Gemeinderat

Wird das Aquadrom in Hockenheim verkleinert?

Der Gemeinderat hat viel Arbeit vor sich, wie das Hockenheimer Freizeitbad, dessen Defizit von 3,5 Millionen Euro die Belastungsgrenzen der Stadtwerke überschreitet. Wir fragen die Fraktionen: Wie soll es weitergehen?  

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Matthias Mühleisen
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Großzügig und vielseitig: Das Freizeitbad Aquadrom hat seinen Besuchern viel zu bieten, dennoch kommen deutlich weniger Badegäste als in der Vergangenheit, das Betriebsdefizit steigt bedrohlich. © Dorothea Lenhardt

Hockenheim. Das Aquadrom ist das Hockenheimer Sport-, Freizeit-, Familien-Bad und bietet viele Betätigungsmöglichkeiten, die mit Wasser in Verbindung stehen. Schwimmkurse werden sehr gut angenommen und haben lange Wartelisten, merkt Gabi Horn, Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, an. Die große Nachfrage sei auch eine Folge von Corona, weil die Familien nicht mit den Kindern schwimmen gehen konnten, verweist sie auf den Sicherheitsaspekt.

„Wir brauchen unser Aquadrom aber auch für den schulischen Schwimmunterricht. Auch die umliegenden Gemeinden aus Horan profitieren hiervon“, stellt die FWV-Sprecherin klar. Im Hinblick auf den demografischen Wandel sei Schwimmen eine Sportart, die gerade auch von älteren ohne größeren Aufwand ausgeübt werden könne.

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Deswegen habe das Bad durchaus seine Daseinsberechtigung. Aber es sei in die Jahre gekommen und obwohl es von städtischer Seite immer wieder renoviert und teilsaniert wurde, stehen für nächsten drei bis fünf Jahre Investitionen in Höhe von 50 Millionen Euro an.

Die Kosten für Unterhaltung und Personal sowie die Besucherzahlen seien bei Weitem nicht mehr auf dem Stand, dass die Einnahmenseite einen Ausgleich der Kosten darstelle. Von einst über 400 000 Besuchern erreiche das Aquadrom jetzt gerade mal ein wenig über 120 000 Besucher. Allein das jährliche Defizit infolge der gesunkenen Besucherzahlen betrage rund 3,5 Millionen Euro mit steigender Tendenz.

FWV: Nutzergruppenwünsche in den Fokus stellen

Gabi Horn schlussfolgert: „Es stellt sich für uns als Gemeinderäte nun die Frage, wie die Bedarfe vereinbar sind mit dem finanziell Machbaren. Die Nutzergruppenwünsche müssen in den Fokus und bei weiteren Entscheidungen miteinbezogen werden.“

Den Fraktionen seien schon verschiedene Alternativen vorgestellt worden, aber die Festlegung auf eine endgültige Vorgehensweise habe bisher noch nicht stattgefunden. Horn: „Der neue Gemeinderat wird dieses Thema ganz oben auf der Prioritätenliste stehen sehen und hier eine gute Lösung zum Wohle aller – der Schwimmer, der Kinder und Jugendlichen, die Schwimmunterricht haben, der Bürger, die die Kosten letztendlich zu tragen haben – finden müssen.

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„Für Familien, Kinder und Jugendliche und für viele ältere Menschen ist das Aquadrom eine Wohltat. Ein Hockenheim ohne ein Bad wollen und können wir uns nicht vorstellen”, so bringen die beiden neuen CDU-Stadträtinnen Hanna Bühler und Jasmin Ulrich ihre Erfahrungen mit dem städtischen Aushängeschild zum Ausdruck.

Dennoch sei klar, dass es ein „Weiter so“ nicht geben könne. Jeder Euro sei notwendig, um die Energiewende in Hockenheim weiter voranzubringen und um das langfristige Überleben der Stadtwerke zu sichern.

CDU: Zukunftsfähigkeit des Bads nächstes großes Reformprojekt

Das Defizitproblem des Aquadroms sei nicht neu, doch Änderungen seien in der Vergangenheit kaum vorgenommen worden, erinnert Fritz Rösch. Mit der nun angedachten Übernahme eines Teils des Verlusts durch den städtischen Haushalt sei das Problem nicht gelöst, sondern lediglich verlagert. Denn auch im städtischen Haushalt fehle es an allen Ecken und Enden. Die stellvertretende Fraktionssprecherin Bärbel Hesping erinnert daran, dass der längst überfällige Neubau des Parkkindergartens einen Großteil der städtischen Investitionen binde.

