Jubiläum

30 Jahre Nachbarschaftshilfe in Brühl: Menschen helfen Menschen

Die Nachbarschaftshilfe in Brühl feiert ihr 30-jähriges Bestehen. Seit der Gründung hat sich die Einrichtung weiterentwickelt und unterstützt unabhängig von Konfession, Alter oder Nationalität bedürftige Menschen.

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Ralf Strauch
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Das Leitungsteam (v. r.) Elke Rinderknecht, Daniela Gaisbauer und Petra Kiesecker plant die Einsätze der Mitarbeitenden - allerdings wird nichts über deren Köpfe oder die der Kunden hinweg entschieden. Bild: strauch © strauch

Brühl. „Menschen, die Hilfe brauchen, finden Menschen, die helfen – diese Menschen zusammenzuführen, macht sich die organisierte Nachbarschaftshilfe zur Aufgabe.“ Dieses Ziel wurde schon 1993 formuliert, als eine Hand voll Frauen und die beiden damaligen evangelischen Pfarrer Gerd Stühlinger und Oskar Ackermann die Nachbarschaftshilfe für Brühl ins Leben riefen. Und daran hat sich auch nichts geändert.

„Allerdings ist die Arbeit in den 30 Jahren umfassender geworden, insbesondere im Verwaltungs- und Schulungsbereich, die Zahl der Mitarbeitenden hat sich verzwanzigfacht und aus der einst evangelischen Einrichtung ist eine ökumenische geworden“, weiß Daniela Gaisbauer vom Leitungsteam der Nachbarschaftshilfe zu berichten. Die Nachbarschaftshilfe ist für alle da, die Hilfe brauchen, unabhängig von Konfession, Alter oder Nationalität.

Diesen Erfolg wollen alle Beteiligte der Nachbarschaftshilfe in Brühl und deren Freunde zum 30. Geburtstag am Sonntag, 18. Juli, ab 10 Uhr mit einem Festgottesdienst in der katholischen Schutzengelkirche feiern. Worin aber liegt das Geheimnis dieses dauerhaften Erfolges? Zunächst sicherlich darin, dass sich der Erfolg der Nachbarschaftshilfe nicht in Geld oder Zahlen bemisst, sondern in Vertrauen. „Dies haben wir uns in den vergangenen 30 Jahren erarbeitet, indem wir den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen, und zwar sowohl bei unseren Kunden und als auch bei unseren Mitarbeitenden“, erklärt Elke Rinderknecht im Gespräch mit unserer Zeitung. Die 66-Jährige hilft bereits seit 2010 aktiv mit, zwei Jahre später übernahm sie eine Leitungsrolle im Büro.

30 Jahre Nachbarschaftshilfe: Eine Erfolgsgeschichte in Brühl

Die Mitarbeiten arbeiten durchweg ehrenamtlich und erhalten lediglich eine Aufwandsentschädigung. „Wir machen das, weil wir gerne helfen“, unterstreicht Rinderknecht und Gaisbauer ergänzt, dass dieses Helfen eine Win-win-Situation sei. „Wir Helfenden erhalten so viel zurück: Nicht nur in Form von Dankbarkeit der Kunden, sondern auch durch emotional bereichernde Erlebnisse und Erfahrungen, die wir im Einsatz sammeln dürfen“. Sie ist 49 Jahre alt und seit 2014 im Leitungsteam dabei. „Helfen tut einfach gut.“

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Jana Zimmermann ist der „Neuling“ im Team. Die 28-jährige Frau kam Ende 2020 zur Nachbarschaftshilfe und wurde schon nach weniger als einem Jahr ins Team berufen. Sie musste wegen einer Schwangerschaft beruflich kürzer treten, wollte aber in der so hinzugewonnenen Freizeit etwas Gutes für Menschen in ihrem Umfeld tun. Doch für alle drei Frauen ist der Einsatz vor Ort bei den Kunden keine Sache auf die sie nur zurückblicken können, oftmals fahren sie auch selbst zu den Kunden raus, wenn dringend geholfen werden muss.

Doch ihre Kernaufgabe – neben der Verwaltung – ist bestens mit dem Leitspruch „Menschen, die Hilfe brauchen, finden Menschen, die helfen – diese Menschen zusammenzuführen“ umrissen. Meldet sich ein Hilfesuchender bei ihnen, dann wird von einem Mitglied des Leitungstrios erst einmal geschaut, ob überhaupt eine Grundlage für die Hilfe gegeben ist. „Wir hatten schon einmal eine Anfrage für eine hauswirtschaftliche Hilfe, weil ein junger Mann seine Wohnung mal wieder ordentlich aufgeräumt haben wollte“, erinnert sich Rinderknecht und lacht. Da habe man natürlich keinen ehrenamtlichen Helfer vermittelt. Die Kunden müssen in irgendeiner Weise zeitweise oder dauerhaft so eingeschränkt sein, dass sie bestimmte Aufgaben nicht mehr selbstständig erledigen können.

Ehrenamtliche Hilfe ohne Grenzen: Menschen helfen in Brühl Menschen

In einem ausführlichen Kennenlerngespräch erfahren die drei Frauen bei ihren Kunden viel über deren aktuelle Lebenssituation, ihr Krankheitsbild, das häusliche Umfeld sowie ihre Wünsche und Bedürfnisse. „Wir sind dankbar für die Offenheit unserer Kunden, denn es ist nicht leicht, sich die mit dem Alter zunehmenden Schwächen einzugestehen, für uns sind diese Informationen aber wichtig, um die in unserem Rahmen mögliche Hilfe individuell zu organisieren oder gegebenenfalls auf andere Einrichtungen oder Anbieter verweisen, die umfassender unterstützen können“, sagt Rinderknecht – in einzelnen Fälle bringe man da auch mal das Thema eines Umzugs ins Pflegeheim auf.

