Reilingen. Vor über 17 Jahren kaufte die Gemeinde das Grundstück Schlossmühle 1. Für das gut 95 Ar – 9500 Quadratmeter – große Gelände wurden damals stolze 700 000 Euro gezahlt. Besser bekannt ist das Areal als Sitz der Burg Wersau beziehungsweise der Burg unter der Grasnarbe. Der Arbeitskreis Burg Wersau des Vereins Freunde Reilinger Geschichte ist seit Jahren bemüht, die Burg wieder „ans Licht“ zu holen, sie in ihrer Bedeutung sichtbar zu machen, war sie 1286 doch Geburtsstätte der Universität Heidelberg.
Und während Archäologen und Ehrenamtliche sich seit Jahren unermüdlich durch das Areal graben, diente es dem Gemeinderat in erster Linie als Diskussionsgrundlage. In insgesamt 56 Sitzungen, die sich über drei Gemeinderatsperioden hinzogen, wurde am Ratstisch über die Verwendung des Grundstücks diskutiert. Eine bauliche Nutzung war dabei schnell vom Tisch – das Gelände im Außenbereich ist nur unter starken Einschränkungen nutzbar – und als sich das Zentrum für Kulturelles Erbe der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg zur archäologischen Bedeutung des Grundstücks bekannte, war klar, wohin die Reise gehen soll: in Richtung Ausgrabungen und letztlich hin zu einem Archäologiepark. Ein Park, in dem der Grabungsbereich unter didaktischen Gesichtspunkten präsentiert werden soll. Ein entsprechendes Konzept wurde dem Gemeinderat im Juli 2021 präsentiert.
Entscheidungen und Finanzierung des Archäologieparks in Reilingen
Wenn sich die Diskussion dennoch im Rat hinzog beziehungsweise brachlag, so hat dies einen einfachen Hintergrund – die Finanzen. Von vornherein war klar, der Archäologiepark hat seinen Preis. Dennoch appellierte Bürgermeister Stefan Weisbrod „der Sachverhalt fleht nach einer Entscheidung“.
Für den Bürgermeister ging es an diesem Abend um zweierlei: um ein Bekenntnis des Rats zu einem ersten Bauabschnitt und um die Akquirierung von Fördermitteln. Beides ist in seinen Augen miteinander verbunden, ohne einen genehmigungsfähigen Plan könne er nirgends wegen eines Zuschusses vorstellig werden, so der Bürgermeister.
Bauprojekt im Fokus: Infrastruktur für Archäologiepark Burg Wersau
Wie Weisbrod ausführte, habe im März ein Gespräch zwischen Vertretern der Fraktionen, des Arbeitskreises Burg Wersau, der Uni Heidelberg und Architekt Vögele stattgefunden. Dabei sei es um die Schaffung einer Infrastruktur im einfachsten Standard gegangen, sprich um ein erstes Gebäude im Eingangsbereich des Archäologieparks.
Dieses Gebäude soll rund 80 Quadratmeter groß und eingeschossig sein, Raum bieten für einen Eingangsbereich mit Rezeption, Platz für Besucher, Personalzimmer, sanitäre Bereiche sowie eine Teeküche. Grundlage für das Gebäude ist eine Kostenschätzung des Architekturbüros Vögele, die auf einen Betrag von rund 400 000 Euro kommt. Egal, welche Bauweise gewählt wird, so Weisbrod, ob Holzständerbauweise oder Containerlösung, die Summe bleibe stets gleich und auch eine Fertighauslösung käme nicht billiger. Nun sei es am Rat, Nägel mit Köpfen zu machen, forderte Weisbrod.
Lokalpolitik und Gemeinschaftsgeist: Der Weg zum Archäologiepark
Dies fiel Sabine Petzold (FW) nicht schwer: „Für uns ist es heute eine große Freude, endlich für die Zukunft der Burg Wersau und für die Ehrenamtlichen den Archäologiepark mit einem richtungsweisenden Beschluss auf den Weg zu bringen.“ Sie erinnerte an die vielen Haushaltsanträge, die ihre Fraktion schon gestellt habe, um das Projekt voranzubringen, geschehen sei nichts, zollte sie dem Arbeitskreis großen Respekt dafür, alle die Jahre durchgehalten zu haben. Mit Erfolg, das Ergebnis der Zusammenarbeit mit der Uni und dem Amt für Denkmalschutz könne sich sehen lassen – „der Archäologiepark kann eröffnet werden“.
Für den Park, das steht für Petzold fest, sei ein Gebäude dringend notwendig, schon wegen der erforderlichen sanitären Anlagen. Es könne nicht sein, dass für das Gelände die einige Hundert Meter entfernte Toilettenanlage des Friedhofs genutzt werden müsse. Die Planungen für das Gebäude aus dem Jahr 2021 seien auf den aktuellen Stand zu bringen, dann könne damit begonnen werden die notwendige Infrastruktur zu schaffen, stimmte Petzold der Vorlage zu, nicht ohne den Zusatz: „So bald wie möglich.“
Uneinigkeit und Haushaltsfragen im Reilinger Gemeinderat
Ganz so einfach wollte sich Dieter Rösch (SPD) die Entscheidung nicht machen. Er sprach von schlaflosen Nächten im Vorfeld der Sitzung. Wie für Petzold ist ihm das Projekt eine Herzensangelegenheit – ohne die Zustimmung von FW und SPD wäre der Kauf vor 17 Jahren nicht möglich gewesen, doch mittlerweile habe sich die Erde weitergedreht. Rösch sprach von einer ambivalenten Entscheidung, Eindeutigkeiten gäbe es nicht.
