Hockenheim. Das Thema sozialer Wohnraum ist mit dem Vergabebeschluss des Gemeinderats im September 2023 nach Jahren gefühlter Stagnation vorangekommen. Den Zuschlag erhielt die Trierer Firma Quartiersmanufaktur, die die Vorgaben der Ausschreibung sogar übertroffen hat. Im Interview schildert Projektentwickler Andreas Hilgert, wie sie das schafft und wann es mit der Umsetzung losgeht.
Sind Projekte wie das auf dem Grundstück Hubäckerstraße/Max-Planck-Straße die Spezialität der Quartiersmanufaktur?
Andreas Hilgert: Wir haben viele Spezialitäten. Grundsätzlich kann man sagen, dass wir im Südwesten, Schwerpunkt Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, insgesamt über 400 Wohnungen im Bau, in der Projektierung und in Planung haben und dies nahezu zu 100 Prozent bezogen auf bezahlbare Mietwohnungen. Wir widmen uns grundsätzlich Grundstücken aller Art und Größe – vom Greenfield und Brownfield ab 2000 Quadratmeter Grundstück wie in Hockenheim bis eben zu ganzen Arealen. Beispielsweise die ehemalige Westerwaldkaserne in Montabaur, die wir zum Quartier Süd entwickelt haben mit einer Gesamtgröße von zirka 40 Hektar.
Ging es auch dort um bezahlbaren Wohnraum?
Hilgert: Wir tragen auf diesen Flächen die Leitinvestitionen, in der Regel sind das auch dort Projekte rund ums Thema bezahlbares Wohnen.
Wäre es für Sie nicht finanziell lukrativer, wenn Sie – wie viele andere Bauträger in Hockenheim – eher hochpreisigeren Wohnraum erstellen würden?
Hilgert: Das kann ich klar verneinen. Das klassische Bauträgergeschäft funktioniert gegenwärtig nicht. Der Grund ist vereinfacht gesagt ein negativer Mix aus hohen Baukosten, gestiegenen Anforderungen an die Finanzierung bei gleichzeitig stagnierenden Kaufpreisen und einer Zurückhaltung beim Wohnungskauf. Selbst der frei finanzierte Mietwohnungsmarkt ist etwas ins Wanken geraten. Trotz der hohen Nachfrage nach Mietwohnraum müssten wir unter den genannten gegenwärtigen Bedingungen eine sogenannte Kostenmiete zwischen 16 und 20 Euro pro Quadratmeter erheben. Das können die wenigsten Haushalte stemmen. Diese Entwicklung haben wir bereits vor einigen Jahren vorausgesehen und uns bewusst entgegen des damaligen Trends dem Thema bezahlbare Mietwohnungen gewidmet.
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Wie sind Sie das angegangen?
Hilgert: Wir haben vor dem Hintergrund vor einigen Jahren ein eigenes Unternehmen gegründet, die Firma Immprinzip mit Sitz in Mainz und Trier, mit der wir zu 100 Prozent sozial gefördertes bezahlbares Wohnen realisieren.
Wie schaffen Sie es, dass Sie so bauen können, dass die Mieten 33 Prozent unter dem ortsüblichen Vergleichswert liegen?
Hilgert: Mit der Firma Immprinzip haben wir ein Bauprinzip entwickelt, das effizient auf die Mieterbedürfnisse ausgerichtet ist. Das heißt, wir bauen die Gebäude zu einem gewissen Grad standardisiert nach einem Grundrasterprinzip – allerdings individuell angepasst auf das jeweilige Grundstück und die Projektidee, ohne ein Baukasten zu sein. Man kann sagen, wir bauen ressourcenschonend und ökologisch sinnvoll in Holzhybrid-Bauweise.
Was kann man sich darunter vorstellen?
Hilgert: Das heißt vereinfacht gesagt, dass wir lediglich die Bodenplatte, Treppenhäuser, Aufzugskern und die tragenden Elemente aus Beton erstellen, den Rest in Holzständer- beziehungsweise in Holzrahmenbauweise. Das ermöglicht beispielsweise eine etwas geringere Wandstärke gegenüber einer konventionellen Bauweise mit Wärmedämmverbundsystem.
Anders gefragt: Woran wird gespart, wie senken Sie die Kosten?
Hilgert: Der Fokus liegt auf einer kompakten Bauweise, ohne Qualitätseinbußen zu haben. Wir richten unser Augenmerk auf die Nutzer- oder Mieterinteressen. Wir haben gute, moderne Grundrisse, verzichten aber gleichzeitig auf unnötige Flächen wie große repräsentative Eingangsbereiche oder Flurbereiche. Dadurch schaffen wir ein optimiertes Verhältnis zwischen der sogenannten Bruttogrundfläche oder Geschossfläche und der tatsächlichen Wohnfläche. Das ist der Hauptgrund, dass uns das gelingt.
Sie sind durch die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) mit Silber zertifiziert – was bedeutet das?
