Ketsch. „Die Bekämpfung der Tigermücke in Gemeinden wie Ketsch hat extrem viel mit Vertrauen zu tun. Vertrauen zwischen den Anwohnern und den handelnden Personen. Wenn das nicht vorhanden ist, ist die Arbeit, die wir hier in der Enderlegemeinde leisten, so gut wie nicht möglich“, berichtet Hans Jerrentrup von der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (Kabs), während er sich auf den Weg zu seiner zweiten Applikationsrunde in Ketsch macht.
Denn mit insgesamt zehn dieser Runden hat die Verwaltung – nach Zustimmung durch den Gemeinderat – die Schnakenbekämpfer beauftragt. Wer in Ketsch wohnt, der weiß, wie lästig die Stechmücken werden können. Dies liegt an der Nähe zum Rhein, wo die Kabs seit Jahrzehnten aktiv gegen die Verbreitung der blutsaugenden Insekten vorgeht. Ältere Bürger der Enderlegemeinde werden sich noch an die Zeiten vor den Maßnahmen der Kabs erinnern – damals konnte man im Sommer bereits zur Mittagszeit nicht auf die hauseigene Terrasse, ohne eine Invasion von Schnaken zu erleben.
Daher ist es auch nicht verwunderlich, was Jerrentrup weiter berichtet: „Die Ketscher sind bei dem Thema Stechmücken sehr aufgeschlossen, da sie wissen, wie sehr die Verbreitung ausarten kann. Bei unseren Applikationsrunden gibt es nur einen schwindend geringen Teil an Verweigerern.“ Damit meint der Diplom-Biologe die Personen, die den Schnakenbekämpfern keinen Zutritt zu ihrem Grundstück gewähren.
Sie brütet in stillen Gewässern
Denn dieser ist notwendig für die Applikationsrunden. Die Tigermücke brütet in stillen Gewässern, die häufig in Gärten vorkommen – dazu zählen Regentonnen, Tränken oder schlichtweg Wasser, das sich in einer Vertiefung angesammelt hat. „Gefährlich sind dabei auch Gießkannen. Dort bleibt immer ein kleiner Rest Wasser drin. Wenn man diesen stehen lässt, ist das eine ideale Brutstätte für Tigermücken. Daher empfehlen wir, Gießkannen immer nach der Verwendung umzudrehen, damit die Rückstände ablaufen können“, so Jerrentrup.
Der 70-Jährige weiß, wovon er spricht: Als Diplom-Biologe ist er seit über vierzig Jahren in der Bekämpfung von Schnaken im Einsatz – viele Jahre in Griechenland und Österreich, bevor er 2021 zur Speyerer Kabs kam, um die Abteilung gegen die Ausbreitung der Tigermücke zu leiten. Die invasive Art breitet sich immer mehr in Deutschland aus und kann im Gegensatz zu den heimischen Schnaken etliche gefährliche Krankheiten übertragen. Dazu zählen das Denguefieber und das Zika-Virus.
Umso wichtiger ist die Arbeit, die die Kabs unter anderem in Ketsch leistet. „Wir haben hier 30 Mitarbeiter im Einsatz. Diese sind auf verschiedene Gebiete in der Enderlegemeinde aufgeteilt“, so Jerrentrup, der die Leitung für die Gemeinden Ketsch, Brühl und Hockenheim innehat. „Wir stoßen personaltechnisch schon an die Grenzen, es ist wirklich sehr viel zu tun“, berichtet der Biologe auf dem Weg zu der Kabs-Garage in Ketsch.
Garage als Schaltzentrale in Ketsch
Diese ist die Schaltzentrale von Jerrentrup und seinen Mitstreitern. Ein Blick in die vom Bau her herkömmliche Garage zeigt die vielen recht simpel wirkenden Ausrüstungsgegenstände, die die Kabs im Kampf gegen die Tigermücke benötigt. An den Wänden reihen sich – hochgestapelt – kleine und größere schwarze Gefäße sowie handliche Sprühflaschen. Im Zentrum des Raums steht ein Tisch mit Stühlen, bestückt mit Unterlagen und einer großen Kunststofftruhe, in der sich gesammelte Proben befinden, die den Weg in die Kabs-Zentrale zur Analyse noch vor sich haben.
Mit sichtlichem Stolz präsentiert Jarrentrup die Schaltzentrale und erklärt deren Zweck: „Jeder der Mitarbeiter, der in den drei Orte im Einsatz ist, hat Zugang zu der Garage und kann hier seine Arbeitsmaterialien holen und wieder abstellen. Dafür sind wir der Gemeinde Ketsch sehr dankbar, die sich in die Tigermückenbekämpfung mit großem Engagement einbringt und uns diesen Ort zur Verfügung stellt“.
