Kultur

Die SWR Festspiele in Schwetzingen sind nicht gefährdet

Wie geht es mit den Schwetzinger SWR Festspielen weiter? Darüber hat SZ-Chefredakteur Jürgen Gruler mit Anke Mai gesprochen, der Programmdirektorin Kultur, Wissen, Junge Formate im Südwestrundfunk, die auch für die hiesigen Festspiele verantwortlich ist.  

Von 
Jürgen Gruler
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Immer ein Höhepunkt bei den Schwetzinger SWR Festspielen – das Konzert der Orchesterakademie. © SWR/Elmar Witt

Wie finden Sie die diesjährigen Festspiele, hatten Sie die Möglichkeit, das eine oder andere vor Ort zu sehen?

Anke Mai: Ja klar, ich habe einige Aufführungen gesehen. Und ich war zum Beispiel gleich zum Auftakt sehr berührt von „Kapitän Nemos Bibliothek“, komponiert und dirigiert von Johannes Kalitzke. Ein Experiment mit Puppenspielern auf der Bühne neben den Sängerinnen und Sängern – einfach ergreifend – und mit diesem Bühnenbild und der Videobegleitung in jeder Beziehung ein Live-Erlebnis, das man so nur direkt vor Ort in seiner ganzen Kraft spüren kann. Solche Projekte zeichnen Schwetzingen aus und machen es so einzigartig: die Kombination aus Musikgeschichte und neuer Musik. Immer wieder kann man hier musikalische Entdeckungen machen. Sei es beim Heben von Schätzen aus dem Archiv oder bei Uraufführungen. In diesem Jahr kommt natürlich noch hinzu, dass wir nach zwei Jahren Pandemie endlich wieder fast normale Festspiele haben, gemeinsam Musik genießen können – und das noch dazu vor einer Frühlingskulisse, die sich zwischendurch schon wie Sommer anfühlte und die den zauberhaften Charme der Festspiele im Schloss und seinem wunderbaren Garten noch verstärkt.

Zur Person

  • Anke Mai (56) ist in Karlsruhe geboren. Sie studierte Deutsche Literatur, Amerikanische Kulturgeschichte und Kommunikationswissenschaften.
  • Ab 1993 hat sie als Korrespondentin im ARD-Studio Südosteuropa von den Kriegen in Ex-Jugoslawien berichtet, leitete dann bis 2003 das Studio.
  • Später hat sie als Korrespondentin aus dem ARD-Hauptstadtstudio berichtet, war für den BR leitend tätig.
  • Im Februar 2020 übernahm sie die Aufgabe der Programmdirektorin Kultur, Wissen, Junge Formate im SWR

Heike Hoffmann hat ja stark die Öffnung in die Stadt hinein betrieben. Wie finden Sie das?

Anke Mai: Das ist außerordentlich wichtig. Wir haben mit den Schwetzinger SWR Festspielen ein Musikereignis im Herzen unseres Sendegebietes. Das darf kein Satellit sein, sondern muss in sein Umfeld integriert werden. Ich bin Heike Hoffmann sehr dankbar dafür, dass sie diese Öffnung betrieben hat. Und ich wünsche mir für die Zukunft noch mehr Nähe, weil auch diese Emotionalität unglaublich wichtig ist für das Erleben klassischer Musik. Wir wollen ja Teil dieser Stadt, Teil der Region sein. Diese Nähe ist für den SWR eine Herzensangelegenheit.

Es ist ja immer die Rede davon, dass ab 2025 nochmals stärker gespart werden muss. Sind die Schwetzinger SWR Festspiele in Gefahr?

Anke Mai: Der SWR stellt sich als Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf schwieriger werdende finanzielle Bedingungen ein. Das heißt, wir werden ab 2025 vor großen finanziellen Herausforderungen stehen, die den gesamten Sender betreffen. Aber die Schwetzinger SWR Festspiele als solche sind dadurch nicht gefährdet. Wir werden uns die Frage stellen müssen, wie wir solche Veranstaltungen künftig produzieren und mit welcher Technik wir sie übertragen, damit auch in Zukunft das Publikum am Radio, an den Computern und überhaupt den digitalen Empfangsgeräten die Musik miterleben kann, denn es sind ja Rundfunk-Festspiele. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal unterstreichen: Unser Auftrag ist es, die Festspiele zu den Menschen zu bringen, die zum Beispiel nicht eine Karte für das Rokokotheater kaufen können, die vielleicht körperlich nicht in der Lage sind oder einfach zu weit weg wohnen – die aber durch die Rundfunkbeiträge natürlich ein Recht darauf haben, dass sie in den Genuss dieser Aufführungen kommen. Deshalb wollen wir auch weiterhin alles dafür tun, dass wir Kultur zu den Menschen nach Hause bringen. Das aber vielleicht durch smartere Produktionen, eine digitale Technik, die es uns erlaubt, den technischen Aufwand zu reduzieren, ohne die Qualität zu mindern. Aber, wie gesagt, da stehen wir am Anfang von Überlegungen, die nicht das Ziel haben, die Festspiele zu gefährden.