Zur Zukunft des Aquadroms hatte die Stadt eine Reihe von Workshops organisiert, die zeigten, dass das Bad in der derzeitigen Form so nicht aufrechterhalten werden kann. Laut Christoph Kühnle ist die technische Infrastruktur in die Jahre gekommen, eine Sanierung zu teuer und die Wasserfläche im Vergleich zu anderen Freizeitbädern zu groß. Aber: Selbst ein kleinerer Neubau würde 40 bis 50 Millionen Euro kosten – Geld, das die Stadtwerke allein unmöglich aufbringen könnten.

Der Versuch, Investoren zu gewinnen, sei bisher leider genauso ohne Erfolg geblieben wie der Versuch, die Anzahl der Badegäste zu erhöhen. Vonseiten der CDU-Fraktion werde ausdrücklich anerkannt, dass viele gute Neuerungen durchgeführt wurden wie beispielsweise der Kurzzeittarif, die Freibadkarte, die Salzgrotte und vieles mehr. Als wahrscheinlichste Variante erachtet die CDU-Fraktion einen deutlich kleineren Neubau entweder mit hoher finanzieller städtischer Beteiligung oder sogar mit der vollständigen Übernahme durch die Stadt.

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Matthias Mühleisen
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Für Fraktionssprecher Markus Fuchs ist klar, dass hier harte Entscheidungen anstehen werden: „Es wird nach dem gescheiterten Betriebsübergang der städtischen Kindertagesstätten und dem erfolgreichen Verkauf der Hockenheimring-Anteile das nächste große Reformprojekt werden. Wir werden es nicht allen recht machen können. Doch ein weiteres Aussitzen ist nicht mehr möglich.“

Für die SPD Hockenheim ist eine differenzierte Betrachtung rund um das Thema Aquadrom enorm wichtig, unterstreicht Fraktionsvorsitzende Marlene Diehm. So stehe auf der einen Seite eine Belastung der Stadtwerke Hockenheim und ein jährliches Defizit im städtischen Haushalt – auf der anderen Seite, dass ein Freizeitbad eine wichtige Begegnungsstätte insbesondere für junge Familien und Jugendliche sei. Auch für Schulen und Vereine seien die Schwimmmöglichkeiten kaum wegzudenken und als Teil der gesellschaftlichen Aufgabe zu sehen, der steigenden Anzahl an Nichtschwimmern entgegenzuwirken. Diehm: „Eine Schließung stellt für uns daher keine Option dar.“

Um die wirtschaftliche Situation langfristig zu verbessern, ist eine einzelne Streichung von Angeboten aus SPD-Sicht nicht der zielführende Weg. Der für die Sommersaison gesenkte Eintrittspreis sei nicht nur ein Lockangebot für insgesamt mehr Gäste, sondern ermögliche es eben auch jenen Menschen, das Aquadrom zu nutzen, die sich einen Schwimmbadbesuch aus finanziellen Gründen nicht zu jedem Preis leisten können.

SPD: Verkleinerung im Hinblick auf Kosten gut durchdenken

Der SPD-Fraktion sei daran gelegen, eine langfristige Lösung für das Familien- und Freizeitbad zu finden. Marlene Diehm sagt: „Eine Verkleinerung des Spaßbades und somit die Erhaltung erscheint uns dabei als eine mögliche Idee, muss aber dennoch im Hinblick auf anfallende Kosten wohldurchdacht sein.“ Die Erarbeitung einer passenden Lösung werde in den kommenden Jahren die Aufgabe des Gemeinderats in Zusammenarbeit aller Fraktionen mit Stadtverwaltung und Stadtwerken sein.

„Schwimmbäder sind Bestandteil der örtlichen Daseinsvorsorge“, heiße es in den Ausführungen des Städte- und Gemeindetags. Dies bedeute jedoch nicht, dass jede Gemeinde ein eigenes Schwimmbad vorhalten muss oder dass im Einzelfall eine angespannte Finanzsituation eine Kommune zwingt, ein Schwimmbad zu schließen, sagt Elke Dörflinger, die neue Fraktionsvorsitzende der Grünen. „Wir stehen wie viele Gemeinden nun auch in Hockenheim vor der Frage „Welche Art von Bad können und wollen wir uns leisten?“

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Ein wesentlicher Aspekt, der bei der Entscheidung für oder gegen den Erhalt des Aquadroms Berücksichtigung finden müsse, sei der Kostendeckungsgrad. Ein Rückgang der Besucherzahlen sei seit langer Zeit zu beobachten, das Bad werde nur von zehn bis 15 Prozent der Hockenheimer Bürger genutzt. Für diese Gruppe von Besuchern, für das Schulschwimmen sowie das Vereinsschwimmen würde ein normales Bürgerbad ausreichen. Derzeit kostet das Aquadrom bei einem Defizit von zirka 3,5 Millionen Euro – Tendenz steigend – jeden Einwohner rund 170 Euro pro Jahr.