Dabei sei vor allem die Zusammenarbeit mit dem Ketscher Umweltbeauftragten Dominique Stang sowie Bürgermeister Timo Wangler sehr harmonisch. Die Gemeinde ist stark bemüht, um über die Gefahren der Tigermücke aufzuklären: Es wurden Briefe verschickt und Poster im Ortsgebiet werden folgen. Außerdem gibt es auf dem Rathaus kostenlose BTI-Tabletten, die die Bürger zur Bekämpfung der stechenden Plage in Eigenregie abholen können.
Doch bevor Jerrentrup seine zweite Applikationsrunde in der Enderlegemeinde startet, gibt er Einblick in die Arbeitsweise der „Task-Force-Tiger“. Die vielen Gefäße, die an den Wänden der Garage gestapelt sind, werden als Fallen genutzt. Da die invasive Art ihre Brutstätten ursprünglich in Berghöhlen angelegt hatte, versuchen die Experten, ein farblich ähnliches Szenario nachzustellen, um die Fallen attraktiver für ausgewachsene Tiere zu machen.
„Daher sind die Gefäße schwarz, dies soll Dunkelheit vermitteln“, so Jerrentrup. Die etwa 20 Zentimeter hohen Eimerchen werden zu etwa drei Viertel mit Wasser gefüllt und an schattigen Plätzen mit Hilfe eines herkömmlichen Kabelbinders aufgehängt. „Doch das ist nicht alles: Im Wasser platzieren wir ein aus Holz bestehendes Stäbchen mit rauer Oberfläche. Dort legen die Tigermücken ihre Eier ab. Wenn wir die Behälter im Rhythmus von einigen Tagen einsammeln, können wir anhand der abgelegten Brut die Population in dem Gebiet analysieren“, erklärt der Biologe Einblicke den Aufbau der Fallen.
Lebendfallen gegen Mückeninvasion im Einsatz
Zusätzlich gibt es auch größere Gefäße, die etwas aufwendiger aufgebaut werden und die erwachsenen Tiere lebend einfangen – all dies dient der Dokumentation. Dieser wiederum ist zwingend notwendig, um die weitere Vorgehensweise der Bekämpfung festzulegen. Das Installieren und der Austausch dieser Fallen sind essenzielle Bestandteile der Applikationsrunden, die aktuell in der Enderlegemeinde stattfinden.
Welch immenser Aufwand hinter der Bekämpfung der Tigermücke steckt, beweisen die Ausführungen Jerrentrups bezüglich der digitalen Erfassung, die die Mitarbeiter der Kabs betreiben: „Wir haben hier ein ausgeklügeltes digitales System. Die Mitarbeiter tragen alles, was sie machen, in eine App ein, daher zählt auch ein entsprechendes Handy zur Standardausrüstung der Applikationsrunden.“
Ketsch ist in Bezirke aufgeteilt
Vor dem Start der Maßnahmen wurde die Enderlegemeinde in unterschiedliche Bezirke eingeteilt, auch unter Beachtung, wo bereits Sichtungen der Tigermücke registriert wurden. Die Bezirke sind nochmals in Grundstücke unterteilt – eben jene, auf die die Mückenbekämpfer auf ihren Runden Zutritt benötigen. „Das System ähnelt einer Ampel: Wenn ein Mitarbeiter auf einem Grundstück war, dort die stillen Gewässer mit BTI angereichert, die Fallen ausgetauscht oder neu platziert hat, dann stellt er das betroffene Grundstück per App auf Grün.
Nach zwei Wochen wird daraus Gelb, was bedeutet, dass ein erneuter Besuch notwendig wird. Geschieht dieser nicht zeitnah, dann wird das Grundstück Rot und der Mitarbeiter sollte dringend dorthin.“
Auch die platzierten Fallen werden in der App akkurat markiert – wie bereits erwähnt, werden diese an schattigen Plätzen angebracht und im regelmäßigen Abstand ausgetauscht. Bevor sich Jerrentrup auf den Weg zu seinen zugeteilten Grundstücken macht, „bewaffnet“ er sich noch mit Fallen und einer BTI-Sprühflasche.
Das BTI – Bacillus thuringiensis israelensis – wird dabei als niologisches Schädlingsbekämpfungsmittel genutzt und tötet die Brut der Tigermücke ab. „Es hält sich allerdings nur effektiv zwei bis drei Tage im Wasser, daher muss die Zufuhr regelmäßig erfolgen“, lässt Jerrentrup wissen, bevor er seine Materialien in sein Auto packt und sich auf den Weg zu den Grundstücken macht.
