Brühl. „Eigentlich wollte sich unsere Bürgerinitiative zu den Vorfällen, ausgelöst durch Rüttelfahrzeuge, die im Auftrag der Firma Geohardt seismische Messungen direkt in Wohngebieten rund um Schwetzingen vorgenommen haben, gar nicht öffentlich äußern“, betonen Thomas Gaisbauer und Rainer Hüngerle von der BI gegen die tiefe Geothermie Brühl/Ketsch. Stattdessen sollten aus ihrer Sicht die Betroffenen selbst zu Wort kommen und der Allgemeinheit berichten, „wie dilettantisch und skrupellos einmal mehr die sogenannten Experten vorgegangen sind“.
Nachdem sich aber in den vergangenen Wochen immer mehr Bürger aus den umliegenden Gemeinden einschließlich Mannheim auch an die BI gewandt hätten, möchte die Vorstandschaft der Gruppe doch Stellung beziehen. „Denn die Dunkelziffer der Schadensfälle scheint weitaus höher zu sein, als zunächst angenommen“, so Gaisbauer und Hüngerle.
Geothermie rund um Schwetzingen: Bürgerinitiative Brühl/Ketsch äußert sich
Dass es während der 3D-Seismik bereits zu Schäden kommen würde, „war uns nicht fremd – schließlich wurden solche Messungen bereits vor mehr als zehn Jahren in Verbindung mit dem Brühler Geothermieprojekt durchgeführt und auch da gab es einige Schäden“.
Dass es aber über Sachschäden hinaus in einigen Fällen auch zu gesundheitlichen Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen kommen würde, sei der Gruppe bis dahin nicht bekannt gewesen. Gerade für Menschen, die gesundheitlich vorbelastet seien – etwa durch Herzschrittmacher oder Defibrillatoren – und insbesondere Säuglinge, könnten, wie man nun habe feststellen müssen, solche plötzlich auftretenden Vibrationen gefährlich werden.
„Warum wurden nicht wenigstens die unmittelbaren Anwohner der Gebiete, durch die die Rütteltrucks gefahren sind, frühzeitig über die Gefahren informiert“, fragt die BI. „Dass neben Straßen- und Gebäudeschäden auch Computer-Festplatten Schaden nehmen können, wäre ebenfalls eine wichtige Information gewesen“, betonen die BI-Sprecher.
Geothermie rund um Schwetzingen: Am eigenen Leib erfahren
Auch in Insheim wurden kürzlich Rüttelfahrzeuge im Auftrag der Vulcan Energie für solche Messungen eingesetzt. Dort ermittele laut BI zwischenzeitlich die Staatsanwaltschaft, da wohl einzelne Fahrzeuge im Naturschutzgebiet „vom Weg abgekommen sind und unerlaubtes Terrain befahren wurde“.
„Kurioserweise wirbt das Unternehmen Geohardt nun schon seit rund einem Jahr medienwirksam für Transparenz, Kommunikation, Bürgernähe und -beteiligung“, bilanziert die BI, „das ist ja nun völlig in die Hosen gegangen“. Sogar ein Dialogforum mit ausgewählten Zufallsbürgern wurde ins Leben gerufen, „um die teilnehmenden Bürger auf Spur zu bringen und in Sicherheit zu wiegen sowie alle Warnungen der Bürgerinitiativen in den Wind zu schlagen“. Einmal mehr hätten stattdessen einige Bürger zum Teil „am eigenen Leib“ erfahren müssen, dass das leider alles nur leere Wortphrasen gewesen und die tatsächlichen Gefahren bewusst verschwiegen worden seien. Das zeige, dass auch ein Joint Venture aus MVV und EnBW keineswegs seriöser und zuverlässiger sei, als die bisherigen anderen Geothermiefirmen, kritisiert die BI.
„Geohardt hatte wohl einen Info-Flyer vorbereitet, der aber nur sporadisch verteilt wurde“, bemängeln Gaisbauer und Hüngerle, „zum Teil wurde Bürgern, erst nachdem die Rüttelfahrzeuge bereits vorbei waren, von deren Mannschaft ein Flyer in die Hand gedrückt, mit den Worten: Hier können Sie nachlesen“. Doch auch das habe wenig gebracht, denn mit keinem Wort sei auf die Gefahren hingewiesen worden, so die beiden Aktivisten.
Häufig seien zudem Privatgrundstücke ohne Erlaubnis der Eigentümer betreten und Geophone dort ausgelegt worden – in Einzelfällen sei das sogar trotz ausdrücklichen Verbots durch den Grundstückeigentümer geschehen.
Geothermie rund um Schwetzingen: „Erschreckende Reaktionen“
In einem anderen Fall habe ein Geschäftsinhaber, der ebenfalls völlig von den „Rüttelattacken überrascht wurde“, gerade noch seine Festplatten in Sicherheit bringen können. Auf seine Nachfrage, was da gerade los sei, wäre er von einem Mitarbeiter der Firma in „übelster Gossensprache“ geduzt und beleidigt worden. „Ob es sich bei den vorgenannten Vorfällen um Ordnungswidrigkeiten oder strafrechtliche Vergehen handelt, können wir nicht beurteilen und wäre im Einzelfall wohl juristisch abzuklären“, bilanziert die BI, „ist es aber nicht so, dass ein Verkehrsteilnehmer, der einem anderen Schaden zufügt, sich nicht unerlaubt entfernen darf“.
Und die BI kritisiert weiter, dass „auch einige Reaktionen von Bürgermeistern erschreckten, die offensichtlich den Ernst der Lage nicht richtig einschätzen können und versuchen, die Sache zu bagatellisieren beziehungsweise keine Zuständigkeit und Verantwortung ihrerseits erkennen“. Lediglich ein einziger Rathauschef hat nach BI-Erkenntnissen im Ortskern seiner Gemeinde die Messungen verboten, um die veralteten Versorgungsleitungen keinen unnötigen Rüttelgefahren auszusetzen. „Ein solches umsichtiges Verhalten hätten wir uns auch von den anderen Gemeinden erhofft.“
Die Bürgerinitiative rät daher allen Geschädigten, sich „nicht auf kuriose Schadensabwicklungen einzulassen und nichts voreilig zu unterschreiben, ohne die möglichen Rechtsfolgen zu kennen. Hier ist in diesem Fall von einem Landespolitiker bereits der Begriff Kulanz gefallen. Was hier passiert ist, hat jedoch nichts mit Kulanz zu tun, sondern mit Schadenersatz, zu dem der Verursacher gesetzlich verpflichtet ist. Jegliche Abfindungs- und Stillschweigevereinbarungen dienen lediglich dem Zweck des Vertuschens“.
Und so erwartet die BI insbesondere von den Landespolitikern, die „aus rein ideologischen Gründen die Tiefengeothermie in unserer Gegend großflächig ausbauen wollen und die Bürgerinitiativen als Verbreiter von Fake News oder von frisierten Fakten denunzieren, dass sie unverzüglich alles in die Wege leiten, um den Geschädigten schnellstmöglich und unbürokratisch zu helfen“. Die seismischen Voruntersuchungen würden nur erahnen lassen, was im Fall der Verwirklichung der Tiefengeothermiepläne „auf uns alle zukommen wird, schließlich planen neben Geohardt bereits drei weitere Firmen Geothermiekraftwerke in unserer unmittelbaren Nachbarschaft“, zeigen sich Gaisbauer und Hüngerle von den Versprechungen der Investoren wenig überzeugt.
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