Neulußheim. Es war alles vorbereitet, der große Saal im Haus der Feuerwehr war bis auf den allerletzten Platz besetzt, zahlreiche Besucher mussten mit Stehplätzen vorliebnehmen, obwohl für über 100 Personen bestuhlt worden war, die Gegner des geplanten Solarparks bezogen bei den Anfragen der Besucher ausführlich Stellung – und dann war schnell die Luft raus, als die FWV in ihrer Stellungnahme auf eine Vertagung des Beschlusses plädierten und damit für die Mehrheit im Rat die Richtung vorgaben.
Womit sich die Ratsmehrheit jedoch nicht für einen Schutz des wertvollen Ackerbodens aussprach, denn im Gegenzug brachte sie für die besagte Fläche einen Gewerbepark auf den Weg, der die befürchteten Folgen einer Freiluftphotovoltaikanlage wohl noch toppen wird.
Solarparks in Neulußheim heftig diskutiertes Thema
Eines wurde noch vor Beginn der Gemeinderatssitzung schnell deutlich: Der Entschluss von Bürgermeister Gunther Hoffmann, angesichts des Tagesordnungspunkts Solarpark ins Haus der Feuerwehr umzuziehen war goldrichtig, selbst eine größere Halle wäre nicht verkehrt gewesen. „Von Politikverdrossenheit kann nicht die Rede sein“, freute sich das Gemeindeoberhaupt über das Interesse, auch wenn die Befürworter eines Solarparks unter den Besuchern wohl in der Minderheit waren.
Was sich schon beim Tagesordnungspunkt Anfragen der Sitzungsbesucher zeigte, wobei zum Thema Solarpark als erster Biobauer Hubertus Merz, der von den Plänen am stärksten betroffene Landwirt, das Wort ergriff. „Warum mit diesem Nachdruck wertvolles Ackerland vernichten“, fragte er in die Runde und verwies auf andere Gemeinde, die schon weiter seien, Freiflächenphotovoltaikanlagen auf Kosten der Landwirtschaft nicht weiterverfolgen würden.
Merz erinnerte an die vielen ungenutzten Dächer in der Gemeinde, die mit Photovoltaikanlagen bestückt in der Summe mehr Ertrag bringen würden, als die nun zur Disposition stehenden Ackerflächen – „ist ihnen die Landwirtschaft nichts wert“, fragte er in die Runde. Würde der Rat der Sitzungsvorlage zustimmen, würden auf einen Schlag mehr Flächen verbraucht, als täglich in Baden-Württemberg zugebaut würden, stellte er die Frage nach der Verantwortung des Rates und verwies auf die von ihm nach biologischen Gesichtspunkten bearbeiteten Böden, die sowohl als Wasser- wie auch als CO2-Speicher herkömmlichen Böden weit überlegen seien. Und unter einer Photovoltaikanlage, fügte er hinzu, würde der Boden schnell zu verödeten Grasfläche verkümmern.
Rege Debatte um Photovoltaikanlagen in Neulußheim: „Ertrinken im Solarstrom“
Angesichts des Umstands, so Merz, dass Wissenschaftler davor warnten, dass man im Sommer schon im „Solarstrom ertrinke“ – „wer finanziert diesen Unsinn“ – und Photovoltaik auf Dächern sinnvoller sei, appellierte Merz an den Rat, seinem über drei Jahrzehnten dem biologischen Landbau verschriebenen Betrieb eine Zukunft zu ermöglichen. Ein Ansinnen, ihn dem in über 1200 Bürger mit ihrer Unterschrift unterstützen würden.
Die Zahl der Unterschriften nahm der Bürgermeister zur Kenntnis, wies jedoch gleichzeitig daraufhin, dass sie rein formal für einen Bürgerentscheid nicht zu verwenden seien. Wie er später auf eine Frage erwiderte, sei eine Unterschriftensammlung für einen Bürgerentscheid auch nach dem Beschluss des Rates möglich, dann allerdings mit einer Befristung.
