Im Interview

Wie hoch sind die Schulden in Eppelheim?

„Das finanzielle Damoklesschwert hängt über jeder Entscheidung“: Bürgermeisterin Patricia Rebmann spricht im Interview über die Finanzlage der Stadt und versucht, mit Vorurteilen aufzuräumen.

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Linda Saxena
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Patricia Rebmann ist seit 2017 Bürgermeisterin der Stadt Eppelheim. Neben den repräsentativen Aufgaben leitet sie die Verwaltung und ist Vorsitzende des Gemeinderats. © cheesy

Eppelheim. Es ist kein Geheimnis, dass es finanziell nicht gut um die Stadt Eppelheim bestellt ist. Wie steht es aber genau um den Schuldenberg im Jahr 2024? Im Interview spricht Bürgermeisterin Patricia Rebmann über die Finanzlage der Stadt und versucht, mit Vorurteilen aufzuräumen.

Frau Rebmann, es ist allgemein bekannt, dass Eppelheim finanzielle Probleme hat. Woran liegt das?

Patricia Rebmann: Eppelheim wurde um einen großen Steuerzahler herum aufgebaut. Das war eine sehr positive Entwicklung. Wie überall gab es dann aber Einbrüche bei der Gewerbesteuer und anderen Einnahmen. Das ist jetzt schon über zehn Jahre her. Man konnte nicht mehr aus dem Vollen schöpfen, in Eppelheim wurde das aber trotzdem weiterhin getan. Das läuft dann wie in einem Privathaushalt: Wenn ich mehr ausgebe, als ich einnehme, häufe ich Schulden an.

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Wie hoch sind die Schulden aktuell?

Rebmann: Zum 31. Dezember 2023 hatten wir Schulden in Höhe von rund 26,278 Millionen Euro (Kernhaushalt und ÖPP-Objekte), dazu kommt noch die Wasserversorgung mit etwa 1,46 Millionen Euro.

Für jedes Jahr wird in einer Kommune ein Haushaltsplan mit den Einnahmen und Ausgaben erstellt. Wie lange dauert es, einen solchen Entwurf zu planen?

Rebmann: Das ist, wie wenn man zu Hause ein Haushaltsbuch führt. Sobald der eine Haushalt fertig ist, fängt der neue an. Man versucht, die Planungen, die schon klar sind, einzupreisen und ein bisschen auf die Entwicklung der Einnahmen zu achten. Die sinken im Moment leider kontinuierlich.

Was sind denn die Einnahmequellen der Stadt Eppelheim?

Rebmann: Die größte Einnahmequelle ist die Gewerbesteuer. Eine Kommune finanziert sich aus Steuern, Gebühren und Beiträgen – und zunächst auch in dieser Reihenfolge. Große Sorgen machen uns im Moment die Einnahmen aus der Gewerbesteuer und aus der Einkommenssteuer, beide sind rückläufig.

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Hat die Stadt Eppelheim einen Einfluss auf die Gewerbesteuer?

Rebmann: Eppelheim hat wegen seiner kleinen Gemarkung gar keine Möglichkeit, sich zu vergrößern. Es gibt den Mythos, dass wir eine der am dichtesten bebauten Kommunen sind. Statistisch gesehen trifft das zwar zu, weil wir keine Außenflächen haben. Wir sind jedoch auch nicht dichter bebaut als zum Beispiel Oftersheim. Aber dort gibt es halt noch den Wald. Rein rechnerisch ist die Aussage also richtig, praktisch stimmt sie eben so nicht ganz. Zum Thema Nachverdichtung wäre bei uns noch etwas möglich, aber an sich ändert auch das nichts am Gewerbesteueraufkommen.

Was sind die größten Kostenpunkte im städtischen Haushalt: Wo muss die Stadt am meisten Geld einplanen?