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Passen die Voraussetzungen, versuche das Team anhand der Gespräche, Menschen zu finden, die als Helfende im Miteinander mit dem Kunden womöglich über einen langen Zeitraum zusammenpassen, weil eine Bindung zueinander aufbauen können. „Zu 95 Prozent gelingen uns da Treffer“, ist Gaisbauer stolz. Wenn allerdings ein Kunde oder auch ein Mitarbeiter merkt, dass es nicht so klappt, dann versuche man es mit einer anderen Konstellation.

„Wir erbringen keine Dienstleistung im herkömmlichen Sinne“, erklärt Gaisbauer, „wir stellen das Miteinander ins Zentrum, die Kunden sollen je nach ihren Möglichkeiten in die Arbeit eingebunden werden“. Rinderknecht ergänzt: „Deshalb fragen unsere Helfer auch nicht, was sie an einem Termin beim Kunden machen sollen, sondern was man gemeinsam angehen will.“

Individuelle Betreuung in Brühl: Bedürfnisse stehen hier im Mittelpunkt

Anders als bei vielen Dienstleistern können, nein sollen sich die Mitarbeitenden im Einsatz auch die Zeit für das persönliche Gespräch mit dem Kunden nehmen, es gehe also nicht nur um die direkt Hilfe, sondern auch um menschliche Zuwendung, betont Zimmermann.

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Deshalb will das Leitungsteam auch den Mitarbeitenden im Vorfeld als Menschen umfassend kennenlernen. „Nur dann können wir die Einsätze für alle Beteiligten gut und rücksichtsvoll besetzen. Wir sind sehr froh und dankbar für die vielen tollen Menschen, die sich bei der Nachbarschaftshilfe engagieren, denn sie setzen in ihren Einsätzen unser Motto zuverlässig in die Tat um. Sie sind Gesicht, Hand und Herz der Nachbarschaftshilfe.“ Doch auch das Leitungsteam bekommt von den Helfenden ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt, sie fühlen sich von ihnen verstanden und ernstgenommen, heißt es.

Mit diesen Voraussetzungen gelingt es also fast immer, die Einsätze in guter Übereinkunft zu besetzen. So sind die 120 Mitarbeitenden in durchschnittlich 1200 Stunden monatlich bei 170 Kunden engagiert. Die älteste Helferin ist übrigens mit ihren 92 Jahren zumeist älter als ihre Kunden, die jüngsten Unterstützer sind gerade einmal volljährig. Und auch die Kunden kommen aus allen Generationen. Da gehört die junge Mutter dazu, die das Bein gebrochen hat und für eine gewisse Zeit von den Helfern der Nachbarschaftshilfe ihre Tochter zum Kindergarten bringen lässt.

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Aber es gibt eine ganze Reihe von Handreichungen, wie das Trio aufzählt: „Wir übernehmen für unsere Kunden das Einkaufen, wir begleiten sie beim Spaziergang – auch mit Rollstuhl – fahren mit ihnen gemeinsam zu Arzt- und Behördenbesuchen oder zum gemeinsamen Einkaufen, unterstützen bei der Haus- und Gartenarbeit, bei der Rückkehr aus dem Krankenhaus sowie beim Umzug ins Heim oder Betreute Wohnen.“ Auf diese Weise entlastet die Nachbarschaftshilfe pflegende Angehörige, die auch einmal wieder Zeit für sich selbst benötigen. „Wir machen das, was ein guter Nachbar auch anbieten würde“, meint Gaisbauer, „Wir sind bei den Menschen – einfach zum Zuhören, Trösten, Vorlesen oder zum Unterhalten.“

Gemeinschaft und Vernetzung: Austausch im Brühler Netzwerk

Doch das Spektrum reicht noch viel weiter. Es gehe darum, den Kunden und ihren Familien möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Allerdings darf die Nachbarschaftshilfe keine pflegerischen Aufgaben wahrnehmen und man sieht die Hilfe im Haushalt nicht als reinen Putzdienst an.

Organisierte Nachbarschaftshilfe könne allerdings nicht kostenlos erfolgen. Derjenige, der jedoch über ein sehr geringes Einkommen verfügt, soll trotzdem die Nachbarschaftshilfe in Anspruch nehmen können. „Um diesen Menschen unsere Hilfe unentgeltlich oder preisermäßigt gewähren zu können, sind wir auf Spende angewiesen.“ Dafür gibt es einen eigenen Spendentopf der Organisation.

Ein weiterer wichtiger Faktor für die erfolgreiche Arbeit der Nachbarschaftshilfe im Ort ist die außerordentliche Vernetzung verschiedener Organisationen. So erfahren die Helfenden aktive Unterstützung und Stärkung durch den Austausch und die Zusammenarbeit im Netzwerk Brühl, aber auch mit anderen Nachbarschaftshilfen in der Region und nicht zuletzt mit der Gemeinde. Gleichzeitig begleiten und unterstützen die Träger, die evangelische und katholische Kirche, die Gruppe in ihrer täglichen Arbeit und stehen ihr jederzeit beratend zur Seite.

„Wir sind dankbar und froh, dass unsere Einrichtung so gut angenommen wird, sehr viel Rückhalt und Unterstützung – auch in Form von Spenden – erfährt und so zu einer festen Größe in Brühl geworden ist“, unterstreicht Gaisbauer. So könne das Credo mit Leben erfüllt werden: „Menschen, die Hilfe brauchen, finden Menschen, die helfen – diese Menschen zusammenzuführen.“

Info: Weitere und individuelle Informationen gibt es per E-Mail an nachbarschaftshilfe@evkirche-bruehl-baden.de oder direkt im Büro, Telefon 06202/78 02 21.

Redaktion

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