SWR-Programmdirektorin Anke Mai im Redaktionsgespräch. © SWR/Alex Kluge

Besonders teuer ist es ja, wenn Auftragsarbeiten wie eine Oper platziert werden, kann der SWR das künftig noch stemmen und will der Sender das?

Anke Mai: Die Opern sind wichtig für Schwetzingen. Wie wir das künftig finanzieren können, ist Teil unserer Beratungen, in die wir die Gesellschafter und natürlich vor allem die künftige künstlerische Leitung und die Redaktion im SWR mit einbeziehen werden.

Liegt in der Zusammenarbeit, wie dieses Jahr mit den Bregenzer Festspielen, ein Finanzierungshebel?

Anke Mai: Das sind die richtigen Modelle, die wir ausbauen wollen. Da hat Heike Hoffmann einen großen Erfolg erzielt und natürlich wünschen wir uns mehr solcher Projekte. Aber das ist alles andere als einfach. Ich glaube dennoch fest daran, dass wir als Kulturschaffende gemeinsam dafür sorgen müssen und können, dass wir diese Vielfalt erhalten. Wenn wir kooperieren, verteilen wir die Lasten auf verschiedene Schultern und machen Kulturerlebnis damit für mehr Menschen möglich.

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Welchen Stellenwert haben die Schwetzinger Festspiele im Sender – auch im Vergleich mit Donaueschingen?

Anke Mai: Alleine die Dauer und die Fülle der Übertragungen zeigt, dass man die beiden Ereignisse gar nicht vergleichen kann. In Schwetzingen sind wir einen Monat, in Donaueschingen ein Wochenende. Donaueschingen ist das Ereignis für Neue Musik, zu dem Menschen aus aller Welt regelmäßig pilgern und das die Stadt in einen kurzzeitigen Ausnahmezustand versetzt, genau wie unsere Redaktion und die Technik. Die Schwetzinger SWR Festspiele werden ebenfalls international übertragen, jedenfalls ausgewählte Produktionen. Auch das ist ein Kraftakt, aber sie sprechen ein anderes Publikum an und sie erzählen eine andere Geschichte. Beide, die Festspiele und die Donaueschinger Musiktage gehören untrennbar zum SWR, sie machen uns stolz auf die kulturellen Errungenschaften und die Vielfalt in unserem Sendegebiet. Beide sind auch Symbole des großen kulturellen Engagements des SWR, zu denen zum Beispiel auch unser Vokalensemble, das Symphonieorchester oder das Experimentalstudio gehören.

Heike Hoffmann wird ja nicht ewig als künstlerische Leiterin zur Verfügung stehen, denken Sie da schon an die Nachfolge?

Anke Mai: Das müssen wir ja. Die Planungszeiten im künstlerischen Betrieb greifen viele Jahre voraus – und wie Sie sagen, Heike Hoffmann hat auch immer klar gemacht, dass sie „nicht ewig“ zur Verfügung stehen wird. Es bedarf also einer guten Übergabe und rechtzeitiger Abstimmungen für die Zukunft. Wir sind da im engen Austausch mit den Gesellschaftern und haben uns darauf verständigt, zeitnah die Nachfolge zu regeln. Jetzt aber stehen noch die diesjährigen Festspiele im Mittelpunkt, für deren Gelingen, für die hohe künstlerische Qualität und Vielfalt ich Heike Hoffmann und ihrem Team nicht genug danken kann. Wir sprechen hier von einer Saison, die anfänglich noch von Corona geprägt war, die unter den Folgen natürlich zu leiden hatte – und die trotzdem ein großer Erfolg geworden ist. Die künstlerische Leiterin hat ein großartiges Programm auf die Beine gestellt, das wir noch ein bisschen genießen sollten, bevor wir an die nächsten Schritte denken.