Grüne: Leistungsfähigkeit der Stadtwerke erhalten

Es sei davon auszugehen, dass sich dieser Betrag bei Fortführung eines „reduzierten“ Badebetriebs zwar verringert, aber nach wie vor Kosten für Rückbau und Instandhaltung bleiben. Ebenso im Falle einer Schließung, dessen muss man sich bewusst sein. Im Falle einer politischen Entscheidung für einen „reduzierten“ Erhalt ist die Devise „Whatever it takes“ – alles dafür Notwendige ist bereitzustellen, wohlwissend, dass ein Kostendeckungsgrad von 100 Prozent niemals erreicht werden wird. Eine teilweise Kompensation der Kosten wäre aber durch eine anderweitige Nutzung der frei werdenden Flächen möglich.

Aktuell befinde sich der Gemeinderat in einem politischen Diskurs, der noch nicht abgeschlossen sei und bei dem auch die Rolle der Stadtwerke mitbedacht werden müsse. Dörflinger: „Bei den Stadtwerken geht es uns grundsätzlich um den Erhalt der Leistungsfähigkeit. Dazu gehört auch die Überlegung, das Aquadrom an die Stadt zu übertragen und die Diskussion der derzeitigen Rechtsform.“ Beides erfordere den Willen und Mut der Verwaltung, eine gute Vorbereitung und den richtigen Zeitpunkt zur Umsetzung.

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Eine umfassende Information und Einbindung der Bevölkerung halten die Grünen dabei für unumgänglich. Schließlich sei das erste Schwimmbad der Stadt Hockenheim überhaupt erst durch freiwillige Spenden und zahlreiche ehrenamtliche Arbeitseinsätze ermöglicht worden. Dies zeige eine Verbundenheit zum Aquadrom – bei allen anstehenden Herausforderungen.

Sollte ein Maximalfehlbetrag für den Badbetrieb festgelegt werden, der notfalls durch Streichung von Angeboten erreicht wird? FDP-Fraktionsvorsitzender Frank Köcher-Hohn sagt: „Ja, wir würden die Festlegung eines Maximalfehlbetrags befürworten, nur so kann die finanzielle Belastung der Stadt kontrolliert werden. Notfalls müssen dann auch Streichungen von wenig genutzten oder kostenintensiven Angeboten durchgesetzt werden.“

Welcher Beitrag maximal aus dem städtischen Haushalt für den Badbetrieb an die Stadtwerke gehen sollte, wie es der OB kürzlich andeutete, sei schwierig zu beantworten, meint der Liberale. „Der Betrag muss klar definiert und so niedrig wie möglich sein. Dazu muss erst ein klares Konzept mit einer detaillierten Wirtschaftlichkeitsberechnung erarbeitet werden, um sicherzustellen, dass die finanziellen Mittel der Stadt optimal genutzt werden.“

FDP: Gehört einfach zur Lebensqualität unserer Stadt

Über eine langfristige Verkleinerung des Bads oder den Wegfall bestimmter Angebote, wenn große Sanierungen fällig werden, müsse geredet werden. Köcher-Hohn unterstreicht: „Wir wollen ein funktionierendes, bezahlbares Aquadrom, das gehört einfach zur Lebensqualität unserer Stadt. Wir wollen, dass Kinder in unserer Stadt schwimmen lernen. Wir müssen Mittel und Wege finden, damit Schulen und Vereine ihre Angebote behalten können und gleichzeitig ein öffentliches, attraktives Schwimmbad weiter betrieben werden kann.“

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Wenn das heiße, das Aquadrom muss verkleinert werden, werde sich die FDP nicht dagegen aussprechen. Gegebenenfalls könne es auch Sinn machen, die Bevölkerung umfänglich über die Situation des Aquadroms zu informieren, um gemeinsam Schwerpunkte zu setzen und Lösungsansätze zu entwickeln.

Viele Alternativen gebe es nicht mehr. Die Einbeziehung privater Investoren oder das Eingehen von Partnerschaften wäre wünschenswert, nach FDP–Einschätzung werde sich vermutlich niemand finden. Eine moderate Erhöhung der Eintrittspreise, insbesondere für nicht ansässige Besucher, könnte zusätzliche Einnahmen generieren, jedoch auch ein Nullsummenspiel sein, wenn sich dadurch Besucherzahlen reduzieren. Das allein werde nicht reichen. Für eine Senkung der Betriebskosten sehe die FDP fast keine Möglichkeiten mehr.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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