Rebmann: Große Kosten fallen für die Kinderbetreuung und den ÖPNV an. Bei der Kinderbetreuung steigen die Kosten kontinuierlich, weil der Bedarf steigt. Eppelheim ist ein sehr beliebter Wohnort. Das bedeutet auch, dass es bei uns auf absehbare Zeit mehr Kinder geben wird. Und der Ausbau ist ja auch wichtig und richtig. Beim ÖPNV genauso. Ich finde Diskussionen nicht zielführend, wenn mal irgendein Bus oder die Straßenbahn mit nur einem Fahrgast besetzt ist. Man kann nicht einfach irgendetwas einsparen. Das alles ist ein atmendes System. Und was man schließlich nie vergessen darf: Eine Stadtverwaltung muss funktionieren. Deswegen sind unsere Personalkosten ein riesiger Batzen. Das wird immer gerne kritisiert, wobei das der völlig falsche Ansatz ist. Eine Stadt funktioniert nur mit ihren Mitarbeitern. Mir besonders wichtig, dass die Bürger eines wissen: Vom gleichen Personalstamm wird immer mehr verlangt.

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Haben Sie ein Beispiel dafür, in welchem Bereich die Arbeitslast für eine Person gestiegen ist?

Rebmann: Das sind ganz praktische Dinge. Die Mitarbeiterzahl im Bauhof bleibt gleich. Meistens ist man dort sogar ein wenig unterbesetzt, weil die Personalgewinnung schwierig ist. Trotzdem wird natürlich in heißen Sommern viel mehr Bewässerung der Pflanzen im öffentlichen Raum erwartet. Und es wird angenommen, dass gleichzeitig viel Grünschnitt erfolgen muss, wenn alles austreibt – aber das funktioniert einfach nicht, wenn ich zu wenig Mitarbeiter habe. Nächstes Beispiel: die Erzieherinnen. Überall wurde während Corona Beifall geklatscht und politisch diskutiert, dass die Erzieherinnen besser bezahlt werden sollen. Dann ist es ein Schock, wenn plötzlich die Personalkosten steigen. Das ist aber die logische Konsequenz.

Kinderbetreuung und ÖPNV, wofür muss die Stadt noch viel Geld bezahlen?

Rebmann: Die Sportstätten sind ein riesiger Posten. Eine Sporthallenstunde für den Schul- und Vereinssport kostet die Stadt ungefähr 200 Euro. Wir verlangen von den Vereinen aber nur 8,25 Euro netto. Oder die steigende Kreisumlage. Es gibt viele Dinge, für die der Kreis zuständig ist. Dafür müssen wir bezahlen, diese Dienstleistungen bekommen wir ja nicht umsonst. Auch die Energiekosten laufen uns davon.

In Eppelheim gibt es das Ziel, die Schulden innerhalb von 15 Jahren zu halbieren. Wie kam es dazu?

Rebmann: Der Weg hat 2018 begonnen, als wir strategische Ziele erarbeitet haben. Eines davon war natürlich die Schuldenreduzierung. Es bleibt uns ja auch gar nichts anderes übrig. Die Schulden in 15 Jahren zu halbieren, ist eine ziemliche Herausforderung. Aber bislang haben wir unsere Teilziele erreicht.

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Wie wird entschieden, für was wie viel Geld ausgegeben wird?

Rebmann: Fast 90 Prozent des Haushaltes entfallen allein schon auf unsere Pflichtaufgaben und auf Fixkosten wie Energie. Dagegen kann man nichts tun, außer Energie einzusparen, wie das jeder tut. Es ist aber so, dass der Haushalt die originäre Aufgabe des Gemeinderats ist. Dort wird die politische Richtung festgelegt, was mit dem Geld, das frei zur Verfügung steht, passiert. Es ist nicht immer einfach zu verstehen, wofür öffentliche Mittel eingesetzt werden können, wofür sie eingesetzt werden dürfen. Am Schluss ist es immer eine politische Entscheidung. Das ist ein Zusammenspiel.

Wo ist das größte Einsparpotenzial vorhanden?

Rebmann: Das ist eine politische Frage. Die kann auch nur politisch beantwortet werden – und zwar von der Mehrheit des Gemeinderats.

Und aus Ihrer Sicht?

