Schwetzingen. Das dritte Bürgersymposium der Schwetzinger Bürgerinitiative gegen Bahnlärm (BGB) beschäftigte sich mit der Frage, ob die geplante Güterzugtrasse vor dem politischen Aus steht. Antworten dazu gaben die SPD-Bundestagsabgeordnete und Obfrau im Verkehrsausschuss, Isabel Cademartori, sowie der Bahnexperte Karl-Heinz Garre, ehemaliger Mitarbeiter der Bahn für Güter- und Fernverkehr.
Der BGB-Vorsitzende Herbert Brenner und die Vorstandsmitglieder begrüßten am Freitagabend im Palais Hirsch drei Dutzend Zuhörer, unter ihnen Gäste und Gegner der geplanten Trassenführung aus Plankstadt und Eppelheim. Brenner freute sich über die Teilnahme von Bürgermeister Matthias Steffan und Plankstadts Rathauschef Nils Drescher.
Die Bundespolitikerin Isabel Cademartori aus Mannheim beschäftigt sich intensiv mit dem Schienenausbau, auch in der Metropolregion. Im vergangenen Jahr habe es Rekordzahlen bei der Nutzung der Bahn gegeben, führte sie aus. Bis 2030 sollen die Fahrgastzahlen im Personenverkehr verdoppelt werden. Güterverkehr sei „extrem wichtig für die Wirtschaft und ihr Wachstum“. Wenn man Schwerlastverkehr von der Straße verbanne, könne am meisten CO2 eingespart werden. Wasserstraßen seien die einzigen Verkehrsträger, die noch Kapazitäten hätten: „Straße und Schiene sind voll ausgelastet. Deshalb braucht es diese Strecken, aber das bedeutet auch mehr Verkehr in der Zukunft.“
Cademartori: Güterzugtrasse nicht vor dem Aus
Die geplante Güterzugtrasse stehe keineswegs vor dem politischen Aus, habe man mit der Bahn eine „ehrliche Bestandsaufnahme“ gemacht. Von den für die Sanierung und den Ausbau des Schienennetzes benötigten 45 Milliarden Euro seien nun noch 27 Milliarden Euro „sicher im Haushaltsplan verankert“. Alle bis 2026 geplanten Maßnahmen würden fortgesetzt. „Das Projekt ist nicht bis zum Schluss ausfinanziert“, räumte sie aber ein. Das sei auch nichts Neues. Geld sei schon immer nach und nach zur Verfügung gestellt worden, verglich Cademartori die „große finanzielle Kraftanstrengung“ für die Verkehrsinfrastruktur mit dem Aufwand für die Bundeswehr.
Die Planungen für die Ausbaustrecke würden die Menschen in der Region in den nächsten Jahrzehnten intensiv begleiten. Die Infrastruktur müsse mitwachsen: „Es ist nicht gestoppt, aber auch nicht abgesichert. Es bleibt eine politische Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das System Bahn auskömmlich finanziert wird. Wir brauchen diesen Ausbau unbedingt.“ Eine neue Verkehrszahlenprognose für 2040 werde in der zweiten Jahreshälfte erwartet: „Dann könnten einige Varianten aus dem Rennen sein.“
Findungsprozess für Gütertrasse bei Schwetzingen „transparent und auf Kriterien basiert“
Diplom-Ingenieur Karl-Heinz Garre erläuterte für die Neu- und Ausbaustrecke das Planungsverfahren, die verkehrliche und betriebliche Aufgabenstellung, die Vorgehensmethode und die bisherigen Ergebnisse des Projekts mit dem Fokus auf Schwetzingen. Der Trassenfindungsprozess sei „transparent und auf Kriterien basiert“, die Auswirkungen auf Menschen, Lebensräume, Natur und Kulturlandschaft würden berücksichtigt. Aktuell sei das Projekt noch in der Grundlagenermittlung der technischen Machbarkeit. Dann folgten Vor- und Entwurfsplanung, Entwurf und Genehmigung, Baurecht und schließlich Ausschreibung, Vergabe und Bauausführung.