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

Thema : Schwetzinger SWR Festspiele

  • Schwetzingen Einzigartige Klangreise mit dem Duo Gambelin bei den Schwetzinger Festspielen

    Das Duo Gambelin möchte sich nicht festlegen, weder auf eine Epoche, noch einen Stil oder ein herkömmliches Ensemble. So entstand beim SWR-2-Konzert „Grenzgänge Gambelin“ innerhalb der SWR Festspiele ein einzigartiger Klang zwischen Instrumenten, die in verschiedene Jahrhunderte einzuordnen sind. Geht es nach Lucile Boulanger, so darf und sollte man mit der Viola da Gamba nicht nur historische Aufführungspraxis betreiben, sondern auch in zeitgenössischer Musik ihre Schönheit zeigen. Zusammen mit Christian Elin ist ein Duo entstanden, das die Grenzen zwischen Renaissance und Barock auf der einen Seite und Jazz und zeitgenössischer Musik andererseits verwischt. Elin zeigte sich am Mittwochabend als Virtuose an der Bassklarinette und am Sopransaxofon, überraschte aber auch mit eigens für dieses Ensemble entstandenen Kompositionen. Zunächst zeigte das Gambelin-Duo, dass diese Kombination an Instrumenten durchaus mit der Musik des 16. Jahrhunderts vereinbar ist. Bedächtig eröffnete Boulanger mit einem Werk von Diego Ortiz, in dem Elin bald die zweite Stimme übernahm. Lockere Rhythmen erklangen in der Bearbeitung der „Recercada segunda“ und ließen das fast 500 Jahre alte Stück in einem neuen Licht erstrahlen. Ein erster kräftiger Applaus zeigte hohe Anerkennung, bevor das Duo einen Zeitsprung in die Gegenwart, zu Elins eigener Komposition machte: „La Chiesetta“ für Viola da Gamba und Bassklarinette war eines von mehreren Stücken des Interpreten und Komponisten, die die Zuhörer begeisterten. „Das Programm hat sich über viele Jahre entwickelt – sowohl meine Kompositionen als auch die Kompositionen der Alten Musik, die man ausprobiert. Das Besondere ist, diese Klänge herauszuarbeiten, zum Beispiel die Pizzicato-Klänge an der Viola da Gamba, wie sie sich kombinieren lassen mit einem Sopransaxophon ganz fein.“ Nach den verspielten Verzierungen, die bei Sieur de Sainte-Colombe und allgemein im 17. Jahrhundert üblich waren, glitt das Duo nahtlos wieder in die Gegenwart mit dem „Nebelmeer“ von Elin. Hier bildeten der helle Klang des Sopransaxofons über dem gleichbleibenden rhythmischen Muster der Viola da Gamba ein gegensätzliches und einander ergänzendes Paar. Besonders im Programm war auch die Bearbeitung von Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen, aus denen das Duo virtuos Aria, Variation 1, 13 und 7 präsentierte. War die Melodie den meisten Klassikkennern bekannt, so machte der neue Klang einen gewissen Reiz aus, den man nur beim ersten Kennenlernen des Meisterwerks empfindet. Während Elin in der nächsten Eigenkomposition mit einem technisch ausgefeilten Solo am Sopransaxofon das Publikum zum Staunen brachte, verschwand Boulanger im Künstlerzimmer, um den nächsten Protagonisten des Abends auf die Bühne zu holen. Als Elin die 13-saitige Lira da Gamba zum ersten Mal gehört habe, sei er sofort begeistert gewesen, erklärte er dem Publikum. Dieses Instrument sei selten solo und noch seltener in Kombination mit der Bassklarinette zu hören. In „Líncantesimo del profumo di legno“ schien die Bassklarinette von einem ganzen Streichorchester begleitet zu sein. Der experimentierfreudige Komponist hat bereits vier CDs mit seinen Werken veröffentlicht. Mit Boulanger entstand vor zwei Jahren ein Duo. Als Preisträgerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe gilt sie als Virtuosin ihres Fachs. In einem Solo für Viola da Gamba des Komponisten Carl Friedrich Abel (1723 – 1787) zeigte sie technische und künstlerische Perfektion. Mit Leichtigkeit spielte sie das Allegro und mit geschlossenen Augen fühlte sie jeden Ton des Moderatos. Nach einem großen gemeinsamen Finale mit Elins „Recercada primeira“, gewährte das Gambelin-Duo gerne noch eine Zugabe. Info: Das Konzert wird noch einmal am Donnerstag, 25. Mai, um 13.05 Uhr im SWR 2 ausgestrahlt.

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