Hilgert: Wir sind seit 2018 Mitglied bei der Gesellschaft. Damit haben wir uns verpflichtet, die Gebäudeherstellung im Sinne der Nachhaltigkeit in mehrfacher Hinsicht zu schaffen. Das Stichwort ESG bedeutet ökologische, soziale und unternehmerisch ethische Nachhaltigkeit und unter diesen Prämissen werden wir auch das Gebäude in Hockenheim herstellen und erhalten dafür von der DGB eine Silber-Zertifizierung.
Können Sie ein Beispiel für nachhaltige Aspekte beim Projekt nennen?
Hilgert: Wir erreichen die KfW-Effizienzklasse 40, das drückt aus, dass das Gebäude nur 40 Prozent des Primärenergiebedarfs eines konventionellen Referenzgebäudes benötigt. Wir verwenden nachhaltige Baumaterialien, beispielsweise dämmen wir mit Holzfasern und haben einen geringeren CO2-Fußabdruck durch die Verwendung von Holz gegenüber ausschließlich Beton. Die anderen Zertifizierungsstufen erfordern einen noch höheren Erfüllungsgrad dieser Nachhaltigkeitskriterien.
Die Anforderung der Stadt lag bei einer Unterschreitung beim Mietsatz von mindestens 20 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete – wieso sind Sie nicht dabei geblieben, sondern auf 33 Prozent Unterschreitung gegangen – hätten Sie dann nicht mehr verdient?
Hilgert: Nein, wir hätten nicht mehr verdient. Ohne Förderung ist es schlichtweg nicht möglich, ein solch attraktives hochwertiges Gebäude zu erstellen, selbst bei höheren Mieten. Wir orientieren uns an den Förderbedingungen der L-Bank, also der Staatsbank für Baden-Württemberg, für den Mietwohnungsneubau. Und dort ist eben eine Absenkung der Mieten um 33 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete gefordert in Kombination mit einer Bindedauer von 30 Jahren.
Sie räumen der Stadt ein Benennungsrecht für Mieter in drei Wohnungen ein – wie werden die restlichen 25 Wohnungen vergeben?
Hilgert: Durch Mieterauswahlgespräche. Ein Wohnberechtigungsschein ist Voraussetzung, um eine Chance auf eine Wohnung zu haben. Bei den Gesprächen achten wir sowohl auf die Bonität als auch auf „weiche“ Faktoren der jeweiligen Interessenten. Grundsätzlich ist uns wirklich wichtig, dass die Hausgemeinschaft funktioniert und es einen guten Mietermix gibt. Dadurch soll sich eine intakte Nachbarschaft bilden.
Bedeutet das, dass das Sie auch als Vermieter für diese 25 Wohnungen auftreten oder macht das eine Verwaltungsgesellschaft für Sie?
Hilgert: Um die Vermietung wird sich eine Hausverwaltung kümmern. Ob diese auch die Auswahlgespräche führt oder ob das gemeinsam mit uns erfolgt, steht noch nicht fest. In der Regel führen wir die Erstgespräche mit.
Was hat Sie an dem Projekt in Hockenheim gereizt? Trier liegt ja weit weg von der Kurpfalz?
Hilgert: Als Quartiersmanufaktur agieren wir mit einem Radius von zirka 250 Kilometer um Trier und Mainz herum. Damit passt Hockenheim bestens in unseren Suchradius und in unsere Standortstrategie. In dem Zusammenhang ist sicher erwähnenswert, dass wir in Speyer den Industriehof entwickeln. Und wir haben auch zwei Gebäude im Rahmen der Bundesgartenschau in Mannheim im Spinellipark errichtet. Wir halten die Stadt Hockenheim wie auch den Rhein-Neckar-Kreis im Gesamten aufgrund der Lage, der Infrastruktur und des starken Unternehmertums für einen tollen Standort.
In welchem Zeitraum sollen die Wohnungen entstehen und wann ist der Baubeginn vorgesehen?
Hilgert: Also wir rechnen Stand jetzt mit der Baugenehmigung im ersten Quartal 2025 und fangen in der Regel innerhalb von zwölf Monaten nach Baugenehmigung an. Die Wohnungen entstehen dann in weiteren zwölf bis 18 Monaten.
Steht die Planung für das Objekt bereits?
Hilgert: In die Planung sind wir bereits eingestiegen, aber das faktische Mobilisieren unseres Bauapparats passiert erst ab Erteilung der Baugenehmigung. Dabei geht es dann um Entscheidungen, wer die Bauleitung übernimmt, welche Partnerfirmen mit ins Boot genommen werden, welche Lieferanten für die Materialien infrage kommen.
Das variiert bei Ihren Projekten, die ja sehr weit verteilt sind?
Hilgert: Wir versuchen stets, mit regionalen oder lokalen Firmen zusammenzuarbeiten, sofern das gelingt. Das ist einfach eine Frage der Verfügbarkeit, aber das ist das, was wir grundsätzlich bevorzugen und womit wir in der Regel auch gute Erfahrungen machen. Bei Bauleitung und Objektplanung arbeiten wir mit eigenen Leuten beziehungsweise mit uns nahe stehenden Unternehmen zusammen, mit denen wir vergleichbare Projekte durchgeführt haben.
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