Schwetzingen/Mannheim/Karlsruhe. Die DB Netze haben sich ja das Ziel gesetzt, dieses Jahr noch über die bevorzugte Variante für die Trassenführung zwischen Mannheim und Karlsruhe zu entscheiden. Ist der Zeitplan zu halten?
René Pöltl: Wahrscheinlich nicht. Aber nicht, weil zu langsam geplant wird, sondern weil es wohl noch dieses Jahr neue Zahlen geben wird, welche Schienengüterverkehre bis zum Jahr 2040 zu erwarten sind. Da wäre es sträflich, jetzt eine Planung abzuschließen ohne die weiterreichenden Zahlen zu kennen. Denn wir müssen ja wissen, dass bei sehr optimistischen Bauzeiten mindestens zehn Jahre ins Land gehen werden, bis auf der Neubaustrecke ein Zug rollt. Wir planen hier für die nächste Generation, brauchen also eine gewisse Weitsicht. Ich denke, dass im Frühjahr oder Sommer 2024 eine Entscheidung fallen kann.
Üblicherweise müsste doch jeder Bürgermeister und jeder Oberbürgermeister die eigenen Interessen seiner Bürger vertreten. Aber in Sachen Bahntrasse geht es relativ geräuschlos zu in den Rathäusern. Was steckt denn dahinter?
Pöltl: Wir haben uns in mehreren Gesprächen auch zusammen mit Landrat Stefan Dallinger darauf geeinigt, gegenüber der Bahn geschlossen aufzutreten und so dort das möglichst beste Ziel für uns alle zu erreichen, eine Trasse, die in Sachen Landschaftsverbrauch und Naturschutz verträglich ist und die den zunehmenden Güterverkehr auf der Strecke Rotterdam-Genua möglichst gut und geräuscharm aufnehmen kann, um die Belastungen für die Menschen zu verringern. Für Schwetzingen kann ich schon jetzt sagen: Egal, welche Variante am Ende kommt, wir dürften einen Großteil des Güterverkehrs – vor allem den in der Nacht, wenn er besonders stört – aus der Stadt rausbekommen, was immer unser klares Ziel war – es muss für unsere Bürger in Sachen Lärmbelastung deutlich besser werden.
Wer verhandelt denn mit der Bahn über die bestmögliche Variante?
Pöltl: In den sogenannten Bahndialog-Runden sitzen die Oberbürgermeister und Bürgermeister der betroffenen Kommunen sowie Vertreter der Bürgerinitiativen – auch aus Schwetzingen. Und die Metropolregion ist für die Region im Dialog mit den Vertretern der Bahn, sie hat sich stark mit dem Thema beschäftigt und das ist gerade jetzt wichtig, denn derzeit geht es darum, die technisch-rechtlich beste Trassenführung zu finden. Die wird dann dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt. Der Bundestag kann sich dann aber auch für eine vielleicht teuerere Variante, die aber verträglicher für die Menschen hier ist, entscheiden. Beispielsweise für eine Untertunnelung. Wir haben uns hier dazu entschlossen, mit einer Zunge zu sprechen, das hat sich gegenüber der Bahn schon im Norden von Mannheim bei der Streckenfindung bewährt, wo ja eine Konsenslösung gefunden wurde. Das können wir hier auch schaffen, weil wir uns früh in den Prozess einbringen. Übrigens höre ich aus dem Kreis Karlsruhe, dass es dort einen ziemlichen Streit um die Streckenführung gibt.
Eine Variante sah ja vor, die Schwetzinger Innenstadt komplett zu untertunneln. Gibt es diese Variante noch?
Pöltl: Das ist glücklicherweise vom Tisch. Ich hatte der DB Netze einen langen Brief geschrieben und sie auf die Probleme einer solchen Variante aufmerksam gemacht, die dann wohl auch erkannt wurden und dazu führten, dass diese Variante nicht mehr weiterverfolgt wird. Das fängt ja mit dem Sandboden an, in dem der lange Tunnel gegraben werden sollte und der ein Risiko für die Beschädigung unserer Bausubstanz gehabt hätte. Entscheidend war aber, dass die neue Trasse just im Wasserschutzgebiet des Schwetzinger Hardt wieder auftauchen sollte. Während der Bauzeit hätte vermutlich die Trinkwasserversorgung aus dem Gebiet unterbrochen werden müssen. Und da hängt ja nicht nur Schwetzingen dran, sondern auch Oftersheim, Ketsch und Teile von Mannheim und Heidelberg. Es handelt sich um eines der wichtigsten Wasserschutzgebiete im Land. Und hätte man den Tunnel verlängert und die Gleise erst hinterm Schutzgebiet wieder ins Freie geführt, dann hätte das zu einer weiteren Kostenexplosion geführt.
