Geothermie

Geothermie in Brühl und Ketsch: Bürgerinitiative warnt vor Erdbebengefahr

Die Bürgerinitiative Tiefengeothermie warnt vor den Risiken und Problemen im Zusammenhang mit Geothermie-Anlagen in Brühl und anderen Gemeinden, darunter mögliche Erdbeben, Trinkwasserverunreinigungen und mangelnde Transparenz seitens der Betreiberfirmen.

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BI Tiefengeothermie
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Mit einigen Gitterelementen abgesichert befinden sich die beiden einst für die Geothermie gebohrten Löcher direkt neben dem Parkplatz für den Sportpark-Süd. © strauch

Brühl/Ketsch. Die Kommunalwahl am Sonntag nimmt Thomas Gaisbauer von der Bürgerinitiative Tiefengeothermie (BI) Brühl/Ketsch zum Anlass, grundsätzlich auf das Thema Geothermie hinzuweisen. Nachdem die Mehrheit der CDU und die Freien Wähler es immer wieder versucht hätten, „zumindest die Geothermie in Brühl zu beenden“, habe man letztendlich rein gar nichts erreicht, schreibt er in einem offenen Brief. „Die Baustelle liegt brach, niemand kümmert sich um das mit korrosivem Tiefenwasser gefüllte und wahrscheinlich dahinrostende Rohr, der Prozess mit dem Insolvenzverwalter ruht ebenfalls und die Firmen Geohardt und Vulcan Energy hüllen sich in Schweigen“, bilanziert Gaisbauer.

Die Bürgerinitiative habe in den vergangenen Jahren immer wieder fundierte Informationen an die Bürgermeister und Ratsmitglieder der umliegenden Kommunen versendet und die Bürger per Öffentlichkeitsarbeit informiert. „Aber: Auch ganz aktuell hat sich schlichtweg im Umgang mit den Bürgern, am gegenseitigen Informationsaustausch und am Wissensstand der Betreiberfirmen rein gar nichts verändert“, kritisiert der BI-Vorsitzende.

Brühler BI Tiefengeothermie: Warnung vor Erdbeben und Trinkwasserverunreinigung

Die Gefahr von möglichen Erdbeben, Trinkwasserverunreinigungen und hohen Radonkonzentrationen bestehe laut BI inzwischen für die gesamte Region. „Geohardt lässt trotz des medienwirksamen Dialog-Verfahrens die Hosen nicht runter und hüllt sich bezüglich der Standorte für die drei geplanten Kraftwerke seit Sommer 2023 in Schweigen. Medienwirksam wird neuerdings verharmlosend von Geothermie-Heizwerken und nicht mehr von Geothermie-Kraftwerken gesprochen.“ Geworben werde nach wie vor damit, dass die Technik erprobt und bewährt sei, nur wenig Platz benötige und im Betrieb klimaneutral sei. Mit Geothermie liefere man zuverlässig Wärme in die Region – rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr.

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Das sind werbewirksame Slogans, die mit der Realität leider nichts zu tun haben“, so Gaisbauer. Geohardt und Vulcan Energy hätten bereits bei den Rütteltests Schäden verursacht, die bis heute nicht alle abgearbeitet und beglichen seien, unterstreicht die BI. „Wir als Gemeinde haben die Tests auf dem Gemeindegrund stillschweigend zugelassen, obwohl wir mehrheitlich dagegen waren. Laut rechtsanwaltlichem Gutachten sei die Vorgehensweise der Betreiberfirmen „nicht korrekt“ gewesen.

Als Beispiel für die Probleme, die das Tiefenwasser verursache, nennt die BI die Anlage in Holzkirchen. Seit 2018 mache dort das aggressive, korrosive Tiefenwasser sechsmal der Pumpe den Garaus. „Dauerhaft und 365 Tage im Jahr verfügbar, sieht anders aus“, lautet das Urteil Gaisbauers. Die Leckage in der Verrohrung in Landau führten Experten laut BI gleichfalls auf das aggressive Tiefenwasser zurück. „Und das gilt eben auch für das ruhende unkontrollierte Bohrloch in Brühl“, bilanziert der BI-Sprecher.

BI Tiefengeothermie Brühl/Ketsch: Anlage in Insheim läuft mit reduzierter Leistung

Damit es nicht zu Erdbeben komme, werde laut BI die Geothermie-Anlage Insheim seit Jahren mit reduzierter Leistung gefahren und die Anlage in Landau sei seit Monaten außer Betrieb ist. „Dennoch hat die Firma Vulcan Energy ihre 40 Millionen Euro teuere Lithiumxtraktionsoptimierungsanlage direkt neben das Landauer Kraftwerk gebaut und will dort 2026 bereits 24 000 Tonnen Lithiumhydroxidmonohydrat jährlich weiterverarbeiten“, fasst Gaisbauer zusammen, „Vulcan hat angekündigt, das dabei benötigte Tiefenwasser im Notfall mit Tanklastwagen aus Insheim nach Landau anzufahren – für einen weiteren Verfahrensschritt sind dann zusätzliche Tanklastertransporte nach Frankfurt-Höchst erforderlich“.

