Schwetzingen. Alles hätte so schön sein können. Da hat die Stadt Schwetzingen endlich ein neues Domizil für „Die Brücke“ gefunden, da haben sich zusätzliche Vorstandsmitglieder gefunden, neue Ehrenamtliche für die Obdachlosenhilfe engagiert und die Spendenbereitschaft der Bevölkerung und der Geschäftsleute wuchs durch die positiven Berichte in unserer Zeitung deutlich. Aber die „Neuen“ im Team schauten dann wohl doch etwas genauer hin und entdeckten Dinge, die sie kaum glauben konnten. Es kam etwas ins Rollen, das nun nur noch schwer zu stoppen ist und vielleicht die ganze gute Sache in Gefahr bringt. Und daran hat nach unseren Recherchen ein Vorstandsmitglied des gemeinnützigen Vereins „Die Brücke“ einen unrühmlichen Anteil. Aus juristischen Gründen können wir derzeit den Namen nicht nennen.
Soziale Medien und Vereinswerte: Unpassende Posts sorgen in Schwetzingen für Aufruhr
Los ging alles mit weitergeleiteten Posts auf Facebook, in denen das Vorstandsmitglied Gedankengut der AfD und deren Vorsitzender Alice Weidel transportiert sowie dort Meinungen geliked hat, die eigentlich einem Vorstand eines Vereins, der sich der Hilfe von Bedürftigen widmet, nicht gut anstehen. Das hat die beiden Schwetzinger Maite Viusa und Michael Nonnenmacher nach reiflicher Überlegung dazu getrieben, einen Leserbrief an unsere Zeitung zu schreiben. Darin heißt es unter anderem: „Als die Wärmestube des Vereins ,Die Brücke‘ im letzten Jahr die neuen Räumlichkeiten in der Friedrich-Ebert-Straße eröffnete, freuten wir uns wie viele andere Bürger mit dem Verein.
Die verschiedenen positiven Zeitungsberichte und persönlichen Gespräche motivierten uns zu einer Mitgliedschaft. Wir unterstützen sehr gerne gemeinnützige, soziale Vereine und setzen uns selbst seit Jahren für sozial benachteiligte Minderheiten ein. Anfang Februar sind wir dann aber auf das Facebook-Profil des Vorstandsmitglieds gestoßen, das mit dem großen Logo des Vereins als Hintergrundbild öffentlich für jedermann ersichtlich war. Bestürzt und entsetzt mussten wir feststellen, dass dieser populistische AfD-Videos teilte und guthieß.“
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Die beiden ehrenamtlichen Helfer stellen sich die Frage: „Wie ist das vereinbar, Vorstand eines gemeinnützigen Vereins zu sein, Minderheiten unterstützen zu wollen (und da gehören alle dazu – auch geflüchtete Menschen, die die menschenverachtende Partei AfD aus Deutschland vertreiben möchte) und dann diese Videos in verschiedenen Kanälen zu posten und zu verbreiten?“ Sie wandten sich auch schriftlich an den gesamten Vorstand: „Da wir auf keinen Fall einen Verein unterstützen wollen, der nur ansatzweise die Ideologie der AfD gutheißt, baten wir um eine Stellungnahme.
Ehrenamtliche Konfrontation bei der "Brücke": Vorstandsbesuch führt zu Vereinsaustritt
Es trieb uns sehr um, dass das Vorstandsmitglied dieses Vereins AfD-Videos geteilt hat. Nachdem wir auf die Videos gestoßen waren, baten wir den gesamten Vorstand des Vereins um eine schriftliche Stellungnahme, erhielten aber leider keine. Stattdessen klingelte besagtes Vorstandsmitglied einige Tage später unangekündigt an unserer Wohnungstür. Völlig überrumpelt von diesem Besuch, hörte ich mir die Erklärungsversuche und Entschuldigungen an.
Man habe alle Postings aus allen Kanälen gelöscht. So ein Verhalten wollen wir nicht mal als passive Mitglieder unterstützen. Wir kündigten unsere Mitgliedschaft. Erst danach bestätigte man uns den Austritt mit dem Hinweis, dass der gesamte Vorstand den Austritt „jeder Person“ bedauere und sich das Vorstandsmitglied nochmals entschuldige. Bei uns bleibt allerdings ein fader Geschmack“, heißt es in dem Schreiben unserer Leser.
Interne Unstimmigkeiten und Rücktritte erschüttern "Die Brücke" in Schwetzingen
Da wir fairen Journalismus betreiben, haben wir weiterrecherchiert und herausbekommen, dass es innerhalb des Vorstands brodelt, es bereits ein Treffen unter der Moderation von Margit Rothe von der evangelischen Kirche, die auch Mitglied im Verein ist, gegeben hatte. Dort waren nach der Aussage von Teilnehmern Meinungen und Schuldzuweisungen aufeinandergetroffen – und auch hier hatte sich das Vorstandsmitglied wohl entschuldigt.