Rund 100 „Grobkorridor-Elemente“ seien im Suchraum nach Kriterien der Umweltverträglichkeit, Raumordnung und technischen Möglichkeiten ausgewertet und zu Linienfindungen zusammengefügt worden. Von zunächst 50 Linienverläufen seien nun acht übrig geblieben, die „technisch, wirtschaftlich, umweltverträglich und raumordnerisch miteinander verglichen werden“. Garre (Bild) zeigte eine schematische Darstellung der Bestandsinfrastruktur inklusive der Restkapazitäten für den gesamten Schienengüterverkehr im Untersuchungsraum: „Man möchte die Landschaft nicht zerschneiden, sondern die Verkehrswege bündeln.“
Personenfernverkehr und Nahverkehr sowie Schienengüterverkehr zeigten für Schwetzingen 1249 Züge pro Tag, stellte der Referent zu prüfende Elemente der Zielsysteme Raumordnung und Umwelt vor. Neuralgische Punkte werden als Gelenkpunkte definiert, daraus ergeben sich alternative Linienkorridore. Ein Linienkorridor ist ein bis zu einem Kilometer breiter Streifen, in dem eine spätere, mögliche zweigleisige Linienvariante verlaufen kann.
Es folgten noch Exkurse über Tunnelbauwerke und Schallschutz. Eine Neubaustrecke muss sicherstellen, dass die Bestandsstrecken nicht überlastet sind. Nur im Nachtzeitraum sind aufgrund des geringeren Personenverkehrs noch deutliche Reserven für den Güterverkehr vorhanden. Der Variantenvergleich werde mit dem Ergebnis aus dem Dialogforum vom Juli 2023 durchgeführt, meinte Garre, der vor 40 Jahren an der Schnellfahrstrecke von Mannheim nach Stuttgart mitgewirkt hatte. Der Ablauf eines Planfeststellungsverfahrens sei ein langer Weg. Erläuterungen zu Bauwerken in offener und geschlossener Bauweise sowie als ein Einschnitt oder eine sogenannte „Trog-Lage“ gab es als Zugabe. Die Güterzugtrasse sei „keineswegs vom Tisch“, stellte Garre klar. Seit den Anfängen der Bundesverkehrswegeplanungen sei es immer so gewesen, dass Projekte in der Planung erstmal im Haushalt nicht finanziert worden seien: „Das bedeutet, die Planungen werden fortgeführt, die Entscheidungen folgen, wenn Planungssicherheit vorliegt. Irgendwann wird dann gebaut.“
Schwetzinger Bürgerinitiative ist „nicht gegen die Bahn“
Man sei nicht gegen die Bahn und für den Transport von Gütern auf der Schiene, meinte Herbert Brenner. Er plädierte für eine Querspange „Hirschacker“ mit einem technisch machbaren Tunnel: „Die Menschen, die hier leben, dürfen nicht über Gebühr belastet werden.“ Wenn die Strecke an Schwetzingen vorbeiführe, „kommt die Hirschacker-Lösung“, meinte Garre. Ein Bewohner fragte, ob eine mögliche Baumaßnahme mit der Tiefengeothermie kollidieren könnte: „Schon beim Pfingstbergtunnel klappert bei uns das Geschirr im Schrank.“
Thomas Schmeckenbecher aus Plankstadt monierte, dass „nicht alles berechnet wird, was möglich ist“. Eine Tunnellösung sei nicht teuer. Verkehrsexperte Ulrich Pfeiffer forderte von der Politik, viel weiter zu denken: „Wir werden die Transformation sonst nicht schaffen.“
Der Eppelheimer CDU-Gemeinderat Horst Fießer fand, „dass die Natur mehr geschützt wird als die Menschen“. Eppelheim werde abgeschnitten: „Bitte keine Trasse quer durch die Landschaft, die Lösung muss im Boden sein.“
Politikerin Cademartori wehrte sich gegen den Vorwurf, die Menschen würden nicht genügend geschützt. Landwirte-Sprecher Simon Stephan sah eine Geldverschwendung. Die folgenden Generationen müssten die Schulden bezahlen. Ein Tunnel sei effizienter, die wirtschaftlichste Variante müsse her. Als Mitglied im Beteiligungsforum forderte Brenner, realistisch zu bleiben: „Wir müssen uns auch ehrlich machen.“ Schmeckenbecher blieb dabei, „dass die Fachleute nicht alles berechnen“. Schwetzingens SFW-Stadtrat Karl Rupp echauffierte sich über die „Besserwisserei“ der Kritiker: „So kann man nicht diskutieren.“
Nils Drescher dankte für die gute Organisation der Veranstaltung. Die Raumschaft stehe geschlossen zur Bürgerinitiative, schließlich gehe es um einen „immensen Flächenverbrauch“. Für den Plankstadter Bürgermeister ergeben die politischen Ziele allerdings „kein stimmiges Bild mehr“. Gerhard Wacker vom SPD-Ortsverein Plankstadt war zufrieden, dass eine Trasse an der Gemeinde vorbei „wohl fast vom Tisch ist“. Der Hirschacker-Tunnel sei ein „sinnvolles Kosten-Nutzen-Verhältnis“.
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