Wie Weisbrod blickte auch Rösch in die Vergangenheit, er sprach von einer „Geschichte der versäumten Chancen“. Das Projekt sei immer wieder verschleppt worden, könnte schon längst in trockenen Tüchern sein, urteilte Rösch, in dessen Augen bei einer anderen Haushaltslage das Ja zur Vorlage einfach gewesen wäre. Denn die nun im Raum stehenden 400 000 Euro werden an anderer Stelle fehlen, ist sich der Sozialdemokrat sicher, der im Haushalt keine Einsparmöglichkeiten sieht.
„Wir entscheiden unter absolut schlechten Vorzeichen“, sprach der Sozialdemokrat von kontroversen Diskussionen innerhalb seiner Fraktion. Für die im Raum stehenden Fördermittel fehlt ihm der Glaube, die Gemeinde werde das Projekt wohl allein schultern müssen, betonte er und sah auf der anderen Seite der Waagschale das Wohl der gesamten Gemeinde, der der Rat verpflichtet sei.
Zwischen Tradition und Haushaltslage: Abwägungen im Reilinger Gemeinderat
Auch in der Brust von Peter Kneis (CDU) schlugen bei der Entscheidung „zwei Herzen“. Zum einen würde er gerne im Sinn des Vereins bauen, zum anderen schreckt ihn die Kostenberechnung – „da können wir gleich eine Fünf vor machen“. Angesichts der Haushaltslage und der großen Kreditaufnahmen falle es sehr schwer, das Geld freizugeben, sprach Kneis von einer uneinheitlichen Beschlusslage seiner Fraktion.
Auch hinter einen „nur“ genehmigungsfähigen Bauantrag gebe es wohl kein Zurück mehr, schwant ihm, der von einer großen Bürde für den nächsten Gemeinderat spricht. Besser sei es, urteilte er abschließend, in die Zukunft statt in die Vergangenheit zu investieren.
Simon Schell (Grüne) war sich sicher, dass niemand am Ratstisch die Entscheidung leicht falle. Er dankte den Ehrenamtlichen des Arbeitskreises, die die Grundlage für den Archäologiepark geschaffen hätten. Die Bedeutung der Burg Wersau sei unumstritten, nun gelte es, den nächsten Schritt zu gehen, den Weg für ein kleines Gebäude frei zumachen. Ein bescheidener, aber würdevoller Rahmen, um Gäste zu empfangen. Das alles habe seinen Preis, sei aber die Voraussetzung für ein wichtiges kulturelles Angebot.
Archäologiepark Burg Wersau: „Reilingen ist nicht Versailles“
Ein klares Nein kam von der FDP-Fraktion. Peter Schell störte sich in erster Linie an einem fehlenden schlüssigen Konzept für das Areal. Die Gemeinde hätte schon eine gute Million Euro auf dem Gelände „versenkt“, nun sollten weitere 400 000 Euro folgen. Es gebe keine Kostenaufstellung, kritisierte er und blickte mit Sorgen auf das Ende des Projekts, schon jetzt würden weitere Träume reifen. Sein Nein sei keines gegen die Geschichte des Orts, aber Ströme von Besuchern kann sich Schell auf dem Areal nicht vorstellen: „Die Burg Wersau ist nicht Versailles.“
Sein Fraktionskollege Dr. Stefan Reschke stimmt ihm zu, wehrte sich gegen den Vorwurf, die FDP trete als Bremser auf. Natürlich sei das ehrenamtliche Engagement zu würdigen – wie bei vielen Vereinen. Dennoch müsse die Frage gestellt werden, weshalb in 17 Jahren keine Entscheidung getroffen worden sei, wollte Reschke wissen, und verwies auf die Vorlage – „wieder nichts Halbes oder Ganzes“. Angesichts der schrumpfenden Haushalte von Bund und Land sah er wenig Chancen auf Zuschüsse und angesichts der kommunalen Finanzen keine Chance, die Ausgabe den Bürgern zu erklären.
Gemeinderat Reilingen zum Archäologiepark Burg Wersau: Frage der Zuschüsse
An dieser Stelle hakte Rösch nach, der wissen wollte, ob eine weitere Entscheidung abhängig von belastbaren Zusagen von Fördermitteln sei. Wie Weisbrod betonte, gehe es heute nicht um eine Baufreigabe, sondern um einen genehmigungsfähigen Plan, „mit dem ich Klinken putzen gehen kann“. Dieser Plan sei Ausdruck dessen, was der Rat will und damit könne er in Kontakt mit den zuständigen Instanzen treten.
Weshalb der Beschlussvorschlag auch lautet, die Planungen bis zum fertigen Bauantrag voranzutreiben, über den dann der Rat die Entscheidung hat. „Es geht nicht um einen Blankoscheck, sondern um Fördermittel“, so Weisbrod.
Die Zustimmung zu einem genehmigungsfähigen Plan sei ein Signal – „wir zeigen, wo der Weg hingeht“ – warb Petzold für eine Zustimmung. Agnés Thuault-Pfahler (CDU) fordert dazu auf, nicht nur in Straßen, sondern auch in Kultur zu investieren und Peter Künzler (FW) verwies auf die Möglichkeiten, die der Park biete.
Das letzte Wort vor der Abstimmung gebührte dem Bürgermeister, der unabhängig vom Ausgang von einem „Lehrstück gelebter Demokratie sprach“, von einer „Debatte, wie wir sie lange nicht mehr erlebt haben“. Letztlich stimmte der Rat mit hoher Mehrheit, zehn gegen fünf Stimmen, der Sitzungsvorlage zu. Demnach werden die Planungen für das Funktionsgebäude bis zur Antragsreife vorangetrieben, wird um Zuschüsse geworben, bevor der Rat über den Bauantrag entscheidet.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/reilingen_artikel,-reilingen-archaeologiepark-in-reilingen-aufbruchstimmung-auf-der-burg-wersau-_arid,2196861.html