Allerdings wirkte das auf die Kritiker halbherzig und war mit Schuldzuweisungen an bestimmte Vorstandskollegen gespickt. Vorstandsmitglied Raquel Rempp wurde damit beauftragt, Maite Viusa und Michael Nonnenmacher davon abzuhalten, durch einen Leserbrief die Vereinsmisere öffentlich zu machen. Das hat sie aber aus Überzeugung nicht gemacht.
Weitere Vorwürfe beim Verein "Die Brücke": Räumlichkeiten für Geburtstagsfeier genutzt?
Vorstandsmitglied Thomas Proft wurde dann aus der Whatsapp-Vorstandsgruppe ausgeschlossen, damit man sich nur noch mit den Wohlgesonnenen austauschen kann. Er wurde quasi heruntergestuft und von der Vorstandsgruppe in die Gruppe „Helferlein“ umsortiert. In der Folge ist er dann von seinem Amt zurück- und aus dem Verein ausgetreten. Und da ist er nicht der Einzige geblieben. Auch Raquel Rempp hat ihr Vorstandsamt niedergelegt, blieb aber Mitglied im Verein. Inzwischen beschränkt sich der Kreis der Vorstandschaft weitgehend auf die Personen, die seit Jahren eng an der Spitze des Vereins zusammenarbeiten.
Zu den Vorwürfen des Posts, die mit einer ernst gemeinten Distanzierung und Entschuldigung vielleicht noch aus der Welt zu schaffen gewesen wären, kommen inzwischen weitere Vorwürfe gegen besagtes Vorstandsmitglied. So soll der Raum der „Brücke“ Ende Februar für eine private Geburtstagsfeier genutzt worden sein. Die Stadtverwaltung bestätigte inzwischen, dem Vorstandsmitglied in einem Schreiben mitgeteilt zu haben, dass dies nicht erlaubt sei und untersagte dies als Vermieter der „Brücke“ für die Zukunft ausdrücklich. Weiterhin berichten Ehrenamtliche im Gespräch mit dieser Zeitung, in der mitgemieteten Garage stehe ein Privatauto – seit vielen Wochen.
Juristische Auswege und Anschuldigungen: Die Vereinskrise spitzt sich zu
Mit elf Fragen, die sowohl die Posts in sozialen Medien als auch eine etwaige Nähe zur AfD sowie die Nutzung des Raumes betreffen und in denen die Zeitung wissen wollte, wie die schwierige Situation im Verein und im Vorstand wieder gekittet werden könnte, hat diese Redaktion dann das Vorstandsmitglied konfrontiert. Sie sind leider alle unbeantwortet geblieben. Stattdessen hat der Schwetzinger Rechtsanwalt Heinz Schlesinger eine Vollmacht übermittelt mit dem Aktenmerk „Verleumdung“. Darin teilt Schlesinger unserer Zeitung Folgendes mit: „Unter Vollmachtsvorlage zeige ich Ihnen meine Vertretung . . . an und beziehe mich auf Ihre Anfrage.
Die Damen Raquel Rempp und Rosa Maria Gold (und vielleicht auch noch andere) versuchen, meinen Mandanten in eine politische Ecke zu drängen, in die er wirklich nicht gehört. Anlass waren Posts, in denen mein Mandant das Grundrecht der freien Meinungsäußerung vehement verteidigt hat, aber unglücklicherweise das Logo der AfD zu sehen war. Er hat sich bei allen entschuldigt, die ihn dazu berechtigterweise gerügt haben. Dabei sollte es aber auch sein Bewenden haben. Mein Mandant sieht deshalb auch nicht den geringsten Grund, sich zu Ihrem Katalog von elf Fragen rechtfertigen zu sollen. Nicht zuletzt achtet er die Weisheit, die man in Frankreich ebenso knapp wie prägnant prägt: Qui s’excuse s’accuse (das heißt: Wer sich entschuldigt, klagt sich an). Dauert die Kampagne allerdings an, wird sich der Mandant mit meiner Hilfe zu erwehren wissen“, schreibt Anwalt Schlesinger.
Die beiden genannten Vorstandsmitglieder Raquel Rempp und Rosa Maria Gold waren übrigens bei der Zeitungsanfrage nicht die treibenden Kräfte. Die Fragen lagen dem Vorstandsmitglied bereits vor, bevor wir überhaupt mit den beiden gesprochen hatten. Rempp wurde durch uns kontaktiert, weil sich im Zuge der Recherchen herausgestellt hatte, dass sie vom Vorstandsamt zurückgetreten war.
Und das, wo sie sich doch jahrelang mit Stellungnahmen und Leserbriefen massiv dafür eingesetzt hatte, dass endlich eine gute Lösung für das Weiterbestehen der „Brücke“ gefunden werden muss. Besagtes Vorstandsmitglied hatte sie im letzten Jahr mehrfach telefonisch und schließlich bei einem persönlichen Besuch bei ihr zu Hause geradezu dazu überredet, sich in den Vorstand wählen zu lassen.
