Gewerbe

Hotelbetreiber in Hockenheim: Ohne den Ring ginge es nicht

Die Corona-Zeit war hart, jetzt geht es bergauf. Jeannette und Oliver Berlinghof sind mit ihrem Familienbetrieb „Zur Pfalz“ von Events und internationalen Gästen abhängig. Für Anwohner haben sie Tipps parat.

Von 
Benjamin Jungbluth
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Gastlichkeit mit viel Grün: Jeannette und Oliver Berlinghof im gemütlichen Biergarten ihres Hotel-Restaurants „Zur Pfalz“. Als familiengeführter Betrieb spüren sie die veränderte Lage im Hotelgeschäft deutlich – umso wichtiger seien für sie deshalb Großevents auf dem Ring wie zuletzt das AC/DC-Konzert. © Benjamin Jungbluth

Hockenheim. Auch Hardrocker wollen gepflegt nächtigen: Beim jüngsten AC/DC-Konzert auf dem Hockenheimring war das Hotel-Restaurant „Zur Pfalz“ wieder innerhalb kürzester Zeit komplett belegt. Das inhabergeführte Haus in der Schulstraße verfügt nur über zehn Zimmer und die waren weniger als eine Stunde nach Verkaufsstart der Tickets – und damit lange vor dem eigentlichen Konzerttermin – von Fans aus ganz Europa gebucht. „Das ist bei Großevents auf dem Ring eigentlich immer so, da wird Hockenheim international. Diesmal kamen unsere Gäste aus Luxemburg, Österreich und der Schweiz, außerdem aus Hamburg und Leipzig“, erzählt Inhaber Oliver Berlinghof mit der Routine eines langjährigen Gastgebers in der Rennstadt.

Nach der Corona-Zeit und einem eher schleppenden Wiederanlaufen der Hotelübernachtungen hat sich die Situation für den Familienbetrieb inzwischen zu weiten Teilen normalisiert. „Was wir aber weiterhin merken, sind die Veränderungen bei den Geschäftsreisen. Es gibt bei Bürojobs jetzt deutlich mehr Homeoffice und viel weniger Meetings vor Ort, das findet eher digital statt“, erzählt Jeannette Berlinghof, die das kleine Hotel gemeinsam mit ihrem Mann führt.

Hockenheim ist Zwischenstopp nach Süden

Umso wichtiger seien deshalb die anderen Standbeine. Bei den privaten Gästen sind das zum einen ausländische Touristen, die zum Beispiel aus den Niederlanden, Belgien oder Dänemark auf der Durchreise in Richtung Alpen oder Mittelmeer sind. Für sie liegt Hockenheim mitten auf der Strecke, direkt an der Autobahn und gleichzeitig kennen viele noch aus Formel-1-Zeiten die Rennstrecke, die man sich gerne kurz anschaut.

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Zum anderen sind die Veranstaltungsbesucher die wichtigste Gästegruppe für Familie Berlinghof. Und denen müsse man eben auch ein bisschen was bieten. „Bei AC/DC hatten wir vor dem Konzert Musik, Getränke und Essen zur Einstimmung bei uns im Haus. Und danach haben wir mit unseren Gästen eine Aftershow-Party bis 3 Uhr nachts gefeiert. Das Frühstück haben wir dann schon wieder um 7 Uhr vorbereitet – bei solchen Events sind das eben recht lange Arbeitstage für uns“, sagt Jeannette Berlinghof. Als Familienbetrieb haben sie und ihr Mann nur eine Aushilfe für das Restaurant, ansonsten müssen sie sich um alles selbst kümmern. „Aber die Gäste erwarten heutzutage halt etwas Rahmenprogramm, da muss man sich schon etwas einfallen lassen“, betont Jeannette Berlinghof.

