Schwetzingen. Mädels im Teenageralter und junge Frauen sind fasziniert, wenn sich ein Mann für sie interessiert, ihnen Aufmerksamkeit schenkt und Komplimente macht. „Wie schön du bist“ - „Darf ich dich zum Essen einladen“ - „So eine wunderbare Frau habe ich noch nie getroffen, ich habe mich in dich verliebt“: Das alles sind Sätze, die gefallen, die schmeicheln - und die gefährlich werden können. Denn nicht immer haben Männer dabei ehrliche Absichten. Die sogenannten Loverboys haben nämlich nur ein Ziel: Sie wollen ihre Opfer emotional abhängig machen und entfremden sie ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis. Später verleiten oder zwingen sie sie zur Prostitution. Oft gaukeln sie ihren Opfern vor, das so verdiente Geld zum Aufbau einer gemeinsamen Zukunft verwenden zu wollen. Die Opfer kommen dabei aus jeder Gesellschaftsschicht.
Das Bundeskriminalamt (BKA) warnt im Zusammenhang mit dem Verdacht des Menschenhandels vor der Loverboy-Methode und schreibt auf seiner Internetseite unter anderem: „Die Opfer sind oft schwer zu erkennen, da sie sich häufig selbst nicht als Opfer wahrnehmen. Besondere Bedeutung kommt der Loverboy-Methode in sozialen Netzwerken und Dating-Portalen zu.“
Loverboys nutzen Druck, Drohungen, handfeste Erpressungen oder physische Gewalt, um die ausbeuterische Zusammenarbeit zu zwingen. Für die Opfer ist es äußerst schwierig, sich aus dieser gefährlichen Situation zu befreien. Selbst wenn Betroffene den Missbrauch durchschauen, ist es schwer, sich von diesen Gefühlen zu lösen und der Situation zu entfliehen. Junge Mädchen und auch Jungen, die in die Abhängigkeit zu einem Loverboy geraten sind, fühlen sich isoliert und beschämt. Sie haben Angst vor Verurteilung oder Ablehnung durch ihre Familie und die Gesellschaft und schweigen deshalb oft über ihre Erfahrungen.
Ernüchternder Sachstand bei Loverboy-Problematik
Es ist eine Problematik, die auch den Schwetzinger Landtagsvizepräsidenten Daniel Born beschäftigt. Ob bei einer Grundsatzrede in einer Schule oder mit einer eigenen parlamentarischen Initiative. Der Abgeordnete hat der sogenannten Loverboy-Methode den Kampf angesagt. „Die Gefahr wird öffentlich kaum wahrgenommen, für die Betroffenen und ihre Familien ist sie eine grausame Realität: Mit der sogenannten Loverboy-Methode gelingt es jungen Männern mit manipulativen Tricks und vorgetäuschter Liebe Mädchen im Teenageralter in die Falle zu locken, um sie letztendlich zur Prostitution zu zwingen. Wir müssen gemeinsam handeln, um den Loverboys das Handwerk zu legen“, so der SPD-Politiker entschlossen. Dazu hat er eine Anfrage an das Kultusministerium gestellt - und die Antwort, so Born, offenbare ein düsteres Bild: Für die Gefahr, der junge Frauen durch die Loverboy-Methode ausgesetzt sind, gibt es wenige Daten und kaum öffentliches Bewusstsein.
Hilfsangebote nicht nur für Loverboy-Taktik-Betroffene
- Nummer gegen Kummer: Am Kinder- und Jugendtelefon erhältst Du montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 116 111 eine kostenlose telefonische Beratung.
- Frauennotruf gegen sexuelle Gewalt an Frauen und Mädchen: Die Beratungsstelle hilft ebenfalls „Loverboy“-betroffenen Mädchen und Frauen. Eine Anlaufstelle ist in der Bergheimer Straße 135 in Heidelberg, Telefon 06221/18 36 43, www.frauennotruf-heidelberg.de.
- Bundesweites Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: Telefon 0800 011 60 16 (24/7 besetzt).
- Weißer Ring: Opfer-Telefon 116 006 (täglich von 7 bis 22 Uhr).