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Darin sieht die BI wenig Klimaneutralität. Doch Vulcan habe bereits mit namhaften deutschen Autoherstellern Abnahmeverträge für mehr als 40 000 Tonnen jährlich geschlossen. „Stand heute ist das eine Menge, die nicht realistisch ist“, so die BI.

„Das Unternehmen muss demnach mit aller Macht nach Tiefenwasser bohren und dies schnell, koste es, was es wolle“, stellt Gaisbauer fest. Es gehe um Aktienkurse und um sehr viel Geld – Bürgerinteressen hätten da keinen Platz.

Brühler Bürgerinitiative Tiefengeothermie verweist auf SWR-Dokumentation

In diesem Zusammenhang verweist die Bürgerinitiative auf die Dokumentation „Lithium am Oberrhein – der gefährliche Schatz“ des SWR vom April, in der Wissenschaftler Fabian Nitschke vom Karlsruher Institut für Technologie (Kit) bestätigt habe, dass der Untergrund sehr schwierig zu erkunden sei. „Wenn die Pläne umgesetzt werden sollen und diese Giga-Factorys nach Deutschland geholt werden, wird es darauf hinauslaufen, dass wir im großen Ausmaße bohren müssen – er sprach in der Größenordnung von 100 Geothermieanlagen vom Typ Dubletten, das bedeutet dann mindestens 200 Bohrungen im Oberrheingraben“, fasst Gaisbauer zusammen. Das würde seinen Berechnungen zufolge bedeuten, dass im Abstand von wenigen Kilometern zueinander 100 Geothermiekraftwerke „im seismisch aktivsten Gebiet Deutschlands errichtet werden müssten“.

Die Firma Geopfalz sucht rund um Speyer und Schifferstadt nach heißen Quellen. Mit einem Monitoringsystem und der sogenannten Ampelregelung versprechen die Betreiber laut BI, die Gefahr von möglichen getriggerten Erdbeben kontrollieren zu wollen. Sobald Seismik gemessen wird, soll demnach die Fließrate des Tiefenwassers verringert oder das Kraftwerk komplett abgeschaltet werden.

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Gaisbauer verweist auf den TV-Beitrag von 3Sat „Geothermie – gibt es ein Revival für die Energie aus den tiefen der Erde“ vom Mai, in dem das Geoforschungszentrum Potsdam zitiert wird, dass dies mit der Messtechnik Stand heute nicht möglich sei. Viel zu ungenau seien die Messpunkte nur an der Erdoberfläche. In Potsdam entwickele man demnach aktuell ein System, bei dem das vor einem Beben räumlich konzentriert auftretende Knistern direkt in der Tiefe selbst, also direkt am Entstehungsherd des Bebens, gemessen werden soll. „Einen ersten Pilot hierzu gibt es laut der Sendung in Finnland – auch hier heißt es also: Wir forschen, wir suchen, wir testen.“

Die Bürgerinitiative Tiefengeothermie Brühl/Ketsch kritisiert die Messsysteme

Auch Geohardt werbe, wie Gaisbauer unterstreicht, mit einem hochempfindlichen Messsystem, das der Anlagensteuerung dienen soll. „Nach meinem Kenntnisstand verhinderten solche Messsyteme jedenfalls nicht die bisher bekannten Erschütterungen in der Pfalz und der Ortenau“, meint er, „auf die Nachlaufeffekte der künstlich erzeugten Beben, sogar lange nach Abschaltung eines Kraftwerks, sei an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen“.

Als wenig seriös erachte er auch die Aussage von Geohardt, dass „spürbare Beben beim Betrieb von Geothermie-Anlagen mit dem hydrothermalen Verfahren nicht bekannt sind“. Insheim und Landau würden hydrothermal betrieben – „wenn sie laufen“. Und an beiden Orten habe es letztlich Erdbeben gegeben.

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Gaisbauer rät allen Gemeinderäten und Bürgermeistern, sich nicht „blenden zu lassen von den schönen Worten, Beschreibungen, dem angeblich offenen Dialog sowie den üblichen Floskeln der Betreiber und Lobbyisten“. Ein Tiefengeothermie-Kraftwerk im Oberrheingraben, das ohne Seismizität rund um die Uhr mit der prognostizierten Leistung und ohne Ausfälle nennenswert Strom und beziehungsweise oder Wärme liefert, sei ihm bisher nicht bekannt.

Nicht nur in Brühl: Auch in Schwetzingen gibt es Widerstand gegen die Tiefengeothermie

In Brühl zeige sich, wie schnell es zu emotionalen Diskussionen bei solch strittigen Themen komme. Auch in Schwetzingen gebe es Widerstand, unter anderem mit einer Onlinepetition gegen ein mögliches Kraftwerk dort. Die BI in Schwetzingen sei aktiv und informiere die Bürger. „Sie konfrontiert die verantwortlichen Gemeinderäte – einige wenige Politiker haben klare Aussagen gemacht“, meint Gaisbauer.

Und an die Brühler Ratsmitglieder appelliert er namens der Bürgerinitiative: „Denkt unbedingt an das eventuell rostende Rohr, welches als tickende Zeitpompe im Brühler Boden steckt. Eine Leckage wie in Landau, bei der Tiefenwasser ins Grundwasser kommt, wäre absolut fatal.“

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