Gleichzeitig antwortete Hoffmann auf eine Frage nach alternativen regenerativen Energien mit dem Hinweis auf eine druckfrische Studie der Metropolregion, in der die Gegend um Neulußheim als für Windkraft ungeeignet bezeichnet wird.
Weitere Anfragen befassten sich mit der Rentabilität eines Solarpark – „wir brauchen den Strom nicht, er schafft nur Unruhe und Zwietracht“ – und mit der Kostenaufstellung für die Erschließung des Gewerbegebiets, die gleichfalls angezweifelt wurde.
Gegenwind für die Solarpark-Pläne in Neulußheim
In der Summe jede Menge Gegenwind für die Pläne der Verwaltung, sodass sich Bürgermeister Hoffmann genötigt sah, einige Punkte klarzustellen. An erster Stelle nannte er dabei den Beschluss des Gemeinderates aus den 1990er Jahren, ein Interkommunales Gewerbegebiet, damals noch mit Reilingen geplant, auf den Weg zu bringen. An diesen Beschluss sei die Verwaltung bis heute gebunden, so der Bürgermeister. Zumal 2015 das Gebiet noch um die östliche Fläche in Richtung Reilingen, gegen den Willen der Nachbargemeinde, erweitert worden sei.
„Es war Aufgabe der Verwaltung, dies umzusetzen“, umriss Hoffmann das Verhältnis zwischen Bürgermeister und Gemeinderat. Letzterer ist der Souverän, die Verwaltung hat seine Beschlüsse Realität werden zu lassen, ansonsten würde man ihr Untätigkeit vorwerfen. „Wenn der Gemeinderat kein Gewerbegebiet mehr will, dann muss er das Verfahren beenden“, verdeutlichte Hoffmann.
Zugleich legte der Bürgermeister dar, dass die aktuellen Pläne nicht aus dem Nichts kämen, immer wieder sei mit potenziellen Investoren verhandelt worden, kämen Anfragen, auch von namhaften Firmen, so Hoffmann, der auf die Vermarktung des Geländes über Kreis, Metropolregion und Wirtschaftsministerium verwies. Die meisten Vorhaben seien an zwei Punkten gescheitert – man habe Spedition von vornherein ausgeschlossen und wollte kein störendes Gewerbe in Nähe des Friedhofs.
Nachdem immer wieder Pläne scheiterten sie ihm die Idee für eine Freiflächenphotovoltaikanlage gekommen, die der Gemeinde zum einen stete Einnahmen verspreche, zum anderen kein störendes Gewerbe sei. Obendrein bleibe die Fläche im Eigentum der Gemeinde und werde nicht versiegelt.
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Nachdem er die Idee im März in den Rat eingebracht hatte, hätten intern die Diskussionen begonnen, sei entsprechende Firmen aufgefordert worden, Vorschläge zu unterbreiten. Nach nichtöffentlichen Sitzungen im Rat sei der Kompromiss geboren worden, der nun zur Abstimmung vorlag: Auf einem Teil der Fläche ein Solarpark, auf einem anderen ein Gewerbegebiet, das in einem ersten Schritt nur zu einem geringen Teil bebaut werden soll.
Solarpark ist für Neulußheim abgehakt
Am Morgen nach der Sitzung bezeichnete Bürgermeister Gunther Hoffmann im Gespräch mit unserer Zeitung den Solarpark als derzeit abgehakt und auch das geplante Gewerbegebiet als in der Schwebe. Bevor ein solches auf den Weg gebracht werde, müsse der Rat grundsätzlich und explizit über die Aufstellung eines Bebauungsplans entscheiden. „Ein konkreter Beschluss fehlt“, sah er die Verwaltung nur in der Pflicht, die entsprechenden Vorarbeiten zu leisten.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Aus dem Regen in die Traufe