- Verein Wildwasser: Diese Beratungsstellen gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen gibt es unter anderem in Karlsruhe, Telefon 0721/85 91 73 und in Ludwigshafen, Telefon 0621/62 81 65. kaba
Mehr noch: „Die Loverboy-Gefahr ist auch deshalb so groß, weil sie schlichtweg ignoriert wird“, zeigt sich Born entsetzt darüber, wie sehr es an Aufklärung und Schutz fehlt. „Das muss sich ändern, denn für viele junge Frauen und Männer ist es eine reelle Gefahr, von erwachsenen Männern emotional abhängig und ausgebeutet zu werden, bis hin zur Prostitution. Deshalb brauchen wir Präventionsarbeit und das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Damit potenzielle Opfer gewarnt werden und Betroffene sich nicht scheuen, Hilfsangebote wahrzunehmen. Wir müssen Kinder und Jugendliche stärken, damit sie sich gegen jede Form von Ausbeutung wehren können.“
Daniel Borns Besorgnis scheint berechtigt: „Hohes Dunkelfeld“, sagt Beratungspraxis
Bildungsexperte Born setzt sich seit langem für eine bessere Aufklärung und Prävention in diesem Bereich ein und hält Maßnahmen zur Sensibilisierung und zum Schutz potenzieller Opfer für dringend geboten. Rückmeldungen aus den Beratungsstellen geben Borns Besorgnis Recht: Die Beratungspraxis zeigt, dass sich in den zurückliegenden Jahren vermehrt besorgte Angehörige im Zusammenhang mit dem Thema Loverboys an die Fachberatungsstellen gewandt haben.
„Es ist von einem hohen Dunkelfeld auszugehen, das Ausmaß von Einzelfällen ist nicht bekannt“, heißt es aus Borns Büro, das ergänzt: „Da die polizeiliche Kriminalstatistik die Loverboy-Methode nicht als Parameter erfasst, können keine konkreten Angaben zur Anzahl der Fälle gemacht werden. Nur in wenigen Fällen kommt es zu einer Strafanzeige.“
Keine standardisierte Prävention gegen Loverboy-Taktik
Eng arbeitet Born in dieser Frage mit der Vorsitzenden der SPD Frauen in Baden-Württemberg, Dr. Brigitte Schmid-Hagenmeyer, zusammen. In einer Mitteilung aus dem Büro Born wird Schmid-Hagenmeyer zitiert: „Wenn Jugendliche die Betrugsmasche nicht kennen, können sie sich viel schwerer vor dem psychologisch oft sehr geschickten manipulativen Vorgehen der Täter schützen. Der Schaden für die Betroffenen ist häufig enorm.“
Ein standardisiertes landesweites Präventionsangebot der Polizei Baden-Württemberg, das sich spezifisch mit der Loverboy-Methode befasst, gebe es aktuell nicht. Die regionalen Referate Prävention nehmen die Thematik aber lage- und bedarfsorientiert in ihre Präventionsarbeit auf.
Für eine näherungsweise Gefahren- beziehungsweise Risikoeinschätzung eignet sich das Bundeslagebild „Menschenhandel und Ausbeutung“ des BKA, das jährlich die Anzahl der abgeschlossenen Ermittlungsverfahren veröffentlicht. Im Jahr 2022 gab es in Deutschland 171 Verfahren mit minderjährigen Opfern, darunter 156 Verfahren wegen kommerzieller sexueller Ausbeutung. In den Ermittlungsverfahren wurden 185 Opfer festgestellt, wobei 18 Minderjährige der Loverboy-Methode zum Opfer fielen.
„Die Loverboy-Methode ist extrem effektiv darin, junge Menschen in eine gefährliche Spirale aus Manipulation, Abhängigkeit und Ausbeutung zu ziehen. Deshalb brauchen wir eine frühzeitige Aufklärung und flächendeckende Präventionsangebote dort, wo potenzielle Opfer angesprochen werden - an unseren Schulen. Es liegt in unserer Verantwortung, junge Menschen vor sexueller Gewalt und Zwangsprostitution durch Loverboys zu warnen und zu schützen“, sagt Daniel Born.
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