Wo Hockenheim eher wenig bietet

Schade finden es die beiden Wirtsleute, dass in Hockenheim ansonsten eher wenig geboten werde, wenn auf dem Ring ein großes Event steigt. Früher hätten viele Einwohner bei Rennwochenenden der Formel 1 ihre Hoftore extra geöffnet, mit den Besuchern ein Schwätzchen gehalten und sich gefreut, dass ihre kleine Heimatstadt international bekannt sei. „Heute lassen viele stattdessen ihre Rollläden runter und wollen mit dem Ring am liebsten nichts mehr zu tun haben“, sagt Oliver Berlinghof kopfschüttelnd.

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Dabei könnten aus seiner Sicht insbesondere die örtlichen Geschäftsleute an den vielen Besuchern gut verdienen. „Einfach mal gekühlte Getränke verkaufen oder ein paar Buden entlang der Route vom Bahnhof zum Ring aufbauen, dann haben doch alle etwas davon. Da könnte auch die Stadt aktiver sein und das mehr unterstützen. Der Ring ist eben das entscheidende Kriterium, warum Menschen aus aller Welt in Hockenheim übernachten und dann auch essen gehen und einkaufen. Aber so, wie es inzwischen läuft, gibt Hockenheim leider ein recht trauriges Bild ab“, beklagt Berlinghof.

Abseits des Hockenheimrings ist es zu ruhig

Die Folge: Die meisten Besucher kämen kein zweites Mal in die Rennstadt. „Wir unterhalten uns viel mit unseren Gästen und oft sind diese enttäuscht, dass sie hier nichts abseits des Rings machen können. Bei AC/DC haben sich auch viele über die Zustände beim Konzert selbst beklagt. Was dazu alles in der Zeitung stand, wurde uns am nächsten Morgen am Frühstückstisch genauso erzählt“, sagt Oliver Berlinghof.

Auch er selbst bestätigt die Enge im Innenbereich – und kann dabei gute Vergleiche ziehen. Denn seit Jahrzehnten hat er nahezu kein großes Konzert am Ring verpasst. „Wenn schon große Bands zu uns in die Kleinstadt kommen, dann will ich mir das doch auch anschauen. Die Musikrichtung ist mir dabei ganz egal, mir geht es um die besondere Stimmung vor Ort. Aber bei AC/DC waren es einfach zu viele Menschen, die sich an einzelnen Stellen gedrängt haben. Das habe ich so zuvor noch nicht erlebt“, erzählt Oliver Berlinghof.

Hotelbetreiber hoffen auf Großevents am Hockenheimring

Trotzdem hofft er auf viele weitere Großevents auf dem Ring, die aus seiner Sicht grundsätzlich gut organisiert seien. Mit dem Glücksgefühle-Festival Mitte September steht schon das nächste an, natürlich sind hier die Zimmer des kleinen Hotels schon komplett ausgebucht. Bis dahin ist es im Hotel-Restaurant „Zur Pfalz“ etwas ruhiger, in den Sommerferien ist traditionell nicht ganz so viel los.

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„Das liegt vor allem am Restaurantbetrieb, denn vor dem Urlaub sparen inzwischen doch viele Familien beim Essengehen, damit sie sich überhaupt noch das Wegfahren leisten können. Und auch ansonsten merken wir bei den Einheimischen, dass mehr aufs Geld geschaut werden muss“, sagt Jeannette Berlinghof. Große Familienfeiern, zum Beispiel bei Konfirmation oder Kommunion, die früher schon auf Jahre voraus ausgebucht gewesen seien, gebe es heute kaum noch. „Es sind vor allem die Großeltern, die solche Traditionen am Leben erhalten und ihre ganze Familie einladen. Dann kommen auch die Jüngeren gerne. Aber wenn die Älteren irgendwann nicht mehr da sind, dann endet diese Tradition meistens“, sagt Jeannette Berlinghof.

Mit ihrem nach Corona neu eröffneten Biergarten, allerlei Events und Partys sowie viel persönlichem Einsatz versuchen die beiden Wirtsleute, sich wirtschaftlich breit aufzustellen und mit der Zeit zu gehen. „Ohne den Ring und die internationalen Gäste, die offenbar mehr Geld haben und dieses gerne in Hockenheim ausgeben, wäre das aber auf Dauer kaum möglich“, sind die Berlinghofs überzeugt.

Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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