Vertrauen ist essenziell, so der Tigermücken-Experte
Während der Fahrt gibt der Biologe Einblicke in die Arbeit vor Ort und kommt auf das anfänglich erwähnte Vertrauen zurück: „Es ist natürlich nicht selbstverständlich, dass man einer wildfremden Person die Tür öffnet und Zutritt zu seinem Grundstück gewährt. Daher sind wir bemüht, unsere Mitarbeiter im Umgang mit den Anwohnern zu schulen und ihnen über Jahre hinweg die gleichen Bezirke zuzuteilen. So entsteht eine Verbindung zu den Grundstückseigentümern.“
Dabei treffe er in den meisten Fällen auf Aufgeschlossenheit, doch es hat auch schon Ausnahmen gegeben: „Ich habe schon einiges gehört. Beispielsweise, dass das BTI den Pflanzen geschadet hätte und diese nicht mehr so schön blühen wie im Vorjahr und die Bekämpfung daher nicht mehr erwünscht ist. Auch Diskussionen, die schnell vom eigentlichen Thema abgewichen sind und bei der internationalen Politik samt Verschwörungstheorien geendet sind, habe ich schon geführt.“
Doch der Biologe betont, dass dies nur ganz seltene Ausnahmen sind und die Bewohner der Gemeinde Ketsch ein hervorragendes Vorbild für die Mitarbeit bei der Bekämpfung seien. Angekommen in der Straße, wo sich die zu bearbeitenden Grundstücke liegen, spielt nun auch Glück eine Rolle. „Oft sind die Besitzer auch einfach nicht zu Hause. Dann müssen wir zeitnah nochmals vorbeikommen“, so der 70-Jährige.
Bei den ersten beiden Grundstücken bleibt besagtes Glück aus: Es wird nicht geöffnet. Beim dritten Versuch ist dann zu sehen, was der Biologe mit dem angesprochenen Vertrauen gemeint hat. Der Besitzer öffnet und weiß direkt über den Ablauf Bescheid. Jerrentrup kommt bereits seit drei Jahren zu diesem Grundstück und schnell entstehen vertraute Gespräche, während er sich an seine Arbeit macht.
Regentonne kann gefährlich werden
Zunächst geht es einen etwas 20 Meter weiten Weg durch einen kleinen Schuppen in den Garten. Dieser ist gemütlich eingerichtet, im hinteren Bereich sind Hochbeete zu sehen, in denen Obst und Gemüse am Wachsen ist. Doch für Jerrentrup sind andere Aspekte wichtig: Die Regentonne, die direkt am Garteneingang steht und gefüllt mit Wasser ist. „Zwar ist diese abgedeckt und somit eigentlich nicht zugänglich zur Eierablage, aber wir gehen auf Nummer sicher“, kommentiert Jerrentrup, während er einige Spritzer der BTI-Lösung in die entsprechende Regentonne gibt.
Etwas im Dickicht einiger Sträucher steht indes ein Gartenzaun, an dem eine der Fallen angebracht ist. Wie der Biologe berichtet, ist bei dieser noch kein Austausch notwendig. Daher spritzt er auch hier etwas aus der Sprühflasche in das Wasser. Nach einer eingehenden Inspektion ist der Besuch der Kabs auch schon wieder zu Ende. Die inmitten des Gartens stehende Vogeltränke wird dabei nicht berücksichtigt. „Hier tauschen die Bewohner regelmäßig das Wasser aus und betreiben somit schon selbst die Bekämpfung“, lässt Jerrentrup wissen.
Nach einigen netten Worten und Anekdoten aus dem „früheren“ Ketsch geht der Biologe auch wieder seiner Wege. Bevor es dann zum nächsten Einsatzort geht, erfasst Jerrentrup noch seine Arbeit auf diesem Grundstück, das nun in der App von Geld auf Grün wechselt.
Zukunft schon im Blick
Die zweite Applikationsrunde in der Enderlegemeinde wird noch einige Tage dauern. Die restlichen acht sollen bis September abgeschlossen sein. „Dann geht es an die Datenanalyse und anhand dieser beginnen schon die Planungen für das kommende Jahr“, so Jerrentrup, der laut eigener Aussage schon etliche Stiche der Tigermücke abbekommen hat und keine angenehmen Erinnerungen an diese hat.
Langfristig baut sowohl die Kabs als auch die Gemeinde auf die Eigeninitiative der Ketscher, wie auch Bürgermeister Timo Wangler betont: „Das Ziel ist, dass die Applikationsrunden der Kabs irgendwann nicht mehr notwendig sind und die Bürger mithilfe der kostenlosen BTI-Tabletten die Bekämpfung selbst in die Hand nehmen.“
Für den einzelnen Gartenbesitzer sollte dies kein allzu großer Aufwand sein: Es gilt, unnötig stille Gewässer zu vermeiden und in die n notwendigen wie Regentonnen einfach im Rhythmus von zwei bis drei Tagen eine BTI-Tablette zu werfen. Ein wohl nicht zu großer Akt, wenn man an Krankheiten wie das Denguefieber oder das Zika-Virus denkt.
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