Rebmann: Jede freiwillige Ausgabe ist keine Pflichtaufgabe. Die politische Richtung ist nicht meine Aufgabe. Deswegen: Einsparpotenzial, ja, haben wir natürlich, aber das ist eine Frage der politischen Mehrheit.

Was sind freiwillige Ausgaben?

Rebmann: Es gibt Leistungen, die wir aufgrund von gesetzlichen Verpflichtungen haben. Wie zum Beispiel die Kinderbetreuung in Eppelheim. Im Gegensatz dazu könnte man sagen: Alles, was Spaß macht, und alles, was schön ist für die Bürger, sind freiwillige Leistungen. Zum Beispiel der Neujahrsempfang. Oder die Kerwe im Herbst. Und das ist immer das, was ich versuche zu vermitteln. Eine Stadt funktioniert nur, wenn sie gesellschaftlichen Zusammenhalt hat. Deshalb brauchen wir diese schönen Veranstaltungen. Und deswegen wird es auch für Gemeinderäte in mageren Zeiten immer schwieriger, Spaß an diesem Amt zu haben – weil man kaum noch etwas gestalten kann, wenn kein Geld da ist.

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Wie oft sind Sie am Tag mit den Finanzen der Stadt beschäftigt?

Rebmann: Dieses finanzielle Damoklesschwert hängt über jeder einzelnen Entscheidung. Die Kommunen sind aus meiner Sicht nicht ausreichend finanziert, um das Selbstverwaltungsrecht auszuüben.

Was wünschen Sie sich von Land und Bund?

Rebmann: Dass man mit diesen Förderungen aufhört. Ich muss ja für jeden Euro, den ich ausgeben möchte, beispielsweise 80 Cent selbst in der Kasse haben. Eine 80- oder 90-Prozent-Förderung klingt zwar toll, hilft mir aber nichts, wenn ich die Eigenmittel nicht habe. Das wird in der Öffentlichkeit leider meistens nicht gesehen. Und dann sind die Fristen zu kurzfristig. Da wird ein Förderprogramm aufgelegt, bei dem man alle Unterlagen innerhalb von vier Wochen eingereicht haben muss. In der Zeit kann ich weder Beschlüsse fassen noch Absichtspläne machen. Und oft sind die Voraussetzungen auch sehr hoch, um die Förderung zu bekommen. Wenn es in einem einzigen Punkt nicht passt, bekommt man nichts. Dieser Dschungel ist undurchsichtig. Da bräuchte ich eigentlich eine ganze Stelle für einen Mitarbeiter, der sich den ganzen Tag nur Förderungen durchliest.

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Gehen wir mal davon aus, dass Eppelheim keine finanziellen Probleme hätte. Wo würden Sie investieren, wo gibt es Bedarf?

Rebmann: Dort, wo man es nicht sieht. Das gilt für alle Bereiche. Für Straßen, für Kanäle, für die Sanierung von Gebäuden. Da müsste sehr viel mehr möglich sein.

Welche Herausforderungen sehen Sie für 2024?

Rebmann: Bei der Flüchtlingsunterbringung. Auch da gibt es immer wieder sogenannte Zuschüsse oder Förderungen. Und man muss trotzdem etwas neu bauen oder dazukaufen, wie wir es mit einem Gebäude in der Albert-Lortzing-Straße im vergangenen Jahr getan haben. Man darf nicht vergessen: Die Fluchtbewegungen sind momentan beständig. Es ist viel los in der Welt. Dazu kommen weitere Projekte: Wir legen gerade die Baugrube für die neue Sporthalle an. Das zahlt die Stadt. Und wir planen den Anbau der Feuerwehr und sanieren das Gebäude. Trotz der angespannten Situation investieren wir in die Zukunft dieser Gebäude. Das ist ein großer Kraftakt. Aber ich bin überzeugt, dass es gut ist, weiter zu investieren und trotzdem die Schulden zu reduzieren. Seit ich in Eppelheim Bürgermeisterin bin, wurden keine neuen Schulden aufgenommen. Bis jetzt konnten wir das durchhalten.

Redaktion Linda Saxena ist Print- und Online-Redakteurin in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung und zuständig für Plankstadt und Eppelheim.

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