Forderung nach Transparenz und Anstand im sozialen Engagement
Nun wird ihr vorgeworfen, den Verein „sprengen“ zu wollen. Rosa Maria Gold ist als Kassenprüferin gewählt worden und kündigt unserer Zeitung gegenüber an, ihre Aufgabe gewissenhaft durchzuführen. Zumal bei der letzten Hauptversammlung laut der Berichte von weiteren Mitgliedern kein korrekter Kassenbericht vorgelegt werden konnte. Übrigens verfügt der Verein „Die Brücke“ zur Überraschung einiger Vorstandsmitglieder über ein hohes Kassenvermögen.
In unserer Redaktion hatten sich am Gründonnerstag acht Ehrenamtliche und amtierende und zurückgetretene Vorstandsmitglieder versammelt, um den Vorwurf, sie wollten den Verein „sprengen oder kaputtmachen“ weit von sich zu weisen: „Uns geht es um Transparenz. Der Verein muss seine finanziellen Belange offenlegen und es muss klar festgelegt werden, wie das von Bürgern und Geschäftsleuten gespendete Geld verwendet wird. Schließlich hat auch die Stadt den Verein beim Umbau der Räumlichkeiten massiv unterstützt“, sagen die Kritiker: „Wir wollen, dass der Verein Gutes tut, aber für die Menschen, die das auch wirklich brauchen.“
Und sie wünschen sich noch etwas: „Mich erschrickt der Ton, der in der ,Brücke‘ dann herrscht, wenn die Menschen nicht da sind, denen geholfen werden soll. Da wird in einer Art abschätzig über sie gesprochen, dass es mich anwiedert“, sagt Norica Gluhevic. Auch darüber müsse man dringend sprechen. Wenig hilfreich sei es dann, wenn ein ebenfalls in der „Brücke“ engagierter Stadtrat einem zu verstehen gebe, man solle „die Füße stillhalten“, sagt Raquel Rempp.
Rempp und Gold jedenfalls haben jetzt eine Initiative gestartet, um eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen. Da sollen dann Ziele des Vereins und das Verhalten des Vorstands aufgearbeitet werden. Das scheint beiden schon deshalb angebracht, weil ja mehrere Vorstandsposten inzwischen nicht mehr besetzt sind. Zudem müsse auch darüber gesprochen werden, wie und von wem Minijobs in der Einrichtung vergeben werden und ob man tatsächlich mit der Hilfe auch Obdachlose erreiche und so dem eigentlichen Vereinszweck noch diene oder wie dieser Zweck verändert werden könne.
Dringender Handlungsbedarf: Stadt und Kirchengemeinde schalten sich ein
Inzwischen schrillen auch im Rathaus die Alarmglocken. Nicht nur wegen des Abmahnschreibens an das Vorstandsmitglied wegen seiner Privatfeier in den Räumlichkeiten. Am Dienstag nach Ostern gab es eine Krisensitzung. Margit Rothe setzte uns danach darüber in Kenntnis, dass „wir als evangelische Kirchengemeinde heute mit Bürgermeister Steffan im Gespräch waren. Die Kirchengemeinde schrieb anschließend einen Brief an den Vorstand der ,Brücke‘ mit der Bitte, sich in einer außerordentlichen Vorstandssitzung zusammenzusetzen und über die Themen zu sprechen, die momentan brisant sind und dem Vorstand vorgeworfen werden. Kirchengemeinde und Stadt sind sich einig darin, dass es wert ist, den Verein zu erhalten und dabei mitzuhelfen, Missstände aufzuklären und Perspektiven zu suchen“, so Rothe.
Bürgermeister Matthias Steffan, der sich ja persönlich bei der Suche nach den Räumlichkeiten sehr engagiert hatte und froh war, eine solch gute Lösung gefunden zu haben, glaubte offensichtlich, dass sich mit der Entschuldigung des Vorstandsmitgliedes für seine „unmöglichen Posts“ die Sache beruhigt habe. „Wenn ich aber höre, was noch alles auf den Tisch kommt, dann hilft jetzt nur die komplette Offenlegung aller Vorwürfe und die transparente Aufarbeitung“, sagt er. Der Verein sei eine Herzensangelegenheit für die Stadt und man wolle alles tun, um ihn am Leben zu erhalten für die Menschen, die hier mehrmals in der Woche essen gehen und so Kontakt und Hilfe bekommen.
Das versichern übrigens auch die Kritiker und in einem der Schreiben, das wir einsehen konnten, das Vorstandsmitglied, das sich nach Angaben seines Anwalts auch in der Flüchtlingshilfe engagiert hat. „Für mich war es da umso unverständlicher, warum solche Dinge gepostet wurden“, sagt Bürgermeister Steffan. Sollen die Verwerfungen wieder beseitigt werden, bedarf es jedenfalls großer Anstrengungen aller.
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