Am besten für uns alle wäre es doch, wenn die Trassenführung auf der anderen Rheinseite erfolgen könnte, da werden ja auch noch Varianten geprüft.
Pöltl: Dort sind noch zwei Streckenführungen in der Prüfung, beide bekommen aber in den bisherigen Bewertungen eher schlechte Noten und sie sind auch sehr aufwändig in der Verwirklichung. Es deutet schon einiges darauf hin, dass wir die zusätzlichen Gleise auf unserer Rheinseite bekommen werden – östlich oder westlich von Schwetzingen.
Also entweder auf den Feldern zwischen Plankstadt und Eppelheim in Richtung A 5 oder entlang der A 6 – ist das richtig?
Pöltl: Ja. Und beide Möglichkeiten bringen für Schwetzingen eine deutlich spürbare Lärmentlastung. Darüber sind wir übrigens auch mit der Bürgerinitiative gegen Bahnlärm einig. Wir sind da im ständigen Austausch und agieren im Sinne Schwetzingens gemeinsam. Denn man muss ja eins sehen. Durch die B 535, die B 36, die beiden Bahnlinien mit viel Güterverkehr, die ICE-Strecke und die A 6 sind wir vom Lärm her die am stärksten belastete Kommune in der Region. Wenn die Güterzüge nicht mehr durch die Innenstadt rattern – und da sind ja oft noch alte, laute Waggons auf alten Gleisen im Einsatz – dann gewinnen die Bürgerinnen und Bürger eine Menge Lebensqualität – ob im Hirschacker, in der Nordstadt oder im Zentrum.
Welche Variante ist denn nach heutigem Stand die wahrscheinlichste?
Pöltl: Die besten Bewertungen in technisch-rechtlicher Sicht hat bei der Bahn derzeit die Variante zwischen Eppelheim und Plankstadt in Richtung A 5. Sie ist kostengünstiger und einfacher zu verwirklichen als die andere Variante. Auch vom Naturschutz her wird sie nicht schlecht bewertet. Aber sie würde eben die Landschaft zerschneiden und kostet die Landwirte in diesem Bereich teilweise ihre Existenz. Ich glaube deshalb, dass die Variante entlang der A 6 gute Chancen hätte. Auch wenn man hier im Norden Schwetzingens eines neuen Quertunnel bauen müsste, was natürlich die Kosten treibt und auch wir darauf achten müssen, dass der Flächenverbrauch nicht wieder – wie mehrfach in der Vergangenheit – zulasten unserer Landwirte geht. Technisch und rechtlich wäre das durchaus machbar und heutzutage kann das so realisiert werden, dass die Bürger im Hirschacker davon kaum etwas mitbekommen und am Ende von der Lärmentlastung sehr profitieren. Die Details stehen aber noch längst nicht fest.
Wieso kann man denn nicht einfach neben der jetzigen ICE-Strecke zwei weitere Gleise und eine neue Tunnelröhre verlegen?
Pöltl: Das Problem ist der Mannheimer Güterbahnhof, der natürlich als wichtiger Punkt der Magistrale Rotterdam-Genua dient. Der sollte an die neue Strecke angeschlossen sein, indem die Güterzüge südlich des Bahnhofs durch eine Tunnelquerung von Ost nach West geführt werden. Dort würde die Strecke dann neben die ICE-Trasse gelegt und dann über Hockenheim Richtung Süden und Karlsruhe geführt. Natürlich bedeutet diese Variante auch, dass das Lärmproblem in Hockenheim umfassend gelöst werden muss, da ist die Bahn dann am Zug, da muss dringend eine Verbesserung her.
Denken Sie , es lässt sich eine politische Unterstützung für eine teuerere Variante organisieren?
Pöltl: Gut an dem Dialogverfahren ist bis jetzt, dass es keine politische Auseinandersetzung bei uns hier im Raum gibt. Weder gibt es grundlegend gegensätzliche Forderungen aus dem Kreis der Bürgermeister oder Oberbürgermeister, noch sind die politischen Vertreter auf Landes- und Bundesebene unterschiedlicher Meinung. Unser Ziel ist die für Menschen und Landschaft verträglichste Streckenführung in der Region. Ich glaube schon, dass das so bleiben wird und dass wir auf die Hilfe unserer Abgeordneten in der Region zählen können, wenn es darum geht, die verträglichste Variante zu bekommen. Und ich sehe auch einen konstruktiven Dialog mit der Bahn. Denn die will ja auch vorankommen und sich nicht in etwaige Klagen verstricken. Die neue Strecke wird ja dringend gebraucht und ist eigentlich schon überfällig.
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