtet, dass sie nicht mehr so wertgeschätzt und vielleicht auch entsorgt werden: „Die Verbundenheit zu materieller Kultur haben wir ein Stück weit verloren.“ Ob einige der im jüngsten hinzugekommenen Exponate künftig im Rothacker’schen Haus ausgestellt werden, ist noch Zukunftsmusik.
Visionen für das Rothacker’sche Haus und moderne Museumspädagogik
Aber das neue Museum soll auch ganz anders werden als sein Vorgänger. „Museen leben nicht nur vom Raum, sondern wie man damit umgeht und was man daraus macht“, sagt der studierte Historiker Maurer, der sich in dieser Hinsicht noch einmal intensiv weiterentwickelt hat und einen zweiten Master in Museumspädagogik gemacht hat. „Ich habe viel gelernt, wie ich Geschichte vermitteln kann.“ Er sei zwar gerne in der Wissenschaft unterwegs: „Aber mir ist es wichtiger, Wissen zu vermitteln.“
Er ist auch der Projektleiter für das Rothacker’sche Haus, das durch ein modernes, frisches, einzigartiges Konzept überzeugen soll. „Wir wollen gezielt das zeigen, was Schwetzingen besonders macht. Wie ein lebendiges Buch, das die Geschichte von Schwetzingen und der kurfürstlichen Familie erzählt.“ Maurer verweist in diesem Zusammenhang auf die neue Museumsdefinition der Nationalkomitees des internationalen Museumsverbandes: „Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Institution im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit.“
Der Weg zum neuen Museum: Bauzeit und Denkmalschutz
Der Zeitplan für das neue Gebäude am Alten Messplatz hat inzwischen schon konkrete Formen angenommen: Der Bauantrag sei in Vorbereitung, sagt der Museumsleiter: „Wir können in diesem Jahr noch anfangen.“ Er rechnet mit zweieinhalb Jahren Bauzeit. „Wenn alles gut läuft, werden wir Ende 2026/Anfang 2027 fertig werden.“ Das Entscheidende bei diesem Bauprojekt ist der Denkmalschutz. „Das in Einklang bringen, was der Denkmalschutz verlangt und wie wir das Gebäude nutzen wollen, das sei die Herausforderung.“ Lars Maurer begleitet diese Zeit mit Begeisterung und Herzblut: „Es ist ein Privileg, bei so einem Prozess dabei sein zu dürfen.“
Sein bisheriges Wirkungsfeld, das Karl-Wörn-Haus, hat übrigens doch noch nicht ganz als Ausstellungsstätte ausgedient: Anlässlich des 300. Geburtstags von Carl Theodor wird dort im November und Dezember das Wirken des Kurfürsten und seine Bedeutung für Schwetzingen gefeiert.
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